Patrick Burkhalter - Der Aufgeschlossene

Im Leben von Patrick Burkhalter gibt es ein paar Konstanten: Seine Firma, Ergon Informatik, Unix als Betriebssystem und das Gleitschirmfliegen, seine liebste Freizeitbeschäftigung. Gemeinsam ist allen Dreien, dass im Umgang mit ihnen vor allem eins zählt und wichtig ist: die Erfahrung.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2008/05

     

Patrick Burkhalter wohnt mit seiner Frau und seinen drei Buben noch heute in seinem Geburtshaus im Zürcher Oberland. Sein Vater produzierte in Hinwil Stellmotoren für Heiz- und Klimaanlagen. Der Sohn begann - in den 80er Jahren das Traumziel jedes naturwissenschaftlich interessierten Maturanden - das Studium der Physik an der ETH. Doch schon bald wurde ihm klar, dass dies wohl doch nicht ganz seine Welt war.
In den Sommerferien überlegte er, wie es weitergehen sollte. Sein praktisch veranlagter Vater indessen liess den Sohn in dieser Zeit ein Computerprogramm schreiben, mit dem er die Qualitätskontrolle in der Fabrik besser in den Griff bekommen wollte. Die dazu benutzte Programmiersprache RPG3 mutet heute archaisch an, doch das Programm tat bis zur Jahrtausendwende seinen Dienst. Und Burkhalter hatte herausgefunden, was ihn wirklich faszinierte.

Von der Uni zu Ergon

Im Wintersemester wechselte er an die Uni und belegte die Fächer Informatik und Wirtschaft. An der Informatikabteilung der Uni Zürich gab es damals einige interessante Leute, wie etwa den Assistenten Erich Gamma, der bald zu einer Koryphäe für objektorientierte Programmierung werden sollte. Mindestens so wichtig für den jungen Burkhalter war jedoch, dass an der Uni die Prüfungen im Frühjahr stattfanden. Die Semesterferien waren somit frei, um Geld zu verdienen und sein neu entdecktes Hobby zu pflegen, das Gleitschirmfliegen.
An der Uni lernte Burkhalter Theodor Graf kennen. Dieser war auf dem zweiten Bildungsweg zum Studium gekommen und hatte bereits zuvor die Ergon Informatik AG gegründet. Gemeinsam realisierten die beiden dort ihre Projektarbeit, und 1987, nach Abschluss seiner Studien, trat Burkhalter in die Firma seines Freundes ein.
Zu Beginn der 90er Jahre schied der Geschäftsleiter und Partner von Graf aus und verkaufte seine Aktien an die Mitarbeiter. Diese erwarben weitere Anteile von Graf und wählten Burkhalter zum neuen Geschäftsleiter. «Jetzt», sagt er, «konnte es losgehen.»

Es geht los

Ergon entwickelte auf Unix und offenen Standards basierende Software. Die Kunden stammten vorwiegend aus der Industrie. Der Finanzsektor dagegen gab sich gegenüber diesem Konzept noch zurückhaltend. Der Durchbruch kam mit dem Auftrag der Credit Suisse für ein Internet-Banking-Sys­tem. Der Erfolg führte zu einem Boom, der das Unternehmen in kurzer Zeit von 15 auf 60 Mitarbeiter wachsen liess. Heute beschäftigt Ergon 95 Leute. Im zu Ende gehenden Geschäftsjahr stieg der Umsatz um weitere 14 Prozent auf 19 Millionen Franken.
«Unser Kundenstamm hat sich verbreitert», kommentiert Burkhalter. «Im letzten Jahr haben wir 60 Kunden für rund hundert Projekte Rechnung gestellt. Da sind natürlich auch Wartungen dabei, aber immerhin.» Besonders stolz ist er auf die Entwicklung im Telecom-Geschäft, das rund einen Drittel des Umsatzes erbrachte und zur Hälfte bei Grosskunden im Ausland wie M-Net München und UPC generiert wird.

