Der Press Release war dünn: VR-Präsident Thomas Varga geht. Ein einziger Satz des neuen CEO Jürg Brönnimann machte stutzig, in dem von einem Konfliktpotential die Rede war, weil er und Varga «in unseren Führungsstilen unterschiedliche Auffassungen» hätten. Varga sei eben ein Visionär, den es immer voran zöge.
In der Tat bleibt ein Mann wie Varga nicht lange untätig. Bereits hat er neue Pläne, über die er viel lieber sprechen würde als über seinen Abgang von Asetra.
Wir können es ihm trotzdem nicht ersparen. Schliesslich war er es, der die Firma vor sechs Jahren aus der Taufe gehoben und vom kleinen Reseller zum bekannten IT-Dienstleistungsunternehmen gemacht hat. Tritt der Gründervater plötzlich von der Bühne ab, und folgt, kaum ist dies bekannt, auch noch ein Management Buyout der Storage-Abteilung (vergleiche IT Reseller vom 11. Juni 2001), so muss es Gründe dafür geben.
Thomas Varga: Stopp! Von einem plötzlichen Abgang zu sprechen, ist etwas übertrieben. Der Ablösungsprozess dauerte für mich beinahe ein Jahr. Ich war immer darauf bedacht, dass die Asetra nicht allein von meiner Person abhängt. Aus diesem Grund war ich auch nur gerade sechs Monate lang im Besitz sämtlicher Aktien, bevor ich sie dann systematisch an die verantwortlichen Mitarbeiter abgab. Ich bin überzeugt, dass Brönnimann in der Lage ist, die Asetra zu leiten.
ITR: Hat sich Thomas Varga etwa selber entmachtet, als er sich auf den Posten des VR-Präsidenten zurückzog und das Tagesgeschäft Jürg Brönnimann überlies?
TV: Die Umstrukturierung in Business Units entsprach noch gemeinsamen Ideen. Aber ich gehe gern unkonventionelle Wege. Um gute Arbeit zu leisten, muss ich zufrieden sein. Anders geht das nicht. Auf einen Kuoni-Knatsch kann ich verzichten. Da sag ich lieber: ‘Jungs, macht weiter, wie ihr es für richtig haltet, ich wünsche Euch einen schönen Tag.’ So hat der Gründer eben abgedankt.
ITR: Spielte das Geschäftsjahr 2000 eine Rolle?
TV: Natürlich lief es im Jahr 2000 nicht so gut und wir haben unser Ziele nicht erreicht. Immerhin gab es keine Entlassungen, wenn wir einmal vom MBO der Storage-Leute absehen. Aber es war nicht mehr wie früher. Die minimale Fluktuationsrate beim Personal, auf die wir so stolz waren, passte sich auf Ende 2000 dem Durchschnitt der Branche an.
Als ich noch VR-Präsident und CEO in einer Person war, blieben die divergierenden Kräfte in der Gruppe unter dem Deckel. Als ich das Tagesgeschäft abgegeben hatte, wurde es schwieriger. Mein neuer Partner Stephan Peyer nennt es «das Tito-Syndrom». Den Effekt sehen Sie bei der Storage-Abteilung, wo es ziemlich genau so ablief, wie es im ITR geschildert wurde. Die Leute waren weitgehend wegen mir und meinen Ideen zu Asetra gekommen – bei Brönnimann sahen sie sich offenbar nicht mehr richtig aufgehoben.
ITR: Waren diese Divergenzen nicht vorauszusehen?
TV: Es gab immer wieder Spannungen wegen der verschiedenen Auffassungen. Jürg Brönnimann ist Consulter und Projektleiter, ich verstehe mich als Verkäufer und auch als Visionär. Das sind verschiedene Philosophien. Zu denken gegeben hat mir zudem der Tod von Kollege Clark Sachs während dem IPO von Allcom. Da dachte ich für mich: ‘Ist es das was ich will – Leute führen und dabei meinen Seelenfrieden verlieren?’ In dieser Situation war es für mich der einfachste und beste Weg, etwas Neues anzufangen – keine Flucht, ein kontrollierter Abgang.
ITR: Und worin besteht das «Neue»?
