Unser Kopf ist ja bekanntlich rund, damit wir stets die Richtung des Denkens verändern können. Schauen wir auf die Prognosen der Achtziger des letzten Jahrhunderts, so ist einiges, aber nicht alles eingetroffen. Die «Handelsauguren» um Tietz, Zentes und andere haben viele Dinge korrekt prognostiziert, aber die Besonderheiten des Onlinegeschäftes und die Veränderungen des Versandhandels waren Element des Unvorhersehbaren.
Die Veränderung des Versandhandels vom Grossversender zum Spezialisten haben einige Versandunternehmen nicht richtig eingeschätzt oder aber die Versuche der Gegensteuerung haben nicht mehr gefruchtet. Die «Quelle und Neckermänner» verschwanden mit dem erstarken der Onlinehändler oder der Versandhäuser, die Kombinationen mit Ladengeschäften, Onlinehandel und diversifiziertem Kataloggeschäft gemacht haben.
Mein klassisches Beispiel ist hier Pearl. Nicht nur, dass das Unternehmen nach Österreich und in die Schweiz expandierte, vielmehr hat es auch in den Nischen sehr viel voran gebracht, bevor andere dort agierten – so etwa die ersten erschwinglichen Navis und Dual-Sim-Smartphones aus China. Dass Amazon wahrscheinlich nie grosse Gewinne erwirtschaften wird und Google nicht nur Suchmaschinist bleibt, ist mittlerweile fast jedem klar. Doch was bedeutet das für die Zielgruppen?
Veränderte Konsumentenstrukturen
Veränderungen der Konsumentenstrukturen stehen vor der Türe. Neue Käufergruppen, oder besser Kaufkraftverschiebungen, erfordern ein Umdenken im Handel. Hat es mich auf meinen USA-Reisen und in Skandinavien stets verwundert, dass dort auch reifes Beratungspersonal agierte, muss ich heute darüber lächeln. Dort hatte man mal wieder früher Entwicklungen antizipiert und entsprechend gehandelt. Eine siebzigjährige vermögende Pensionärin will nicht von ihrer Enkelin beraten werden oder gar belächelt und ihrer Unwissenheit gestraft werden. Auch möchte der distinguierte Herr beim Anzugkauf geschmeichelt und umworben werden. Hier kann eine attraktive Verkäuferin mit 20 Jahren Altersunterschied sicher etliches an den Mann bringen. Es gilt Beratungskompetenz und passendes Personal für die neuen Kerngruppen an Bord zu haben. Beratung auf Augenhöhe und mit Respekt heisst hier die Devise.
Generation Smartphone vs. Generation Silberlocke
Zwei spannende Gruppen mit unterschiedlichen Kaufmustern haben sich entwickelt: die Käufergeneration Smartphone und die Käufergeneration Silberlocke. Die Smartphone-Generation ist bestens informiert, brilliert mit Insider News und Fachwissen, so dass der Verkäufer, der nur die Verkaufsverpackung liest schon «tot» ist, bevor der Kaufwillige bis drei zählt. Hier braucht es mehr Nerds, die mit der richtigen Sprache, dem Feeling und guten Ideen überzeugen. Dann werden auch Amazon und Co. verschmäht und das Geschäft bleibt beim Händler vor Ort.
Bei den Silberlocken haben wir die Fokussierung auf die Beratung. Dort ist Komfort-Kauf gewünscht. Männer, die genervt nach 45 Minuten im Laden nur noch nach draussen flüchten oder gar gequält ihre jeweiligen Lebenspartner begleiten, wollen kurz, knapp und effektiv beraten werden. Das ist dann noch mit Sachkompetenz gerne mal 20 Prozent Mehrkosten wert. Es geht flott, passt und das Wohlbefinden ist da.
Beiden gemeinsam ist das Bedürfnis nach positiver Emotion – gut muss man sich fühlen, den Kauf dort gemacht zu haben, und es darf sich keine Nachkaufreue einstellen.
Erwartungen an und Chancen für den IT-Händler
Der Hauptspeicher ist gross, der Platz in der Geldbörse gering – daher müssen die Systeme anders wirken. Konzepte, die den gleichen Preis bieten wie der stationäre Wettbewerb, sind fair, die Einbindung der Onliner unpraktikabel und zu kostenintensiv. Beratung und Mehrwertverkauf sind die Ansatzpunkte, die meiner Erfahrung nach erfolgreich sind. Die Händler vor Ort blockieren bei mir nicht den Preisvergleich – sie weisen aber freundlich darauf hin, dass man mit den Internetangeboten nicht in den Preisvergleich einsteigt. Die Waschmaschine würde man aber auch nach Hause liefern, aufbauen und das Altgerät kostenfrei entsorgen. Probehören der neuen Surround-Anlage in den eigenen vier Wänden – das kriege ich nicht aus dem Netz. Ein nach Sonderwünschen konfiguriertes System mit Datenübernahme kann man vielleicht im Ausnahmefall ergattern, aber wohl wäre mir dabei nicht. Wenn der Service gut ankommt und die Verkäufer qualifiziert beraten, geht's auch anders – da würde nicht ein Laptop gekauft, sondern gleich zwei. Beratungskompetenz, Serviceverhalten, rasche Interaktion und faire Preisflexibilität sind die Chancentreiber.
Vor-Ort-Verkauf und Handel behalten ihre Chance, indem sie sich im Beratungskonzept wandeln. Der Laden vor Ort bleibt wichtig, gerade für spontane Shopping-Erlebnisse. Eine Überlebenschance bieten zudem durchdachte Multi-Channel-Konzepte, die beide Kanäle sinnvoll miteinander verknüpfen. On- und Offline in der Kombination: Abholung im Laden vor Ort nach Kauf via Webshop vermittelt ein gutes Gefühl und Sicherheit im Reklamationsfall. Der Handel wird sich, wie bereits so oft, neu erfinden und eine Showrolle einnehmen, um sich qualifiziert zu differenzieren. Gehen Sie voran, packen Sie es an. Ihre Chancen stehen gut.
Auf ein nächstes Mal.