Desktop-Video wird erwachsen

Apple will mit dem Videoschnitt-Programm «Final Cut» seine Maschinen in einen weiteren Markt drücken.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2000/07

     

Über lange Zeit waren die Versuche, die Videoproduktion auf den Desktop-PC zu holen, daran gescheitert, dass die technischen Möglichkeiten den Träumen hinterher hinkten.
Die Verbindung der neuen G4-Macintosh-Modelle samt Firewire-Schnittstelle und ein eigens für den neuen Prozessor optimiertes Programm, Final Cut Pro von Apple, scheint nun aber ein Videoschnittsystem auf Desktop-Computerbasis zu ermöglichen, das Broadcast-Ansprüchen zu genügen vermag und deutlich günstiger ist als bisherige Postproduktionssysteme. Filmemacher Peter Stierlin («Klassezämmekunft») anlässlich der Demonstrationen auf der Apple Roadshow: «Mit dem Geld, das ich für kürzlich für die Miete eines Avid-Schnittplatzes pro Woche ausgab, hätte ich mir schon beinah einen eigenen G4-Videoschnittplatz kaufen können.»
Das Editierprogramm Final Cut Pro, ursprünglich von Macromedia entwickelt, wurde 1998 von Apple übernommen und weiterentwickelt. Die neue Version 1.2, die nun auch mit der PAL-Fernsehnorm arbeitet, zusammen mit dem gegenüber den G3-Macs deutlich leistungsfähigeren G4-Maschinen, vermochte auch Skeptiker davon zu überzeugen, dass das Desktop Video jetzt langsam erwachsen wird.
Der Genfer Regisseur Jean-Luc Wey («L‘année du capricorn»), der wie viele Schweizer Filmschaffende immer wieder auch Auftragsproduktionen realisiert, setzt seit kurzem Final Cut Pro und einen 450 MHz G4 ein: «Für kleinere Produktionen, wo man ohne viel Aufwand und mit einer kleinen Equipe arbeitet, ist die Postproduktion oft unverhältnismässig teuer. Da ist Final Cut Pro eine ideale Lösung. Der Output lässt sich mit auf Avid- oder Media 100-Systemen bearbeiteten Teilen vermischen, ohne dass für den Betrachter ein qualitativer Unterschied sichtbar wird.» Das bestätigt auch TV-Redaktor Roland Blaser, der mit Final Cut Pro seine Beiträge für das DRS-Magazin «Menschen-Technik-Wissenschaft» realisiert.

Für den G4-Prozessor optimiert

Da Final Cut Pro 1.2 für den Befehlssatz der «Velocity Engine» des G4-Prozessors optimiert wurde und ein neuer DV-Code eingesetzt wird, ist die Darstellung in Echtzeit bei voller Auflösung und Bildrate möglich. Verbessert wurde auch das Batch Capturing, um mehrere Sequenzen in einem einzigen Durchgang zu digitalisieren. Zu den Neuerungen zählen ausserdem eine Importmöglichkeit für Macromedia-Flash-Dateien, neue Nachhall-Filter, die Unterstützung zusätzlicher Plug-ins von Drittanbietern und die Drei-Tasten-Bedienung für die Wiedergabe.
Audio-, Video- und Grafikelemente können in praktisch unbegrenzt vielen Ebenen kombiniert werden. Der Einsatz von Bézier-Kurven erlaubt die zeitlich und örtlich präzise Steuerung von Effekten und Animationen. Mit der FX-Scriptsprache können eigene Filter erstellt werden. Auf der US-Website von Apple steht bereits eine ganze Bibliothek von Skripts bereit. Dank dem Mac OS 9 lassen sich verschiedene Final Cut Pro Konfigurationen für mehrere Benutzer definieren.
Auf dieselbe Weise ist es möglich, schnell zwischen Analog- und Digital-Videomodi zu wechseln.
Apple Chef Steve Job meinte kürzlich, Apple sei eines der letzten Unternehmen der IT-Branche, das Software- und Hardwarelösungen aufeinander abstimmt. Mit der günstigen Apple Desktop-Video-Lösung (alles in allem um die 10’000 Franken) möchte Apple offensichtlich eine ähnliche Pionierstellung einnehmen, wie seinerzeit beim Desktop Publishing. (fis)


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