Morgendämmerung für Jungunternehmer

Immer mehr Grosskonzerne investieren in Start-up-Firmen aus dem Internetumfeld. Eine Übersicht über die Start-Up- und VC-Initiativen.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2000/08

     

Von Grossbanken brauchen sich Start-ups noch immer nicht viel zu erhoffen, wenn es um Kapital für ihre Projekte geht. Wenn Start-ups Produkte lancieren wollen oder die internationale Ausrichtung finanziert werden soll, werden sie von den Bankenriesen noch zu oft mit unvermögenden Privatkunden gleichgesetzt. Dies gilt für mittelständische Unternehmen jeder Branche.
Deshalb leisten Grosskonzerne schon lange Finanzierungshilfe in Zusammenarbeit mit Finanzinstituten und nehmen so das Finanzierungsrisiko vom Händler. Leasing ist aber noch lange nicht Risikoinvestition. Geliehene Hardware kostet den Hersteller wenig, kann jederzeit zurückgeholt und revidiert wiederverkauft werden. Was Jungunternehmen brauchen ist Kapital, um ihre Produkte und Dienstleistungen zu vermarkten, um zu expandieren, bis sie die break-even-kritische Grösse erreicht haben.

Internet ahoi!

War bis vor kurzem das Vertrauen in Jungunternehmen aus dem Internetumfeld eher mässig, scheint es langsam aber sicher — auch zunehmend in Europa — wenigstens für Start-ups aus dem Internet und E-Commerce-Umfeld einfacher, an Venture Capital heranzukommen. Man denke beispielsweise daran, wie schwierig es noch vor wenigen Jahren für Peter Ohnemus war, für seine Fantastic Corporation Geld aufzutreiben. Heute reissen sich Grosskonzerne jeglicher Couleur um den Pionier für Breitband-Software und legen ihm ihre Millionen und Abermillionen zu Füssen. Schwacher Trost: Ohnemus hat «erst» jetzt, mit 35 Jahren, seinen ersten Kreislaufkollaps hinter sich und muss auf ärztlichen Rat hin kürzer treten.
Neben den grossen Investmentfirmen riechen mittlerweile aber auch grosse Hersteller und Dienstleister aus dem IT-Umfeld den Braten. Mit ihren Grossinvestitionen verfolgen sie unterschiedliche Ziele. Grosse Hersteller beispielsweise beliefern Start-ups mit Hardware und Dienstleistungen und vermitteln Kapital von Investmentfirmen mit dem Ziel, die Unternehmen als ihre Kunden zu gewinnen, haben sie erst durch die Hilfe eine respektable Grösse erreicht. Die folgende Zusammenfassung soll einen Überblick zum Vorgehen und Hintergrund der wichtigsten zur Zeit laufenden Marketing- und Investitionsbemühungen im Internetbereich aufzeigen.

Japanischer VC-Gigant kommt nach Europa

Die japanische Investmentfirma Softbank will eine Milliarde Dollar in europäische Internet-Start-ups investieren, denn dank der vielen Gratis-Zugänge steigt die Zahl der Internet-Nutzer in Europa stetig. Der Boom wird fortan durch das drahtlosen Interenet erst recht begünstigt. 450 Millionen Dollar sollen in Grossbritannien und weitere 550 Millionen im restlichen Europa Investiert werden; bevorzugt im Wireless-Bereich, da Europa dort den USA voraus ist.
Softbank gehört zu den Top Fünf in Japan, was die Marktkapitalisierung angeht. Der Schritt nach Europa ist der aggressivste bisher. Softbank hat bisher in über 300 Internet-Firmen auf der ganzen Welt investiert, ausserhalb Japans bisher jedoch zumeist in den USA.

ABBs E-Business-Finanzierungsfirma

Die schweizerisch-schwedische ABB und die schwedische Investor AB haben gemeinsam mit anderen schwedischen Partnern die «B-Business Partners» gegründet, die sich für neue E-Business-Firmen einsetzen soll. Das Grundkapital der neuen Gruppe mit Sitz in Amsterdam beträgt 972 Millionen Euro; ABB steuert 300 Millionen bei. Evaluiert werden derzeit rund 40 Kandidatenfirmen, darunter Start-ups und Management-Buyouts. B-Business Partners soll innerhalb dreier Jahre an die Börse.

Andersen: Investition = Mitarbeitermotivation

Andere Gründe für Investitionen in Millionenhöhe hat Andersen Consulting. Um ihre besten Mitarbeiter bei der Stange zu halten, investiert die Beraterfirma in E-Business-Start-ups und bietet den Mitarbeitern eine Option auf die Investments.