TV: Wir haben in diesen Tagen zu dritt die Firma VendBridge gegründet. Mein einer Partner ist Stephan Peyer, vormals u.a. Channel Director bei Compaq und nach einem längeren Aufenthalt in den USA für ein Internet Start-Up zuletzt CIO bei Qualiclick. Wie es sich für Basler geziemt, trafen wir uns an der Fasnacht. Wir haben über neue Geschäftsmöglichkeiten gesprochen und waren uns schnell einig. Der dritte Beteiligte kommt aus dem Engineering-Bereich. Weitere Angaben möchte ich im Augenblick nicht machen, da er beruflich noch gebunden ist.»
ITR: VendBrige - was soll der Name bedeuten?
TV: Vend steht für Verkauf und Bridge für den Kontakt zum Kunden.
ITR: ?????
TV: Kurz gesagt: In einer ersten Phase organisieren wir den Verkauf und das Marketing für IT-Unternehmen. Plant etwa ein Hersteller einen Marktauftritt, so finden wir für ihn Distis, Reseller und Kunden. Oder wir erarbeiten eine Vertriebsstrategie für Firmen, die ihre Marktstellung verbessern oder ihre Ausrichtung verändern möchten. Mit anderen Worten: Unsere Kunden sollen sich auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren können, während wir die unseren einbringen: Unsere Marktkenntnisse und unser Beziehungsnetz. Wichtig ist, dass wir nicht nur bereit sind, das Risiko mitzutragen indem wir erfolgsorientiert abrechnen, sondern auch operativ tätig werden.
ITR: Welche Kunden wollen Sie ansprechen?
TV: Im Moment sind wir da noch für die gesamte IT-Branche offen: Hardware und Software-Hersteller, Service-Anbieter und Engineering-Unternehmen. Später können sich möglicherweise Spezialisierungen ergeben.
Unsere Leistungen umfassen Verkauf, Marketing und Engineering. Später sollen auch Human Resources, Rechtsberatung und Finanzen dazu kommen.
ITR: Und das alles wollen Sie zu dritt leisten?
TV: Die zuletzt genannten Gebiete möchten wir über Joint Ventures abdecken. Wir möchten ein Netzwerk von selbständigen Partnern aus den angesprochenen Bereichen aufbauen.
ITR: Weshalb soll denn etwa ein erfahrener Verkäufer eine feste, gut bezahlte Anstellung aufgeben?
TV: Unser Modell funktioniert in Bezug auf den Verkauf bereits in einer Firma in Deutschland. Die Leute arbeiten dort als Freie neun Monate im Jahr und verdienen gleich viel wie zuvor. Das dürfte schon eine Verlockung sein. Zudem nehmen wir den Partnern mit unseren Backoffice-Diensten all das ab, was ein Verkäufer normalerweise nicht gern macht, etwa abends noch Rapporte schreiben oder Spesen abrechnen. Guten Verkäufern sind wir beim Weg in eine selbständige Tätigkeit behilflich. Wer sich dafür interessiert, sollte sich mit uns in Verbindung setzen.
ITR: Gibt es für solche Dienste überhaupt einen genügend grossen Markt?
TV: Das Institut für Outsourcing wie auch die Marktforscher von Dun und Bradstreet sehen Verkauf und Marketing als die drittstärksten Auslagerungsbereiche nach Finanzen und IT. Die Studien besagen, dass Outsourcing im Bereich «Field Sales» in den nächsten zwei Jahren, um das Fünffache zunehmen wird. Dass dies auch hierzulande gilt, wird durch die Tatsache belegt, dass wir noch vor der Gründung der Firma einen festen Auftrag und mehrere Offerten in Bearbeitung hatten.
ITR: Ist das für Thomas Varga ein Weg zurück zu seinen Wurzeln als IT-Reseller?
TV: In einem gewissen Sinne ja. Ich habe mich immer als Verkäufer verstanden. Man muss dazu stehen, Verkäufer zu sein. Vielleicht bin ich etwas altmodisch, aber für mich ist der Kunde König - Punkt. Vielen sind heute Titel und ”ab-cashen” wichtiger als der Kunde. Uns geht es mit VendBridge auch um Nachhaltigkeit. Wir wollen nicht primär über Geld nachdenken, sondern über unsere Tätigkeit – dann kommt das Geld ganz von allein. Davon bin ich überzeugt. (Interview: fis)