Die
Software AG, bisher bekannt für Adabas, Natural und
Webmethods, hat den Prozessmanagement-Hersteller
IDS Scheer und damit auch dessen Aris-Plattform übernommen. Swiss IT Reseller hat Maurizio L. Conti, Managing Director der Schweizer Niederlassung, zum Zusammengehen der beiden Unternehmen befragt.
Herr Conti, wie gestaltet sich die Integration von IDS Scheer in der Schweiz?
Die
Software AG feiert in der Schweiz dieses Jahr den fünfundzwanzigsten Geburtstag und hatte ihren Standort fast 20 Jahre lang in Dietikon.
IDS Scheer war in Wallisellen domiziliert. Am 1. Mai sind wir nun in gemeinsame neue Büroräume im Airgate in Zürich-Oerlikon umgezogen – und zwar nicht etwa aus Platzgründen: Wir wollen mit dem Umzug einen Neustart für das vereinte Team bewirken. Die Schweiz ist übrigens das erste Land, in dem wir so vorgehen und hat gewissermassen Pionierfunktion.
Kam es im Zug der Übernahme zu Stellenabbau?
Was die Schweiz betrifft, Stand Mitte Juni 2010, kam es bisher zu keiner einzigen Stellenkürzung. Es gibt natürlich potentielle Synergien, die wir erst noch ermitteln müssen – gibt es Überlappungen, könnten einzelne Aufgaben durch andere Mitarbeiter erledigt werden und so weiter. Im Moment beschäftigt die
Software AG Schweiz ziemlich genau 80 Mitarbeiter. Dazu kommen noch dezentrale Funktionen wie Support und Backoffice, die wir auch mitfinanzieren.
Wie haben die Mitarbeiter auf das Zusammengehen reagiert?
Die Begeisterung ist vorherrschend. Die Mitarbeiter haben klar realisiert, dass sich die Produktportfolios der beiden Unternehmen hervorragend ergänzen. Es gab natürlich auch berechtigte Fragezeichen, was die Zukunft bringen würde. Heute sind diese Unsicherheiten ausgeräumt – wir haben keine Berührungsängste, verstehen uns gut, tauschen uns aus, lachen zusammen... Das funktioniert nicht zuletzt dank den neuen, gemeinsamen Büros so gut.
Von den Mitarbeitern zu den Kunden: Gab es bisher viele Kunden, die sowohl Software-AG- als auch IDS-Scheer-Produkte einsetzen?
Anders als in anderen Ländern ist die Schnittmenge in der Schweiz interessanterweise minim, und wo beide vertreten waren, waren
Software AG und
IDS Scheer meist in unterschiedlichen Geschäftseinheiten aktiv. Das ist eigentlich natürlich. Die Software AG steht ja traditionell für Infrastruktur, IDS Scheer ist eher auf der Business-Seite angesiedelt.
Erwarten Sie nun zusätzliche Geschäfte?
Definitiv ja. Die «neue Software AG» positioniert sich ja als Leader für Business Process Excellence. Wir bieten nun sowohl die technische Infrastruktur, die es dafür als Basis braucht, als auch das Know-how zur Analyse und Optimierung der Geschäftsprozesse. Das Feedback von den Kunden ist sehr positiv. Wir sehen auch bereits konkretes Interesse für unser «Rundumpaket». Kunden, bei denen schon entsprechendes Potential bestand, haben wir sofort nach der Ankündigung der Übernahme über die Pläne zur Produktintegration informiert und, damals noch als Partner, zusammen mit IDS-Scheer-Leuten besucht. Auch mit der bevorstehenden technischen Integration von Aris und
Webmethods werden die Produkte aber auch in Zukunft als eigenständige Lösungen erhältlich bleiben – es ist also nicht zwingend, dass ein Aris-Kunde unbedingt auch Webmethods einsetzen muss. Dies verschafft uns einen zusätzlichen Flexibilitätsvorteil.
Wie betreuen Sie die Kunden – direkt oder über Partner?
Den Grossteil der Kunden betreuen wir direkt. Wir arbeiten natürlich auch mit Systemintegratoren wie
Accenture,
T-Systems oder Bearing Point zusammen. Wir haben zum Beispiel Projekte, in denen ein Partner als Generalunternehmer auftritt, einen Teil mit unseren Lösungen abdeckt und diese dann auch selbst an den Kunden verkauft. Einen klassischen Reseller-Kanal haben wir aber nicht, wir bieten ja auch keine Produkte an, die man nach dem Box-Moving-Prinzip verkaufen kann.
Der Consulting-Arm von IDS Scheer wird von der Software AG als sehr wichtig betont. Wie sieht dies in der Schweiz aus?
Auch bei uns ist das Consulting ein wichtiger Bereich. Das Gros der IDS-Scheer-Mitarbeiter, die nun bald zur
Software AG gehören, sind im Consulting tätig – etwa 80 bis 90 Prozent. Wir sind sehr froh, dass wir solche Spezialisten direkt in der Schweiz haben und damit über eigenes Consulting-Know-how von der Strategie- und Managementberatung über die Prozessberatung bis hin zur SAP-Implementierung verfügen.
In Berlin fand Anfang Juni die dreitägige Hauskonferenz Process World statt, erstmals mit beiden Marken gemeinsam. Wie tritt die Software AG in der Schweiz ans Publikum heran?
Wir hatten kürzlich eine Roadshow in Zürich, Bern und Genf, an der wir aus erster Hand über die Integration von
Software AG und
IDS Scheer und über die Produkt-Roadmap informiert haben, unter anderem mit Referaten durch Vorstandsmitglieder des Konzerns. Auf den November haben wir das Process Forum geplant, eine eintägige Veranstaltung – eine Art kleine Process World, auf die Schweiz bezogen. Dort wollen wir auch das 25-jährige Bestehen der Software AG Schweiz feiern. Auf unser Jubiläum bin ich sehr stolz, denn es gibt nur wenige Softwareanbieter, die auf ein erfolgreiches Vierteljahrhundert zurückblicken können.
Die Software AG ist den meisten als Hersteller der Mainframe-Produkte Adabas und Natural geläufig. Braucht es eine Image-Offensive, um die neue Positionierung bekannt zu machen?
Leider wird die
Software AG gerade in der Schweiz unterschätzt wahrgenommen. Hier muss ich uns an der eigenen Nase nehmen: Wir haben in der Vergangenheit wohl zu sehr nach dem Prinzip «Tue Gutes und rede nicht darüber» gearbeitet. Das ist eigentlich schade, denn wir verfügen über einen sehr guten Kundenstamm mit vielen erfolgreichen Projekten.
Wir können also stolz sein, ohne Arroganz: Die Software AG produziert ja nicht einfach heisse Luft, sondern ist ein stabiler, weltweit tätiger Konzern mit 6000 Mitarbeitern. In den berühmten Gartner- und Forrester-Quadranten sind wir in allen zwölf für uns relevanten Geschäftsfeldern marktführend positioniert und bieten als einziger Hersteller eine End-to-End-Lösung für Business Process Excellence an. Wir sind mitten dabei, Aufklärungsarbeit zu betreiben und dies bekannter zu machen – da sind alle Mitarbeiter gefordert.