Hewlett-Packard: Bis zwei Millionen Dollar Vorschuss

HP bietet unter dem Programm «Garage» (in Anlehnung an die legendäre Garage, wo die Herren Bill Hewlett und Dave Packard 1938 die Firma gründeten) kleinen Firmen aus dem Telecom- und Service Provider-Umfeld (Internetdienstleistungen wie ASP, Back-up-Lösungen) Consulting, Dienstleistung und Hardware für maximal zwei Millionen Dollar an und vermittelt Venture-Capital. Die Firmen müssen aber schon VC haben, dies besonders für Vermarktung von Dienstleistungen und Produkten. Nach sechs Monaten soll die Geschäftsbeziehung mit den Jungfirmen dann in Standard-Leasingverträge mit HP weitergeführt werden oder HP übernimmt pro Transaktion eine Provision von ca. einem bis zwei Umsatzprozenten. Das Programm soll es unter anderem auch VARs ermöglichen, grössere Geschäfte ohne Delcredere-Risiko zu tätigen. Zuständig für «Garage» bei HP Schweiz ist Jean-Yves Ray.

IBM kooperiert mit Schweizer VC-Firma

Mit der Schweizer Venture-Capital-Firma EFT Group (Lugano) arbeitet IBM für den mit 500 Millionen Dollar dotierten Fonds zur Unterstützung von Start-ups zusammen. Der Clou der Vereinbarung: EFT Group wird IBM in Zukunft als bevorzugten Technologie- und Serviceanbieter für neue Internetfirmen einsetzen.
Schliesslich wird sich IBM an der EFT Group beteiligen, wie das Big Blue bereits an mehreren anderen Risikofonds im Internetbereich tut. Kerngescheft von EFT ist — wen wundert’s — E-Commerce mit Schwerpunkt Business-to-Business, einschliesslich Finanzdienstleistungen, neue Medien und — Logisitik, mit der E-Commerce bekanntlich steht und fällt. Die VC-Firmen sollen die Finanzierung von IBM-Hardware und -Software gewährleisten. In der Schweiz ist Martin Honegger für das «Net Generation»-Programm verantwortlich.

Oracle verhilft zu dot com

Oracle und weitere 24 Unternehmen wollen mit ihrer Initiative «2becom.com» europäischen Start-ups bei der Existenzgründung helfen. Die Website mit gleichem Namen (eigentlich müsste sie ja 2becom.com.com heissen) ist als Anlaufstelle für junge Firmen gedacht, die Rat, Finanzierung und technische Unterstützung brauchen. Innerhalb des Marktplatzes können die Jungunternehmen online Business- und Marketingpläne erstellen, erhalten Rechtsauskunft und Dienstleistungen für Buchhaltung, Personalbeschaffung und Marketing und Anträge für Venture Capital stellen und — last but not least —Beratung zu technologischer Ausstattung.
Zu den 25 Partnerfirmen zählen auch elf Venture-Capital-Firmen. Seit November sollen sich bereits 900 Start-ups angemeldet haben — potentielle Oracle-Kunden notabene.

Suns iForce Community

Sun Microsystems kündigte «iForce» an, eine Initative, die Firmen jeder Grösse den Sprunt ins Internet ermöglichen soll. iForce führt verschiedene Angebote der Dot-com-Initiative zusammen und vereinigt Sun-Partner, die neue Services und Produkte anbieten sollen. Für Elite-Start-ups gibt’s ein extra Programm, den Sun Startup Accelerator, mit Zugang zu professioneller Entwicklung und Testumgebungen mit vorkonfigurierter Hard- und Software von Sun, Oracle und iPlanet.

Altorfer setzt auf Breitband

Schliesslich sei noch der 30-jährige Martin Altorfer, Schweizer Internetpionier der ersten Stunde und Gründer von Activenet, erwähnt. Nachdem Altorfer letztes Jahr seine Activenet an Uunet verkauft hatte und damit zum GM Schweiz von Uunet wurde, hat er sich bereits wieder vom Mega-ISP verabschiedet.
Pioniere passen eben nicht ins Räderwerk solcher Riesenkonzerne. So will Altorfer mit dem Kapital, das ihm der Verkauf von Activenet einbrachte und in Zusammenarbeit mit Freunden eine Risikokapitalfirma namens Broadband Capital gründen. Auch keine schlechte Idee, jetzt in Breitband-Dienste zu investieren. (mh)




ABB, Investor: B-Business Partners
Umfang 972 Mio. Euro
www.b-businesspartners.com
Broadband Capital
Martin Altorfer
www.broadbandcapital.com
(under construction)
Hewlett-Packard: «Garage»
Maximal 2 Mio. Dollar pro Start-up
www.hppartners.com/garage/
Kontakt: Jean-Yves Ray
IBM: «Net Generation»
Umfang 500 MIo. Dollar
www.ibm.ch
Kontakt: Martin Honegger

Oracle und 24 andere: «2becom.com«
Online-Marktplatz
www.2becom.com


Softbank: «Europe Ventures»
Umfang 1 Mrd. Dollar
www.softbank.com


Sun: «iForce»
Umfang 300 Mio. Dollar
www.iforce.com


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