Im Channel ist man daran gewöhnt, sich in Abständen neu zu erfinden. Die Dynamik in den Märkten ist hier genauso spürbar wie bei den Kunden. Diese Dynamik führt zu Nervosität. In erster Linie bei den Hardwareherstellern, deren Geschäftsmodell «Hardware herstellen und verkaufen» immer schlechter funktioniert. Als Folge davon bieten manche Unternehmen bei Ausschreibungen mit, die sie bis dahin ihren Channel-Partnern überlassen hatten. Konsequenz: Auch im Channel steigt die Nervosität.
Die Aussage «Hardware wird immer gebraucht» stimmt zwar grundsätzlich noch, aber nicht mehr in dieser Absolutheit. Kleine und kleinste Kunden müssen immer noch mit Hardware versorgt werden. Sie sind in der Regel treue Kunden und wünschen die regionale Nähe – ein Trumpf des Channels. Aber insgesamt sind die Stückzahlen zurückgegangen, auch als Folge der Virtualisierung. Dieser Sinkflug wird sicher enden. Die Frage ist nur: Crash oder touch-and-go?
Letzteres bedingt alternative Geschäftsmodelle. Wenn das Infrastrukturgeschäft schlecht gelaufen ist, dann kann man versuchen, in den Unternehmen die Fachabteilungen zu erreichen. Auch sie haben ein Budget für Büro-Infrastruktur – und das ist ein weiter Begriff. Allerdings reicht reines Fachwissen hier nicht aus. Kenntnisse über das Geschäft des Kunden sind notwendig. Und weil die IT-Abteilungen als die klassischen Channel-Kunden diese Kontakte mit Argwohn registrieren, sind zudem Diplomatie, Transparenz und gute Argumente gefragt.
Trends aufmerksam verfolgen
Veränderungen im Channel-Geschäft sind normal: Heute wird ein Teil des Umsatzes mit Produkten und Dienstleistungen erzielt, die es vor fünf oder zehn Jahren noch gar nicht gab. Und in fünf Jahren wird ein grosser Teil des Umsatzes mit Produkten gemacht, die es heute noch nicht gibt. Neben dem Tagesgeschäft müssen also aufmerksam Trends verfolgt und neue Chancen rechtzeitig erkannt werden. Dabei helfen auch Datenanalysen – Was kaufen welche Kunden? –, mindestens aber das persönliche Gespür für die Herausforderungen, denen sich die Kundschaft gegenübersieht.
Cloud ist eine solche Herausforderung. Bis vor zwei Jahren noch kein Topthema bei den Kunden, sind sie jetzt offen für dieses Konzept. Nicht zuletzt aus Preis- und Flexibilitätsgründen. Im Channel erfordert dies ein Umdenken, eine Abkehr von lieb gewordenen Gewohnheiten. Cloud bringt keine Verkaufsumsätze mehr, sondern generiert regelmässige, verbrauchsabhängige Einnahmen. Das klingt simpel, erfordert aber eine Änderung der Geschäftsprozesse im Channel. Zudem sehen sich die Reseller mit erhöhter Verantwortung in Sicherheitsfragen und der schwierigen Evaluierungssituation bei Rechenzentrums-Partnern konfrontiert.
Es sind weitreichende Entscheidungen zu fällen, um im Cloud-Business Fuss zu fassen: Soll man in Kooperation mit grossen Anbietern als Wiederverkäufer auftreten? Welchen Service bietet man dann zusätzlich, damit der Kunde das Geschäft nicht direkt macht? Soll man eine eigene Cloud oder eine Cloud beim Kunden aufbauen? Oder ist ein Mix aus allen Möglichkeiten am besten? Man ahnt es schon: Die Chance, sich zu verzetteln, ist gross. Trotzdem gilt es, nicht zu schnell die Strategien zu ändern, sonst torpediert man sein bisheriges Geschäftsmodell.
Tatsache ist: Die neue User-Generation bereitet den Boden für Cloud Computing. Sie will auch im Job so arbeiten, wie sie es aus dem Privatleben längst gewöhnt ist. Ob Unternehmen das gefällt oder nicht, spielt keine grosse Rolle. Als attraktiver Arbeitgeber gilt künftig nur, wer diese Anforderungen erfüllt.
An Big Data hängt vieles
So wird auch Bring your own Device (BYOD) zum Channel-Thema. Denn das im Media Markt oder im Apple Store gekaufte Stück muss in das Unternehmensnetz eingebunden werden. Eine Chance für innovative und kenntnisreiche Channel-Partner, ihre Kunden bei diesem ungeliebten Job zu unterstützen. Denn die eigenen Geräte der Mitarbeiter für die Arbeit müssen betreut werden. Man wird sie ersetzen müssen, wenn sie kaputt gehen oder bestimmte Geschäftsapplikationen darauf installieren. Das Firmennetzwerk wird ganz anders sein als heute. Und es stellen sich dann natürlich ganz andere Sicherheitsfragen. Für den Channel ist es eine grosse Chance, diese Fragen zu beantworten und Lösungen zu bieten
Eine andere Chance verbirgt sich hinter dem Begriff Big Data. Dass der Channel zögerlich an dieses Thema herangeht, hat einen guten Grund. Im Big-Data-Markt tummeln sich viele Anbieter, die ihre vermeintlich brillanten Lösungen verkaufen möchten. Es ist für die Channel-Partner sehr schwierig, aus den vielen Versatzstücken ein brauchbares Paket für die Kunden zu schnüren. Und doch ist es wichtig für den Channel: An Big Data hängen Hardware (Speicher), Netze, Software, BI Tools und Professional Services. Big Data mag für den Channel noch nicht die nötige Reife haben, wie es einst mit Cloud Computing auch war. Aber wir stehen mit dieser Entwicklung immerhin schon am Anfang. Mein Tipp: Dranbleiben!
Daniel Bachofner kam von Netapp zu Swisscom IT Services. Er verantwortete dort als Country Manager Switzerland das lokale Speichergeschäft. Sein beruflicher Werdegang führte ihn über Compaq, Alcatel und Netapp zu Swisscom IT Services, wo er seither als Head of Partner Management tätig ist.