Sun Solaris und OSS

Nach wie vor basieren 90 Prozent der Projekte auf Unix, meist auf Sun Solaris. «Das bekommen wir heute ebenfalls gratis, aber es ist leistungsfähiger und stabiler als Linux», erklärt Burkhalter. Wichtiger als die Lizenzkosten sei, dass sich heute fast alles auf günstigen Intel-Servern betreiben lasse.
Meist kommt auch Open-Source-Software zum Einsatz. Applikations-Server etwa würden, falls der Kunde nicht einen internen Standard festgelegt habe, mit J-Boss und Geronimo betrieben.
Auch hier, so Burkhalter, sei nicht der Preis ausschlaggebend, sondern das Umfeld: «Bugs gibt es immer und überall, bei freier wie proprietärer Software. Worauf es ankommt, ist die Möglichkeit, diese zu fixen. Dabei ist man meist schneller, wenn man den Source-Code kennt und selber oder in der Community eine Lösung erarbeiten kann, als wenn man auf den Hersteller warten muss. Bei Projekten, die unter Zeitdruck stehen, kann das entscheidend sein.»

Mit «Me-Too» nichts am Hut

Ergon ist auf massgeschneiderte Lösungen spezialisiert. «Für eine Me-Too-Lösung kann man Standard-Software einsetzen», sagt Burkhalter, «aber wo spezielle Lösungen die Prozesse effizienter machen und einen Wettbewerbsvorteil bringen sollen, sind wir die richtige Adresse.»
Entscheidend in diesem Umfeld seien qualifizierte Mitarbeiter: «Mit der IT kennen sich Software-Ingenieure sowieso aus. Aber sie müssen sich auch in die Prozesse des Kunden hinein- denken. Unsere Mitarbeiter sind gewohnt, selbständig zu arbeiten. Sie scheuen sich daher auch nicht, Kunden auf konzeptionelle Ungereimtheiten aufmerksam zu machen.» Am Ende gehe es nicht darum, vorgegebene Spezifikationen zu realisieren, sondern das, was der Kunde benötigt: «Die einfachste Lösung ist meist die beste - das gilt für die Software wie für Prozesse.»
Nicht zuletzt deshalb bemüht sich Burkhalter, dass Ergon ein attraktiver Arbeitgeber für ETH-Abgänger ist. Dem viel beklagten Mangel an Software-Ingenieuren zum Trotz könne er nicht jammern, meint er, bisher hätten junge, qualifizierte Leute noch immer den Weg zu Ergon gefunden. Das führe dann auch zu persönlichen Kontakten mit der akademischen Welt, so dass man über neue Entwicklungen im Bilde sei. Auf der anderen Seite werde jedes Jahr ein Informatik-Lehrling eingestellt. «Qualifizierte und zufriedene Mitarbeiter», sagt er, «sind für eine Firma wie Ergon das wichtigste Betriebskapital.»

Patrick Burkhalter

Patrick Burkhalter, geboren 1962, ist seit 15 Jahren CEO der Ergon Informatik. In dieser Zeit entwickelte sich das Unternehmen zu einem führenden Anbieter von Software-Lösungen für Industrie-, Finanz- und Telecom-Unternehmen.
Burkhalter ist verheiratet und hat drei Jungen im Alter von 10, 14 und 16 Jahren. Grundsätzlich möchte er «wie jeder Mitarbeiter eine 40-Stunden-Woche einhalten». Da dies meist nicht gelingt, macht er wenigs­tens hie und da eine zusätzliche Woche Ferien.
In der Freizeit pflegt er schon seit dem Studium das Gleitschirmfliegen, in den Ferien in den Bergen, sonst im Zürcher Oberland, wo er wohnt. Seine Frau frönte bis zur Geburt ihres zweiten Kindes ebenfalls diesem Hobby, und in letzter Zeit zeigt auch sein Ältester Interesse. «Aber», sagt er, «Gleitschirmfliegen muss man einigermassen regelmässig ­betreiben. Ohne ausreichende Erfah­rung kann es gefährlich werden.» (Andreas Fischer)


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