Think Digital: 50 Shades of Management
Quelle: zVg

Think Digital: 50 Shades of Management

von Joerg Schwenk

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2022/09

     

Ich war wieder in den Ferien. Länger als üblich. Mehr Zeit, um über mehr Dinge in der Welt nachzudenken. Genügend Distanz, um zu erkennen, wie absehbar sich Menschen im Geschäftsleben verhalten.

Es waren Gassen im spanischen Quartier von Napoli, in denen die Wäsche hängt und man sich gegenseitig in die Stube sehen kann. Und es war die simple Frage meiner Familie, wie man sich hier wohl vorkommt, wenn Tausende Touristen sich das eigene Leben anschauen, als wäre man eine Attraktion.


Urplötzlich wurde es mir klar. Nicht wir schauen uns Napoli an, sondern Napoli schaut auf uns herab. Es wurde mir klar, wer hier ein möglicherweise glücklicheres und erfüllteres Leben führt als wir arbeitsverrückten Nordeuropäer. Mich eingeschlossen.
Umso besser trifft es sich, dass ich mich heute im Rahmen dieser Kolumne über einige Sachverhalte lustig machen kann und darf – nämlich die Strategien von Menschen, um im heutigen Arbeitsalltag zu bestehen.

Strategie «administrieren und verwalten»: Unbestritten, ein gerütteltes Mass an Administration wird benötigt. Dennoch gibt es in vielen Teams Personen, die den zunehmend komplexeren Arbeitsabläufen mit immer mehr Administration begegnen. Spannend wird es in dem Moment, in dem Administration angewendet wird, um eigene und unterschwellige Ziele zu erreichen. Beispielsweise um Projekte zu verzögern oder andere Mitarbeiter davon abzuhalten, erfolgreich zu sein. Die Wirkungsweise ist klar: Wer administriert, arbeitet weniger aktiv mit seinen Stärken und proaktiv an den eigentlichen Zielen. Es kommt, wie es kommen muss: Es folgt Excel-Liste auf Excel-Liste, Meeting auf Meeting und Protokoll auf Protokoll.


Strategie «verhindern, verzögern und blockieren»: Dafür braucht es keine Administration, das geht auch anders. Nämlich dadurch, dass andere Aufgaben in deren Wichtigkeit hochpriorisiert werden. Oder schlicht Termine nicht wie versprochen gehalten werden oder Verantwortlichkeiten übergeben werden an Personen, die nicht über die richtigen Skills verfügen. Es geht auch dadurch, dass Projekte neu aufgerollt, verwirrend zusammengefasst oder unsinnig neu aufgeteilt werden. Der Treiber ist offensichtlich: Es ist gut so wie es ist. Warum soll sich etwas ändern? Klar ist aber: Unternehmen brauchen und wollen, gerade heute, diese Veränderung dringend.

Strategie «Profilierung & Eigenmarketing»: Jeden Tag eine neue grosse Idee, einen Vorstoss oder ein neues Projekt an sich reissen – ein erfolgreiches Umsetzen spielt dabei keine Rolle. Was aber wichtig ist: Jeder soll wissen, wer den Stein ins Rollen gebracht hat. Mangels Kontrolle ist es heute aber nicht entscheidend, was daraus wurde. Entscheidend ist nicht das Wohl der Firma oder des Teams, sondern nur der ­eigene egoistische Aufstieg in der ­Hierarchie. Vertrauen und leistungsfähige Teams werden dadurch nachhaltig verunsichert und geschwächt.


Strategie «Grashalme & Kultur­folger»: Erkennen, wer gerade in der Gunst der Eliten einer Organisation ist und wer nicht, ist eine wesentliche Fähigkeit, welche in heutigen Unternehmen nicht schaden kann. Stelle ich mich gut mit meinen Sponsoren, so steige ich mit ihnen in der Hierarchie. Eine Strategie, die funktionieren kann, aber wohl nie Höchstleistungen einbringen wird. Zudem hinterlassen diese Heuschrecken aus Erfahrung eher toxische Arbeitsumfelder, welche lange benötigen, um sich zu regenerieren.

Das sind nur einige wenige der Strategien, die Mitarbeiter und insbesondere Manager vermeintlich beherrschen müssen, wollen sie ihre eigenen Ziele in einer Organisation erreichen. Diese Soft-Skills werden nicht immer bewusst und böswillig eingesetzt und sind oft genug gelerntes, aber unbewusstes Verhalten. Warum Firmen, in denen solche Strategien gelebt werden, dennoch funktionieren? Bis ich das verstanden habe, werde ich zweifellos noch einige Male Ferien benötigen. Ich halte euch auf dem Laufenden. So long: Work hard, play hard…

Joerg Schwenk

Joerg Schwenk verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung im Schweizer Fachhandel und ist spezialisiert auf Onlinemarketing sowie Digitalvertrieb. In seiner Kolumne vermittelt er seine Einschätzungen, Erfahrungen und Ansichten rund um den ICT-Channel und freut sich auf Ihre Kontaktnahme beziehungsweise die Vernetzung auf Linkedin.


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