Suns Strategie für die mageren Jahre

Auch Sun, deren Aktienkurs seit letzten Herbst um mehr als 75% absackte, wurde vom Dot-Com-Crash stark mitgenommen. Wie sind die Aussichten? IT Reseller hat die Firma im Silicon Valley besucht.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2001/12

     

Sun musste Ende Mai für das laufende vierte Quartal eine Gewinn- und Umsatzwarnung herausgeben, doch die Firma steht nach wie vor finanziell auf soliden Beinen. Wie kommt es, dass Sun dermassen die Gunst der Wallstreet verloren hat? «Das kommt vor allem daher, dass Sun sehr starkes Dot-Com-Marketing betrieben hat, obwohl nur ein kleiner Teil des Umsatzes tatsächlich aus der New-Economy kam», sagt Bret Schaefer, Controller Global Sales Operations, «das hat der Öffentlichkeit ein falsches Bild der Firma vermittelt.
Tatsächlich redet heute niemand mehr bei Sun vom Slogan «We are the Dot in .com». «The Net Effect» heisst es nun, und man besinnt sich wieder auf «The Network is the Computer» zurück.
Schaefer gibt sich alle Mühe, die Auswirkungen der Konjunkturflaute herunterzuspielen, doch die Anzeichen dafür, dass Sun sich auf magere Jahre einstellt, sind nicht zu übersehen. Fast alle 38’000 US-Angestellten wurden gebeten, in der ersten Juli-Woche zuhause zu bleiben, und der weitere Ausbau des neuen Firmengeländes im nordkalifornischen Santa Clara wurde bis auf weiteres gestoppt.
Eine Entlassungswelle soll es jedoch laut COO und Präsident Ed Zander vorerst nicht geben, entsprechende Gerüchte seien unbegründet.

Drei strategische Pfeiler

Sun bemüht sich dieser Tage sehr, eine Strategie für die nächsten Jahre zu kommunizieren. 1995 hat Sun drei strategische Pfeiler für die zukünftige Entwicklung der Firma vorgestellt (Suns «Three Big Bets»): Internet, Bandbreite und Netzwerkdienste. Die Vision ist heute weitgehend zur Realität geworden, deshalb hat Sun drei neue Pfeiler definiert, welche die Stossrichtung für die nächsten Jahre bestimmen sollen: Massive Scale, Continuous Real-Time Computing und The Integrated Stack.
Mit Massive Scale strebt Sun eine praktisch unbegrenzte Skalierbarkeit an, die notwenig werden wird, um mit dem Wachstum des Internets standhalten zu können.
Continuous Real-Time Computing steht für die Herausforderung, komplett unterbruchsfreie Systeme zu bauen.
Mit The Integrated Stack will Sun die Integration der Backend-Systeme, also die Zusammenarbeit von Prozessoren, Speichersystemen, Betriebssystem und Middleware, maximieren.
Ziel ist es, in Zukunft eine Infrastruktur für Webdienste anbieten zu können, die so nahtlos integriert ist wie eine Telefonzentrale heute. Soll das Internet jederzeit, von überall und mit jedem Gerät erreichbar sein, wie es Suns CEO Scott McNealy in seiner Vision sieht, müsse dass System die Verlässlichkeit des Telefon- oder Stromnetzes erreichen.
«Das Internet hat den Durchbruch erst dann geschafft, wenn es im Hintergrund verschwindet und nicht mehr wahrnehmbar ist», sagt Ed Zander.

Vorteil der Marktflaute

R&D hatten bei Sun schon immer einen hohen Stellenwert, traditionell fliessen über 10% des Umsatzes in Forschung und Entwicklung. Doch auch bei der Lizenzierung von Technologien oder der Übernahme von vielversprechenden Unternehmen hat Sun in der Vergangenheit wenig Scheu gezeigt. Ein vor 18 Monaten gegründeter Venture-Fund, der Minderheitsbeteiligungen an jungen Unternehmen mit interessanter Technologie zum Ziel hat, liess bereits 400 Mio. Dollar in Silicon-Valley-Firmen fliessen.
Jonathan Schwartz, Vice President Corporate Strategy, scheint der einzige bei Sun zu sein, für den die Marktflaute Vorteile hat. «Wir können heute in wesentlich mehr Firmen bei viel geringerem Kapitalaufwand investieren», freut er sich. Und dabei steigt auch die Qualität der Beweber, sagt Schwartz, «wer zur Zeit noch eine Firma gründet, muss schon eine sehr gute Idee haben.»
Cuno Schneeberger, Palo Alto


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