Ein Drittel der Weltbevölkerung kommuniziert heute dank oder mit Lösungen von
Huawei, wie das 1987 gegründete chinesische Unternehmen stolz zu berichten weiss. Doch damit gibt sich der Netzwerkinfrastrukturriese mit seinen aktuell weltweit über 140'000 Mitarbeitern nicht zufrieden: Die Vision des Unternehmens sind End-to-End-Lösungen von der Mobilfunkantenne bis zum Smartphone.
Was das Unternehmen kann, vor hat und wie die Transformation vom reinen Netzwerk- zum umfassenden ICT-Hersteller funktionieren soll, erklärte Huawei Anfang Juni einer Gruppe Schweizer ICT-Fachjournalisten, die an den Hauptsitz in der chinesischen IT- und Wirtschaftsmetropole Shenzhen eingeladen waren.
«Wir wollen kosteneffizienter sein als unsere Konkurrenz.» David He, President of Marketing Enterprise Business Group, Huawei (Quelle: Huawei)
«Rund 150 bis 180 Mitarbeiter von Alcatel-Lucent werden zu uns stossen.» Felix Kamer, Sales Director, Huawei Switzerland (Quelle: Huawei Switzerland )
Hardware-Software-Bündel
Einer der beiden zentralen Bereiche, in denen es Huawei wissen und stark wachsen will, sind ICT-Lösungen für Unternehmen. Dafür hat man im Jahr 2010 extra eine Enterprise-Sparte gegründet, die aktuell zahlreiche Produkte aus den Gebieten Netzwerk, Unified Communications & Collaboration (UCC), Datacenter (Storage und Server) und Cloud Computing umfasst – alles Märkte also, in denen es bereits zahlreiche etablierte Hersteller gibt. Um als Newcomer hier Fuss zu fassen, braucht es etwas Neues, Einzigartiges. Das weiss auch Catherine Du, Direktorin des Branding-Departements für IT-Produkte bei
Huawei. Ihrer Meinung nach sind diese einzigartigen Lösungen integrierte Produkte für kleine bis grosse Unternehmen, bestehend aus Netzwerk-, Computing-, Storage- und Software-Lösungen. Vorstellen will der chinesische Hersteller diese All-in-One-Maschinen – unter anderem mit High-End-Storage und Virtual-Desktop-Infrastrukturen (VDI) – im September anlässlich einer Hauskonferenz in Shanghai.
15 Milliarden Dollar bis 2015
Um Fuss zu fassen, geht
Huawei neben den integrierten Lösungen auch über den Preis. Man wolle aber nicht günstiger, sondern kosteneffizienter sein als die Konkurrenz, so die genauen Worte von David He, Marketing-Chef der Enterprise Business Group. Eine zentrale Bedeutung nimmt laut He auch der Channel ein. Auf ihn wird im Enterprise-Bereich gegenwärtig der grösste Fokus gelegt. Heute verkauft das Unternehmen weltweit knapp zwei Drittel indirekt.
In Zahlen ausgedrückt strebt Huawei mit seinen Enterprise-Lösungen bis 2015 einen Umsatz (Contract Sales Value) von 15 Milliarden Dollar an. Zum Vergleich: Im Jahr 2011 waren es 3,8 Milliarden Dollar. Dieses Wachstum bewerkstelligen will Huawei mit der erwähnten Produkte- und Preisstrategie und vor allem organisch, dank der eigenen Forschungs- und Entwicklungsabteilung: Über 60'000 Mitarbeiter des Unternehmens arbeiten aktuell im Bereich R&D. He schliesst Übernahmen allerdings nicht a priori aus. Wenn es um technische Lösungen gehe, die das eigene Portfolio perfekt ergänzen würden, sei man offen.
Unter die Top-3 im Android-Markt
Neben dem Markt für Unternehmens-IT hat es Huawei weiter auch auf den Consumer-Markt abgesehen und will bis 2015 mit den eigenen Smartphones beispielsweise unter die Top-3 der Android-Hersteller vorstossen, wie Ada Xu, Kommunikationsverantwortliche der Device-Sparte von
Huawei, erklärte. In der Schweiz werden noch diesen Sommer neue Geräte mit Android 4.0 auf den Markt kommen. Der grosse Launch wird im Rahmen der IFA in Berlin erfolgen.
Interessant ist weiter, dass Huawei bezüglich Chipset für seine Smartphones auf eine Lösung aus dem eigenen Haus setzt. Man ist damit nicht auf externe Hersteller wie die bekannten Namen Qualcomm oder Intel angewiesen. Dadurch sei man schneller am Markt und könne die Geräte besser konfektionieren, so der chinesische Hersteller.
Etwas offener zeigt man sich derweil bezüglich der Wahl des Betriebssystems. Es sei durchaus denkbar, dass neben Android auf den Smartphones in Zukunft auch ein anderes OS laufen wird, beispielsweise Windows Phone, erklärte Xu.
Expansionspläne in der Schweiz
Kurz vor der Reise nach China lud
Huawei zudem sämtliche Schweizer Medien zu einem Roundtable nach Dübendorf ein, um sie dort speziell über die Geschäftsstrategie und die Pläne in der Schweiz zu informieren.
Der Ort Dübendorf war nicht zufällig gewählt. Hier entsteht neben dem Hauptsitz in Köniz bei Bern derzeit nämlich eine neue Niederlassung von Huawei in der Schweiz. Wie Sales Director Felix Kamer erklärte, will man das Büro noch diesen Sommer eröffnen. Bis Ende des Jahres, spätestens Anfang 2013, soll dann noch ein weiterer neuer Standort in der Westschweiz, vermutlich in Lausanne, dazu kommen.
Der Grund für die räumliche und örtliche Expansion liegt auf der Hand: Sunrise wird seine Netzinfrastruktur künftig bekanntlich mit Hilfe von Huawei ausbauen, betreiben und unterhalten. In diesem Zusammenhang werden einige Mitarbeiter zwischen den Unternehmen ausgetauscht. Zudem werden laut Kamer rund 150 bis 180 Mitarbeiter von Alcatel-Lucent, das sich bisher um das Sunrise-Netz kümmerte, zu Huawei stossen. Insgesamt wird das Team in der Schweiz damit bis Ende Jahr von aktuell etwas über 100 auf mehr als 400 Personen wachsen.
Wechselt auch Orange?
Apropos Alcatel-Lucent: Der Netzwerkausrüster könnte mit Orange vielleicht schon bald seinen nächsten grossen Schweizer Kunden verlieren. Wie im Rahmen des Medien-Roundtables zu erfahren war, steckt
Huawei derzeit nämlich auch mit Orange in Verhandlungen über eine Zusammenarbeit im Bereich Infrastruktur und will «bald» einen «Durchbruch» verkünden. Wie Kamer erklärte, wäre es natürlich spannend, zwei Managed-Service-Kunden zu haben, ansonsten schwieg er sich aus. Dafür verriet er den nächsten Carrier auf seiner To-Do-Liste: UPC Cablecom.
News gab es auch aus dem Schweizer Enterprise-Geschäft. Mit Infoniqa SQL und Broadband Networks konnte das Unternehmen seine ersten beiden Value-Added-Partner gewinnen. Ausserdem gab Huawei bekannt, dass man bereits erste Kunden via Partner gewinnen konnte. Noch seien es nicht sehr viele, aber die Pipe fülle sich langsam, erklärte Channel Director Urs Wuersch.
(mv)