Jacques Boschung auf Software-Pfaden

Überraschend gab im März Jacques Boschung seinen Job als Leiter von IBM PSG auf. Nun ist er wieder da – als Chef des Software-Start-ups Brightrivers.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2001/12

     

«Eigentlich ist Brightrivers kein Start-up, denn wir haben eine funktionierende Software und eine respektable Kundenliste», so Jacques Boschungs fast entschuldigende Einleitung. Schliesslich sind die Zeiten vorbei, als es zum guten Ton gehörte, Start-ups mit ebenso hohen Zielen wie Verlusten zu leiten. Tatsächlich ist Brightrivers nicht wirklich «neu». Die welsche Firma entstand aus der kleinen Consulting-Firma Propsys, die seit Jahren ein Produkt der US-Software-Company Synqwest vertrieb. Zur Propsys-Kundenliste zählen illustre Namen wie Roche, Novartis und Dupont.
Eine Familiengeschichte
Propsys, die kleine Firma des französischen Consulters Jean Gayral, kam in Kalamitäten, als Synqwest beschloss, Vertrieb und Weiterentwicklung der besagten Software einzustellen. Gayral fragte seinen Schwiegersohn – eben Jacques Boschung – um Rat.
In der Folge änderte sich einiges bei Propsys, Synqwest und auch IBM PSG Schweiz: Boschung ging auf die Suche nach Risikokapital und kaufte die Rechte an der Synqwest-Technologie kurzerhand auf. Brightrivers wurde in Lausanne gegründet, um Software und Consulting auf breiterer Basis zu vermarkten. CEO: Jacques Boschung. Unterdessen beschäftigt die Firma sieben Personen in Lausanne, acht im französischen Chambery ennet dem See und deren sechs in St. Petersburg.
Potential und Risiken
Boschung hat den Job als Country Manager bei IBM PSG gegen die risikoreiche Leitung eines Start-ups ausgetauscht. Bis Dezember muss er «frisches Geld» gefunden haben, denn die zweite Finanzierungsrunde steht an. Wie er mit dem Druck, um jeden Preis einen VC überzeugen zu müssen, umgehe, wollten wir vom smarten Romand wissen. Boschung: «Der Druck bei IBM war bestimmt kleiner, nicht so brutal. Dafür gab es den permanenten Stress der wöchentlichen Absatzzahlen. Sicher, die VC-Frage setzt mich unter sehr grossen Druck, denn wenn wir keine neuen Investoren überzeugen können, sind wir im Dezember am Ende.»
Ausserdem lockt neben dem Risiko eben auch das gewaltige Potential. Die Globalisierung hat die Konkurrenz in der chemischen Industrie massiv verschärft. Weltweit sind die etwa 13’000 chemischen Fabriken, vor allem die europäischen, deshalb gezwungen ihre Prozesse schnell zu optimieren. Ein grosser und sehr rentabler Markt.
Horizont 2003
Bis 2003 will Boschung die Firma in die schwarzen Zahlen führen. In einem ersten Schritt wird die übernommene Software mit einem neuen GUI (Graphical User Interface) versehen. Nächstes Jahr sollen neue Algorithmen den Anwendungsbereich erweitern und das Kernprodukt soll ASP-fähig gemacht werden. Parallel dazu wird der Verkauf in der Schweiz aufgebaut. (hc)
Einzigartiger Lösungsansatz
Es ist nicht ganz einfach, das Angebot von Brightrivers zu verstehen. Im wesentlichen handelt es sich um ein Consulting-Konzept sowie unterstützende Software für die Prozessindustrie (Chemie, Pharma, Nahrungsmittel). Die Software kann Produktionsprozesse dynamisch simulieren und optimieren. Einzigartig ist, so Boschung, dass die Software mit mehreren Parametern und mehreren Zielwerten gleichzeitig umgehen kann.
Brightrivers will also Kunden helfen, komplexe Fragen der Produktionssteuerung zu beantworten, die ein einzelner Mensch, zum Beispiel ein Werkleiter gar nicht beantworten kann.


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