Was lässt sich von Porno-Sites lernen?


Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 1999/06

     

Neue amerikanische Studien belegen, dass im letzten Jahr mit «Erwachsenen-E-Business» – manche sagen auch schlicht «Internet-Porno» – eine Milliarde Dollar umgesetzt wurde. Porno scheint eine der wenigen Online-Geschäftsfelder zu sein scheint, die wirklich rentieren. Unbestritten haben die Anbieter schon früh mit fortschrittlichen Technologien gearbeitet und gewusst, wie sie ihre Kunden an sich binden können. Die Meinung ist jedoch weit verbreitet, dass hier alle Vergleiche hinken, Besucher von «Adult-Sites» verhielten sich grundsätzlich anders als andere Konsumenten, weshalb die Erfahrungen dieser Sites sich nicht übertragen liesen.
Dem widerspricht Mark Hardie von Forrester Research ganz entschieden. Er ist einer der wenigen, die sich ernsthaft (und geschäftlich) mit diesem Thema befassen und die Technologien und Geschäftspraktiken der Erwachsenen-Anbieter vorurteilsfrei untersuchen. Die Ergebnisse seiner Studie bietet er mittlerweile Unternehmen wie Disney und Warner Brothers an. Dabei insistiert er, dass sie ein Auge auf den Erwachsenen-E-Markt werfen. Hardie meint, dass seine Kunden seine Ratschläge durchaus befolgen, auch wenn er sich weigert, Details preiszugeben.
Für seinen Report befragte er Betreiber von Erwachsenen-Sites, Verkäufer von Bannerwerbung, Kreditkarten-Unternehmen und Firmen, die den Internetverkehr messen. Die Analyse liess auf einen Umsatz von 750 Mio. bis zu einer Mia. Dollar schliessen. «Vor unserer Studie schätzten wir die Umsätze sehr viel tiefer, aber heute bin ich überzeugt, dass sie in Wirklichkeit eher bei einer Milliarde liegen, vielleicht sogar darüber.»

Ausgepräge Zusammenarbeit

«Wenn ich einmal vom Inhalt absehe», meint Hardie euphorisch, «so sehe ich das Musterbeispiel einer Branche, die sich zusammen schliesst, um das gemeinsame Geschäft zu fördern, sich gegenseitig zu Gewinnen zu verhelfen und neue Techniken zu involvieren.» Laut Hardie kann die übrige Wirtschaft vier Dinge von dieser Branche lernen: Informelle und formelle Partnerschaften unter den Anbietern, ein ausgesprochenes Verständnis für den Markt, Outsorcing und Kundenbindung.
Diesen Eindruck bestätigen selbst Leute, die im Gegensatz zu Hardie in diesem Markt wenig sehen, das sich anderswo nutzen liesse. Barry Parr, Direktor Internet- und E-Business-Strategie bei IDC: «Da gibt es Top-Site-Listen, Web-Links, Banner-Austauschprogramme und AVS (Adult Verification Systems), gemeinsame Verkaufsorganisationen und alle Arten der Zusammenarbeit.» Mark Tiarra, Präsident von United Adult Sites, bestätigt: «Es ist tatsächlich ein sehr kooperativer Markt. Wer ein wenig Einblick hat, sieht schnell, dass vor allem diejenigen Geld machen, die zusammenarbeiten.»
Aus diesen Erkenntnissen heraus rät Hardie seinen Unternehmenskunden, ihre Sites doch nach dem Vorbild der Erwachsenen-Anbieter zu vernetzen und die Besucher so von einer Site zur anderen zu führen.
Ein nicht weniger interessantes Thema bilden die Identifikationsprogramme. Parr von IDC: «AVS bietet eine faszinierende Möglichkeit für Partnermodelle. Die Leute bezahlen eine Mitgliedschaft und haben damit Zutritt zu anderen, verwandten Sites. Sie subskribieren beispielsweise für die Financial Times und bekommen gleichzeitig die Mercury News und andere Top-Publikationen. Ich denke, das ist weit sinnvoller als das ganze Micropayment-Geschwätz.» (fis)


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