Nachdem die Schweiz im März pandemiebedingt in den Lockdown ging, wurde auch der Detailhandel geschlossen und viele Käufer bezogen ihre Waren, insbesondere Non-Food-Produkte, über den Online-Handel. Wie eine Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) zeigt, verzeichneten rund die Hälfte aller Schweizer Online-Shops «starken Zuwachs» von mehr als 20 Prozent während der Krise. In der Kategorie Computer & Zubehör liegt der Anteil der Online-Shops, die einen solchen Anstieg verzeichneten, gar bei 86 Prozent (mehr dazu auf Seite 20).
Die Etailer im Channel bestätigen diese Ergebnisse, wie es etwa vonseiten
Competec heisst: «Wir sind vor der Krise gut ins Jahr gestartet. Während des partiellen Lockdowns haben wir über Wochen Bestellvolumen verarbeitet, die sich ungefähr auf Niveau von Black Friday oder Weihnachten bewegten. Momentan bewegen wir uns auf deutlich höherem Niveau als vor dem Lockdown.» Adrian Schatzmann, Business Owner bei
Microspot.ch, kommentiert derweil, dass sich das Volumen während dem Lockdown stellenweise vervierfacht und im Anschluss auf einem hohen Niveau stabilisiert hat und ergänzt: «Wir gehen davon aus, dass der Online-Handel bis Ende Jahr weiterhin wachsen wird.» Und bei
Digitec Galaxus spricht man gar von «nie dagewesenem Wachstum» während dem Lockdown. Senior PR-Manager Alex Hämmerli fügt an, dass man für November und Dezember mit mehr als 50 Prozent mehr Bestellungen als im Vorjahr rechnet.
Ressourcen aufstocken
Die genauen Zahlen zum Ende des Jahres werden eine deutlichere Sprache sprechen, aber es lässt sich wohl sagen, dass der Lockdown Verkaufszahlen mit sich gebracht hat, die in dieser Form wenn überhaupt nur während den verkaufsstärksten Phasen im Jahr – dem Black Friday und dem Weihnachtsgeschäft – an der Tagesordnung waren.
Für einen derartigen Anstieg der Bestellungen war man nicht gewappnet und musste schnell reagieren. Malte Polzin, Geschäftsführer von PCP /
Steg kommentiert: «Auch wenn wir massive Zuwächse hatten, sind wir natürlich auf einem tieferen Niveau unterwegs als die ganz Grossen der Branche. Somit konnten wir diese Volumen durch temporäre Mehrarbeit, Umverteilung von Mitarbeitenden und mit Aushilfen, zum Beispiel in der Logistik, stemmen.» Wie Polzin antönt, hatte der Anstieg bei den ganz Grossen der Branche zeitgleich aber tiefgreifende Folgen im Personal-Management. Alex Hämmerli von
Digitec Galaxus bestätigt: «Wir haben im März und April 300 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Logistik eingestellt, und nun kommen weitere 250 hinzu. Während der Vorweihnachtszeit werden bei uns dieses Jahr rund 850 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Logistik arbeiten. 2019 waren es zur selben Zeit 500.»
Microspot.ch liess sich während dem Lockdown von rund 200 weiteren Arbeitskräften helfen, die aus anderen Coop-Formaten abgezogen werden konnten, und richtete unter anderem provisorische Paketstationen ein. «Dank diesen Massnahmen, dem grossen Engagement unserer Mitarbeitenden und der guten Warenverfügbarkeit der Produkte ab Lager konnten wir die Bestellungen gut meistern», so Adrian Schatzmann.
Wie
Competec hinzufügt, sei besonders die Rekrutierung von Führungskräften und technischem Wartungspersonal im Vergleich zu Aushilfen in der Logistik eine besondere Herausforderung gewesen, weiter sei die Einarbeitung im Kundendienst «extrem herausfordernd» gewesen, da sich das Arbeitsvolumen so stark erhöht hatte.
