Stehen grosse Sportereignisse bevor, erhoffen sich TV-Geräte-Händler stets, das Ereignis möge den Verkauf ankurbeln. Kein Anlass lockt mehr Menschen weltweit vor den Fernseher als die Fussball-WM - und so waren die Erwartungen diesen Frühling besonders hoch. Hinzu kommt die fortschreitende Umstellung der Fernsehsender auf das Format 16:9 und schlussendlich die sich immer lauter ankündigende Einführung von HDTV (High Definition Television).
Fernsehdirektorin Ingrid Deltenre hat Ende Mai das digitale Zeitalter beim Schweizer Fernsehen eingeläutet. Um ihre Aussage zu untermauern, dass die bevorstehende digitale Revolution bedeutender sei als die damalige Einführung des Farbfernsehens, musste sie tief in die Trickkiste der Technik greifen. So wird bis 2009 das analoge Netz komplett durch ein digitales ersetzt. Auch wird die Empfangsqualität von Bild und Ton erhöht. Was für TV-Händler aber interessanter tönt, ist die Ankündigung, immer mehr Sendungen im 16:9 Format zu zeigen. Bis 2008 wird das gesamte Programm auf das neue Format umgeschaltet. Und dann kommt auch beim SF früher oder später HDTV an die Reihe. Ab 2008 sind erste Testausstrahlungen geplant, ab 2010 sollen dann die ersten Programme in Regelbetrieb gehen.
Bisher haben 40 Prozent der Schweizer Haushalte einen Breitbildfernseher. Die restlichen 60 Prozent schauen die WM-Spiele auf ihrem alten Fernseher mit zwei schwarzen Balken oben und unten, wie bei Kinofilmen. Daran werden sie sich langsam aber sicher gewöhnen müssen, wenn sie kein neues Gerät anschaffen möchten.
IT Reseller hat sich bei den CE-Händlern und Distributoren umgehört und hat gefragt, ob die Ankündigungen vom Schweizer Fernsehen oder die Fussball-WM zu Mehrverkäufen bei den TV-Geräten geführt haben und was sie von der zukünftigen Entwicklung erwarten.
Ungebrochener Absatz
Soviel kann man sagen: Die Stimmung unter den Händlern ist gut. Der Absatz von Flachbild-TV-Geräten ist ungebrochen, und die Zukunftsaussichten sind fast ungetrübt. Im Jahr 2005 schnellte der Absatz von LCD- und Plasma-Displays um rund 145 Prozent nach oben, und der Aufwärtstrend hält auch dieses Jahr weiter an. Jedoch soll man sich von diesen Zahlen nicht täuschen lassen, denn gleichzeitig sinken die CRT-Verkäufe. Im letzten Jahr stiegen die Gesamtverkäufe dennoch um 16,4 Prozent.
Ob die Fussball-Weltmeisterschaft dieses Jahr nun die Verkäufe tatsächlich noch weiter anheizt, darüber ist man indes geteilter Meinung. Hans-Peter Weiss, Managing Director des Distributors
Actebis, meint dazu: «Der April war enttäuschend, der Mai lief schon bedeutend besser. Plasma-TVs und Beamer verkaufen sich zwar jetzt besser, aber allgemein hat man sich wohl mehr erhofft von der Fussball-WM.» Und er spricht auch gleich noch eine Sorge an, die auch der Handel mit ihm teilt: «Endscheidend für die Distrubution ist nun, was im Handel läuft. Wenn der Abverkauf schlecht ist, wird es im Sommer zu Ausverkäufen kommen, was wiederum auf den Herbst negative Auswirkungen haben könnte.» Der Hype um die WM hat zu mehr Bestellungen bei Herstellern und Distributoren geführt.
Philips Schweiz beispielsweise hat von Januar bis April 72 Prozent mehr LCD- und Plasma-Geräte ausgeliefert als in der Vorjahresperiode. Sollten die Abverkäufe nun doch kleiner ausfallen als erwartet und die Lager der Händler nach der WM noch gefüllt sein, würden die Räumungsverkäufe sehr wahrscheinlich zu einem Preiseinbruch führen, der sich bis auf das Weihnachtsgeschäft auswirken könnte.
Hoffnung ruht auf 16:9
Bei einigen läuft der Ball auf jeden Fall rund. Die kriselnde Elektronik-Sparte M-Electronics des orangen Riesen verkaufte seit Februar 35 Prozent mehr Flachbildschirme als im Vorjahr. Und auch bei Media Markt liegen die Verkäufe, je nach Standort, zwischen 30 und 50 Prozent höher als im Vorjahr. Media Markt hat denn auch in der Werbung voll auf die WM und den Fernseherverkauf gesetzt.
Doch die WM ist ja nicht das einzige Eisen im Feuer der Händler. Denn in einem Punkt sind sich alle von uns Befragten einig: Die Nachfrage wird anhalten. In High Definition und das 16:9-Format setzen sie grössere Hoffnungen als in die WM. Und auch wenn es noch einige Jahre dauern wird, bis der Fernsehzuschauer zu Hause die SF-Programme und andere frei empfangbare Sender in HD-Qualität wird geniessen können, so bemerken die Händler doch schon ein steigendes Interesse. «Neue Technologie wird vom Schweizer immer gern angenommen. Der Schweizer Markt ist Testmarkt für spätere Einführungen in andere europäischen Märkte. Die Schweizer sind demzufolge oftmals die Vorreiter in Sachen Einführung von innovativen Technologien» sagt dazu Klaus Pilgram von Küpfer Electronic. Ob die Schweizer wirklich auch diesmal eine Vorreiterrolle übernehmen, wird sich noch zeigen. Eines ist wohl aber sicher: «Wenn dann die Signale wirklich über alle Kanäle, nicht nur über Satellit, sondern auch über das Kabelnetz verfügbar sind und die Mehrheit der Sendeanstalten in HD produziert, dann werden die letzten CRT ersetzt werden», sagt Christian Hermle, Leiter Corporate Communications bei John Lay. Damit spricht er auch gleich die Sorgen derer an, die noch nicht an einen Boom dank HD glauben. Zumindest noch nicht jetzt. Es sei noch zu wenig darüber bekannt, befürchten einige. Und andere glauben, es gehe erst richtig los, wenn nicht mehr nur Pay-TV in HD-Qualität senden.
Die kommenden Monate werden zeigen wer Recht behält. Sollte der Boom noch nicht einsetzen, ist in zwei Jahren ja schon wieder Fussball-Europameisterschaft. (slz)