Im September 2018 verkündete Marianne Janik, CEO von
Microsoft Schweiz, dass das Unternehmen bestrebt sei, aktiv gegen den grassierenden Mangel an Fachkräften in der hiesigen ICT-Branche vorzugehen. Dazu habe Microsoft ein langfristiges Projekt ins Leben gerufen und das eigene Partnernetzwerk eingebunden, um Synergien zu nutzen. Wie Janik damals gegenüber "Swiss IT Reseller" erklärte, würden viele Unternehmen versuchen, das Problem im Alleingang zu lösen, was wenig zielführend sei, zumal der Fachkräftemangel auf diese Weise lediglich verwaltet werde. Dies ist angesichts der Prognose von ICT-Berufsbildung Schweiz, nach der hierzulande bis 2026 rund 40’000 ICT-Fachkräfte fehlen werden, keine nachhaltige Option.
Die Leitung des Projektes wurde Giovanni Putignano, Partner Business Development Manager bei
Microsoft Schweiz, anvertraut. Bereits Ende September fand ein Workshop mit 24 Vertretern von Unternehmen aus dem Partnernetzwerk und anderen Anspruchsgruppen wie ICT-Berufsbildung Schweiz und SwissICT statt. In einem ersten Schritt wurde die Situation analysiert, danach wurden aus den Erkenntnissen Lösungsansätze formuliert, aber auch erste konkrete Massnahmen umgesetzt. Eine davon ist eine Learning-Plattform, die Microsoft online aufgeschaltet hat und die kostenlose Lerninhalte für Spezialisten bereitstellt.
Doch schon vor dem offiziellen Start der Initiative gegen den Fachkräftemangel war Microsoft mit seinen Partnern aktiv und hatte bereits Ende Februar 2018 in enger Zusammenarbeit mit dem Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) des Kantons Zürich einen Jobscouting Day durchgeführt, an dem stellensuchende IT-Fachkräfte direkt mit Unternehmen aus dem Partnernetzwerk von Microsoft in Kontakt treten konnten, die ihrerseits auf der Suche nach Spezialisten waren. Es war denn auch der Erfolg dieses ersten Events, der die Veranstalter dazu bewog, das Format ein Jahr später noch einmal zu nutzen, jedoch mit einigen Änderungen, die sich aufgrund der Rückmeldungen aus dem ersten Workshop ergeben haben.
Vor dem eigentlichen Beginn der Veranstaltung werden die Vertreter der Partner-Unternehmen in einem Briefing auf die Interviews vorbereitet. (Quelle: SITM)
Die Organisatoren des zweiten Jobscouting Day von Microsoft und dem Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich. (Quelle: SITM)
Über 100 Kandidaten
Der zweite Jobscouting Day wurde somit am 28. Februar 2019 am Hauptsitz von
Microsoft in Wallisellen durchgeführt, wiederum in Partnerschaft mit dem Amt für Wirtschaft und Arbeit. Ziel der Veranstaltung war einmal mehr, arbeitssuchende Fachkräfte an Unternehmen im Partnernetzwerk von Microsoft zu vermitteln. Dazu wurden aus 16 Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) des Kantons Zürich 287 Lebensläufe von Stellensuchenden mit einem IT-Profil zusammengetragen, und zwar aufgrund der Kriterien, welche die 16 teilnehmenden Microsoft-Partner vorgegeben hatten. So lag der Fokus auf der Suche nach Entwicklern, Architekten, Projektleitern und Sales-Spezialisten – allesamt Ressourcen, die viele Unternehmen händeringend benötigen.
Wie Renato Moretti, Personalberater und Kundenberater des RAV Zürich Nansenstrasse, der die Veranstaltung begleitet hat, erklärte, mussten die Partnerfirmen während drei Tagen sämtliche Curricula sichten und diejenigen Stellensuchenden auswählen, die sie in einem persönlichen Gespräch kennenlernen wollten. So seien aus den ursprünglich fast 300 Lebensläufen 139 selektiert worden. Danach habe man die betreffenden Kandidaten kontaktiert und zum Jobscouting Day eingeladen, so Moretti. Allerdings hätten bis zum Tag der Veranstaltung bereits mehrere davon eine neue Anstellung gefunden, sodass letztlich 113 Stellensuchende am zweiten Event teilnahmen. Die jüngste Person hatte dabei Jahrgang 1998, die älteste 1956.