Black Friday im Krisenjahr
Ein weiterer Faktor, der sowohl auf den Handel während dem Lockdown wie auch auf die nun folgende Planung Einfluss hatte, sind die Lieferkapazitäten der Zulieferer und die Planung der Lieferungen. Bei
Media Markt konnte man sich dank den Lagerbeständen aber über Wasser halten: «Die Vervielfachung der Volumen hat zu Beginn des Lockdowns sowohl bei uns als auch bei unseren Dienstleistern teilweise zu Verzögerungen geführt. Durch kurzfristig eingeführte Systemanpassungen konnte ein wesentlicher Teil der Bestellungen aus den Marktbeständen geliefert werden.» Lieferkapazitäten sind auch für das kommende Weihnachtsgeschäft ein entscheidendes Thema im E-Commerce: «Auf die kommende Zeit bereiten wir uns auf mehreren Ebenen vor. Zum einen gilt es im Category Management, mit den Herstellern und Lieferanten attraktive Angebote auszuhandeln, die dann im Jahresendgeschäft auch in entsprechenden Stückzahlen lieferbar sind. Dann müssen auch Marketingmassnahmen aufgegleist, die entsprechenden Kapazitäten in der Logistik geschaffen werden und so weiter», heisst es seitens
Competec.
Für die nun kommenden Spitzen rüsten sich die Händler bereits: Während
Digitec Galaxus massiv und dauerhaft aufstockt, leistet sich Competec «wie in den letzten Jahren» temporäre Arbeitskräfte für die Spitzen. Ähnlich handhabt man die Planung bei
Microspot.ch, wie Business Owner Adrian Schatzmann angibt: «Um den erwarteten Mehraufwand in der Logistik stemmen zu können, werden wie in den vorangehenden Jahren von Oktober bis Januar zusätzliche Aushilfen engagiert.» Bei Media Markt und PCP /
Steg behält man die Massnahmen für die turbulente Zeit aus den vergangenen Jahren ebenfalls ungefähr bei, PCP-Geschäftsführer Polzin ergänzt: «Jedoch mit einem gewissen Aufschlag an Volumen, insbesondere über den Online-Kanal.»
Wie nachhaltig sind diese Entwicklungen?
Bei der Frage, ob das Online-Geschäft nachhaltig sei, gehen die Ansichten etwas auseinander. Bei
Media Markt ist man der Meinung, dass «das Corona-bedingte Wachstum auf diesem Niveau» nicht nachhaltig sei. Gleichzeitig weisen die anderen Händler jedoch darauf hin, dass es ein Umdenken bei den Konsumenten gegeben hat. Malte Polzin von PCP: «Ja, ich würde das Wachstum als nachhaltig bezeichnen. In der Krise haben Kunden, die gegebenenfalls vorher selten oder gar nicht online gekauft haben gemerkt, dass dies sehr einfach ist und gut funktioniert.» Alex Hämmerli von
Digitec Galaxus ergänzt, dass dies besonders die älteren Generationen betrifft und
Competec bringt einen weiteren interessanten Punkt ein: «Der Online-Handel insgesamt ist immer noch ein Wachstumsmarkt. Die Covid-19-Krise hat das im Grunde nachhaltige Wachstum beschleunigt. Wir sind davon überzeugt, dass durch die Krise mehr Haushalte auf den Geschmack gekommen sind, einen grösseren Teil ihrer Warenbeschaffung als bisher über E-Commerce abzuwickeln.»
Vielleicht hat die Krise tatsächlich eine vorprogrammierte Entwicklung nur angekurbelt. Die Zahlen zum Jahresabschluss 2020 und der Folgejahre werden letztlich zeigen, wer Recht behält. Sicher ist: Der Online-Handel befindet sich – wie auch viele andere Branchen – in einer aussergewöhnlichen Phase, die ihre Spuren hinterlassen wird.
(win)