Studie zum Call-Center-Markt Schweiz: Vom Bestellbüro zum modernen Call Center

Trend zu Automatisierung, Interaktivität und mehr Outbound

Artikel erschienen in IT Reseller 1999/11

   

Eine IDC-Studie zum Thema Call-Center ergab, dass Anrufer nur fünfmal klingeln lassen und dann wieder aufhängen. Nur 50% der Anrufer werden freundlich begrüsst und 75% wissen selbst nicht, an wen sie sich wenden müssen. Ausserdem wird die Hälfte der Anrufenden bei Reklamationen einfach abgewiesen, wenn sie vielleicht vorher schon bis zu 18 mal weiter verbunden wurden oder, zeitlich ausgedrückt, bis zu sieben Minuten gewartet haben, bis der richtige Gesprächspartner gefunden war.
Der amerikanische Software-Hersteller und Spezialist für Call Center Cincom stellte nun an einem Kundenseminar seine Lösung Encompass vor, eine modulare Software-Lösung zur Integration in bestehende Teilnehmervermittlungsanlagen, die dem Call-Center-Agenten eine ganze Anzahl intelligenter Tools zur kommerziellen Anwendung sowohl in der In- als auch Outboundtätigkeit bietet.

CRM: Customer Relationship Management

Das Zauberwort ist wieder einmal, wen wundert’s, eine Abkürzung: CRM oder Customer Relationship Management mittels CTI (Computer Telephonie Integration). Im Klartext heisst das nichts anderes, als dass bei Call-Centern im Gegensatz zu früheren Lösungen eine Verknüpfung von Sprach- und Datenkommunikation angestrebt wird. Dies gelingt aber nur dann, wenn unternehmensweit eine horizontale Struktur der Applikationen, Integratoren und Plattformen angewendet wird. Ziel ist es, beispielsweise im Inbound-Geschäft den Anrufer automatisch zu identifizieren, über virtuelle Rufnummern zu klassifizieren und automatisch zu verteilen: Der Call-Center-Agent erhält bei Anruf also automatisch die Kundeninformation auf den Bildschirm, um dann mit den vorhandenen Tools die Abläufe (z.B. einer Bestellung oder Reklamation) möglichst intelligent einfädeln zu können. Kann ein Anrufer nicht via ISDN identifiziert werden, so wird er direkt auf «Interactive Voice Response» (IVR) umgeleitet, so dass er sich mittels Sprache selbst «durchrouten» kann und so, wir hoffen es für ihn, doch noch automatisch zum richtigen Agenten kommt, ohne sich zig-mal durchfragen und erklären zu müssen.
Vermehrt ist ein Trend hin zu Outbound-Tätigkeit festzustellen. Firmen nutzen das Personal bei ungenügender Auslastung häufiger zu Meinungsforschung, Direkt Marketing, Termingeschäfte, Mahnwesen und Telemarketing. Die verschiedenen Tools von Cincom Encompass sollen helfen, die Anrufe aus einer Call-Liste zu initiieren, eine Rückrufliste zu steuern, Anrufe automatisch zuzuteilen oder Verhaltensstatistiken über die Agenten zu erstellen.

Verkauf direkt und mit Partner Ascom

Laut Christian Bucheli, Marketingleiter von Cincom Schweiz, dauerte die Realisation von «Mobi24», dem Call-Center der Schweizerischen Mobiliar, vom ersten Kontakt bis zur Fertigstellung neun Monate. Verdient wird vor allem an Beratung und Support. Bucheli: «Wir arbeiten deshalb nicht mit Resellern zusammen, da die Implementierung in eine bestehende Telefonanlage der Zusammenarbeit mit dem Hersteller bedarf.» Ascom als strategischen Partner zu wählen, war sicher ein kluger Schritt, um an die begehrten Grosskunden heranzukommen, ist doch das Mobi24-Projekt das einzige Call-Center, das Cincom bislang in der Schweiz als Referenz angeben kann.