Das Projekt kommt an
Auf der Seite der Arbeitgeber fanden sich Unternehmen wie Swisscom, Elca oder Trivadis, aber auch kleinere ICT-Firmen. Für Orbis, einen deutschen IT-Berater mit Hauptsitz in Saarbrücken, kam der Managing Director von Orbis Schweiz, Daniel Haas, nach Wallisellen. Für ihn ist klar, dass ein solcher Anlass Chefsache ist: "Ich bin heute mit unserem Service-Verantwortlichen hier. Mir ist sehr wichtig, dass das Team stimmt, aus diesem Grund ist es für mich zentral, als Geschäftsführer anwesend zu sein und mit den Kandidaten zu sprechen." Für Haas ist der Anlass einzigartig, denn man habe sonst nie die Chance, in einer solchen Kadenz so viele Personen zu treffen und Interviews zu führen. "Es geht ja nicht nur darum, ob der Mensch die nötigen Kompetenzen und Erfahrungen hat, sondern, ob er als Mensch in das Firmenumfeld passt. Je länger ich in diesem Geschäft tätig bin, umso wichtiger wird der Mensch an sich. Selbst in einem so kurzen Gespräch von nur 20 Minuten merkt man, ob die Chemie stimmt", ist Haas überzeugt. Das Alter der Kandidaten spiele dabei keine Rolle. Das Argument, ältere Mitarbeitende seien zu teuer, lässt er nur bedingt gelten. Man müsse eben über alternative Anstellungsmodelle diskutieren, so Haas.
Auch die Stellensuchenden sehen den Vorteil des Anlasses vornehmlich darin, sich an einem Tag bei mehreren Unternehmen vorstellen zu können. Darüber hinaus habe man die Möglichkeit, während der Pausen Networking zu betreiben und auch Vertreter anderer Firmen kennenzulernen, selbst wenn man von diesen nicht zu einem Gespräch eingeladen wurde. Einzig, dass man als Bewerber erst am Tag des Anlasses erfahre, welche Unternehmen an einem interessiert seien, wurde vereinzelt bemängelt, weil man dadurch kaum die Zeit habe, sich im Vorfeld mit dem potentiellen Arbeitgeber auseinanderzusetzen. Den Organisatoren des Anlasses ist durchaus bewusst, dass noch Verbesserungspotential besteht, weshalb stetig evaluiert wird, in welchen Bereichen Änderungen anzubringen sind, um die nächste Ausgabe noch effizienter zu gestalten.
Positive Bilanz
Bereits Mitte März gingen beim AWA erste Rückmeldungen von Microsoft-Partnern zum Anlass ein. Es wurden bereits erste Vermittlungen gemeldet beziehungsweise Anstellungen von Kandidaten. Auch seien über 50 Prozent der Teilnehmenden bereits nach dem Anlass für ein zweites oder gar drittes Gespräch eingeladen worden, wobei die betreffenden Partnerfirmen davon ausgehen, dass daraus neue Arbeitsverhältnisse entstehen. Die Verantwortlichen des RAV Nansenstrasse vom Amt für Wirtschaft und Arbeit ziehen deshalb eine durchwegs positive Bilanz: "Das Format des Jobscoutings ist die Rekrutierungsform, welche primär den Menschen in den Vordergrund stellt. Wir geben damit Stellensuchenden und Firmen der ICT-Branche die Chance, sich in einem unkonventionellen Rahmen kennenzulernen. Für uns war es erneut ein grossartiger und erfolgreicher Anlass mit viel Dynamik und positiven Feedbacks. Wir sind stolz darauf, mit diesem innovativen Format einen Beitrag zur Entspannung des Fachkräftemangels in der ICT-Branche zu leisten und freuen uns bereits jetzt schon auf den nächsten Anlass im Jahr 2020."
Und auch bei
Microsoft zeigt man sich erfreut. Giovanni Putignano fasst zusammen: "Der Jobscouting Day ist der Beweis, dass es wenig braucht, um den Status Quo zu ändern und Dinge in Bewegung zu setzen. Gemeinsam mit unseren Partnern und dem AWA des Kantons Zürich konnten wir an einem Tag Begegnungen ermöglichen, die den Teilnehmenden neue Perspektiven eröffnen. Das Feedback war sehr positiv und wir freuen uns über die vielen Follow-up-Gespräche. Wir sind überzeugt, dass der Fachkräftemangel ein Thema ist, das uns alle angeht. Gemeinsam in einer Arbeitsgruppe bestehend aus Partnern, Kunden und Interessensgemeinschaften, arbeiten wir zurzeit an weiteren konkreten Aktionen. Wir fokussieren uns aber nicht nur auf Stellensuchende, sondern auch auf die Aus- und Weiterbildung in den Technologien, die in Zukunft für den Arbeitsmarkt relevant sind."
(luc)