Der Schweizer E-Commerce im Jahr 2017
Quelle: Datatrans

Der Schweizer E-Commerce im Jahr 2017

Laut dem E-Commerce Report Schweiz 2017 hat der Onlinehandel in der Schweiz letztes Jahr um 8 Prozent zugelegt. Profitiert von diesem Wachstum haben aber vor allem die ausländischen Anbieter.
14. Juni 2017

     

Gemäss dem neuesten E-Commerce Report Schweiz 2017 hat der Onlinehandel hierzulande im letzten Jahr zwar um 8 Prozent zugelegt. Allerdings würden längst nicht alle Online-Anbieter vom Wachstum profitieren. In vielen Branchen wachse die Dominanz einzelner Akteure, und die grössten Profiteure seien ohnehin eine wenige Online-Marken aus dem Ausland. Denn insgesamt hätten die ausländischen Anbieter in etwa doppelt so stark zugelegt wie die inländischen. "Die seit Jahren anhaltenden Marktanteilsverluste an ausländische E-Commerce-Anbieter sind bedenklich. Online sind die Grenzen niedriger. Im E-Commerce ist der Auslandsanteil bereits doppelt so hoch wie im stationären Handel", erklärt dazu erklärt Studienautor Ralf Wölfle von der Fachhochschule Nordwestschweiz. Diese steht zusammen mit dem Online-Zahlungsverarbeiter Datatrans hinter dem E-Commerce Report Schweiz, der seit 2009 Stellenwert, Wandel und Trends im Vertrieb an Endkonsumenten aus Sicht der Anbieter untersucht.


Wie die Studienverfasser weiter schreiben, ist die Dynamik im Schweizer E-Commerce ist nochmals gestiegen. Grund dafür seien die gross angelegten Investitionsprojekte Galaxus und Siroop. Als Onlinemarktplätze wollen sie mit unterschiedlicher Ausprägung die Potenziallücke nutzen, die aus dem zögerlichen Engagement von Amazon in der Schweiz entstehe. Auch Brack.ch weite sein Angebot durch Partnerschaften weiter aus, heisst es. In der neuen Rolle als Intersport-Fachhändler würden nun die Kernkompetenzen für den E-Commerce erstmals auch bei textilen Sortimenten eingesetzt.
Im Hinblick auf die traditionellen Händler schreiben Wölfle und Co, dass bei diesen das Bild der "eigenen" Kunden tief verwurzelt sei. Doch habe die mit Smartphones einhergehende Ortsunabhängigkeit und Marktransparenz an dieser Ehe gerüttelt. "Viele Onlinedienste unterstützen gerade die Vorbereitung von Einkäufen besser, als einzelne Anbieter das je tun könnten. Entsprechend ändern Kunden ihre Gewohnheiten – und Anbieter verlieren ihre Kunden in dem Sinn, dass sie nicht mehr deren bevorzugte Anlaufstelle für bestimmte Bedarfe sind. Besonders schmerzlich ist diese Entwicklung für das Übernachtungsgewerbe, das aktuell immer mehr Direktbuchungen an Onlineplattformen verliert."

Der Abschied vom Anspruch auf die Kunden führe zu neuen Haltungen und Geschäftspraktiken, wenn man die Instrumente der Digitalisierung verstehe. "Anstelle den Kunden passiv zu empfangen, gehen erfolgreiche Anbieter aktiv auf ihn zu. Der Weg dazu ist die Datenanalyse. Aus ihr lassen sich die Situationen erkennen, in denen Kunden etwas wollen, was der Anbieter ihnen bieten kann." Und weiter erklärt Studienautor Wölfle: "Was im stationären Handel die teure Lage ist, ist im E-Commerce der Suchbegriff. Kunden online in genau den Momenten zu identifizieren, in denen sie einen Bedarf haben, ist die Königsdisziplin im Online Marketing."


Lesen Sie auf der nächsten Seite: Die grossen Herausforderungen für Schweizer Händler.
Wie gross die Herausforderungen für die E-Commerce-Anbieter sind, zeigt folgende Feststellung im neuesten E-Commerce Report Schweiz: "Wenn Kaufentscheide aus dem Moment heraus immer wieder anders gefällt werden und feste Muster sich auflösen, bleibt auch den Anbietern keine Alternative, als sich auf kontinuierlich ändernde Anforderungen einzustellen. Das erfordert agile Organisationen. Neben effizienten Entscheidungen, die primär kennzahlenbasiert gefällt werden, bedarf es einer hohen Technologiekompetenz, um neue Lösungen schnell implementieren zu können. Ausserdem bedarf es der finanziellen Mittel für Experimente sowie die Bereitschaft, auch Misserfolge hinzunehmen."

Weiter werde man auch eine anhaltende Leistungssteigerung in der Logistik sehen. Anbieter würden sich fragen, welches Leistungsniveau heute notwendig ist, welche Kosten sie dafür tragen können und wo sie sich allenfalls sogar durch Logistik im Wettbewerb differenzieren können. Für die Kunden bedeutet dies, dass die die Zustelloptionen immer vielfältiger werden.


Zur Multichannel-Thematik schrieben die Macher der Studie derweil, dass Anbieter weiterhin physische und digitale Touchpoints aufbauen, dass aber die dahinterliegenden Multikanalkonzepte sind häufig noch nicht ausgereift seien. Nur wenige Anbieter schaffen es, eine durchgängige, kanalübergreifende Customer Experience zu bieten. Komplexität und Kosten der Organisationsanpassungen spielen dabei eine Rolle, aber als wirklich erfolgskritisch werden heute fehlende Strategien und das Mitziehen der Mitarbeitenden angesehen. Und zum Thema Mobile Payment schliesslich wird festgehalten, dass im Schweizer Markt für mobile Zahlungssysteme immer mehr Verfahren zur Verfügung stehen, und dass sich Händler-Wallets verbreitet – native Apps mit integrierter Zahlungsfunktion – besonders erfolgreich verbreitet haben. Ein Beispiel ist hier die SBB-App, wo der Smartphone- den Online-Umsatz im letzten Jahr überholt hat. "Offene mobile Zahlungslösungen wie Twint oder Apple Pay stehen dagegen noch am Anfang. Die Schweizer Händler sind mit der Implementierung zurückhaltend. Zu viel Unsicherheit resultiert aus der Haltung der Twint-Banken."
Abschliessend halten die Studienverfasser mit Blick auf die Zukunft fest, dass manch ein stationärer Händler froh wäre, wenn sich die Umsatzverlagerung hin zum E-Commerce erschöpfen würde. Das aber sei nicht abzusehen – im Gegenteil: Für das laufende Jahr erwarten drei Viertel der Teilnehmer des Studienpanels ein Wachstum des E-Commerce in ihrer Branche um 5 Prozent oder mehr. In der Fünfjahresperspektive erwarten knapp 40 Prozent, dass der E-Commerce-Anteil in ihrer Branche im Vergleich zu heute mindestens um die Hälfte zulegen wird.


Die komplette Studie kann unter diesem Link kostenlos bestellt werden. Als Jahresschwerpunkt behandelt sie die Digitale Transformation im Übernachtungsgewerbe. Als weitere Themen nebst der Standortbestimmung für den Schweizer E-Commerce im Jahr 2017 werden beispielsweise kanalübergreifende Handelskonzepte oder aktuelle Entwicklungen in der Logistik beleuchtet, genauso wie aktuelle Entwicklungen bei Onlinemarktplätzen – namentlich Siroop, Galaxus, Brack.ch, Amazon oder Zalando. (mw)


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