CH-Studie: Marktentwicklung und Kosten

Laut einer von Optim AS bei 230 Firmen mit Call Centern durchgeführten Studie findet sich erwartungsgemäss die höchste Konzentration (52%) im Grossraum Zürich. Optim AS geht davon aus, dass in der Schweiz im Jahre 1998 zwischen 250 und 300 Call Center betrieben wurden, was einer Steigerung gegenüber 1997 von 27.8% entspricht. 1993 existierten erst 28 Call Centers. Insgesamt kann man momentan von einer Gesamtzahl von 7000 bis 7500 Arbeitsplätzen ausgehen.
Im internationalen Vergleich spricht man von 10’000 bis 15’000 Dollar pro Arbeitsplatz. Da die Schweizer Call Center im Durchschnitt wesentlich kleiner sind, kommt man bei uns auf durchschnittlich 30’000 Franken, wobei die Spanne von Fr. 20’000 bis 100’000 reicht. Die jährlichen Betriebskosten belaufen sich auf rund 90’000 bis 120’000 Franken pro Arbeitsplatz, Lohnkosten mitgerechnet. Optim AS rechnet für 1998 mit einem Investitionsvolumen von 55 Mio. Franken.
Allgemein stellt man fest, dass eine Entwicklung vom einfachen Bestell-Büro hin zum modernen Call Center festzustellen ist. Sogar staatliche und halbstaatliche Unternehmen setzen sich infolge stärkerer Sensibilisierung in Richtung Customer Care mit dem Thema auseinander. Die verschärfte Konkurrenzsituation ist ein direktes Barometer für die Veränderung in den Kundenbeziehungen und oft mit der Einführung von Call Centern verbunden.

Call Centers auch in Kleinfirmen

Das Thema Call Center ist bei nahezu allen Unternehmensgrössen und –strukturen aktuell. Sogar Firmen mit 20 Mitarbeitern betreiben eigene Small-Call-Centers. Bei den Grossfirmen handelt es sich um Unternehmen mit einigen zehntausend Mitarbeitern, so etwa UBS, SBB, Swisscom oder die Credit Suisse, die mit der Einführung ihres ersten Call Centers «CS Firstphone» 1992 in der Schweiz Pionierarbeit leistete. Am meisten Call Centers findet man bei Unternehmen mit 50 bis 500 Mitarbeiter.
Die neuesten Zahlen zeigen, dass sich die neuen Call Centers bei einer Grösse von 20 bis 60 Arbeitsplätzen bewegen. Die durchschnittliche Arbeitsplatzzahl hat sich von 27 (1997) auf 30 im 1998 leicht erhöht. Im Vergleich dazu: ein durchschnittliches Call Center beschäftigt in Deutschland 91 Leute, also dreimal mehr als in der Schweiz. Die grössten bekannten Call Center verfügen über mehr als 1000 Plätze. In der Schweiz wurde keines mit mehr als 150 Arbeitsplätzen gefunden.

Automatischer und interaktiv

Heute sind alle Call Center mit einer digitalen Teilnehmer-Vermittlungsanlage ausgerüstet. Die stärksten Zuwachsraten sind bei der automatischen Anrufverteilung und dem Interactive Voice Response zu beobachten. Auch die Schweizer Konsumenten werden sich an die moderne Technik der Spracherkennung gewöhnen müssen und merken, dass dies für eine schnellere Weiterleitung sicher die bessere Alternative ist, als sein Problem einer Telefonistin des langen und breiten erklären zu müssen, um dann schliesslich doch beim falschen Berater zu landen.
Internet wird nur dahingehend miteinbezogen, dass die Telefonnummer auf der Homepage erscheint. Call-Me (E-Mail an Call Center für Rückruf) oder Call-Through-Services Kunde baut, während er mit Homepage verbunden ist, eine zweite Linie auf, um direkt mit dem Agenten verbunden zu werden) sind in der Schweiz noch kaum verbreitet. (mh)



Branchen-Verteilung Call Center in der Schweiz:

Services: 48.9%
Handel: 36.1%
Industrie: 9.1%
Medien: 5.5%
Institutionen: 0.5%
Quelle: OptimAS


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