Während andernorts Internet Service Provider und Datencenter, nachdem sie wie die Pilze aus dem Boden geschossen waren, reihenweise wieder sterben, verhält sich die Zürcher Everyware antizyklisch und wächst stetig. Das Erfolgrezept des auf Firmenkunden spezialisierten ISPs ist langsames Wachstum, kein Geld ausgeben, das man nicht hat, kein Kundenködern durch Gratisdienstleistungen und eine gesunde Portion Realitätssinn.
«Dem grossen Internet-Euphorismus bin ich immer mit einer gewissen Vorsicht begegnet. Ich habe mir immer meine Mami vorgestellt. Die wird auch in zehn Jahren noch nicht online im Migros einkaufen oder ein Formel-Eins-Rennen auf dem Handy verfolgen», so Armin Ris, Gründer von Everyware.
Angefangen hat alles 1995, als er nach einem zweijährigen Brasilienaufenthalt zurück in die Schweiz kam.
Ris, der bereits Ende der 80er-Jahre als Network Engineer und Architect bei
IBM tätig war, wurde durch die Währungsreform gezwungen, seine geschäftlichen Zelte in Rio de Janeiro abzubrechen. Mit einem ehemaligen Jugendfreund gründete er Everyware. Das Unternehmen war von Anfang an eigenfinanziert, weder Bankkredite noch Venture Capital sind in den Aufbau der Firma geflossen. Angefangen mit E-Mail-Lösungen, kam bald Software-Entwicklung dazu. Erste Kunden von Everyware waren Werbeagenturen, die mit der Zeit wiederum ihren eigenen Kunden das Jungunternehmen empfohlen haben.
ISP-Lösung für jedermann
Ende der 90er-Jahre entwickelte Everyware die Software «uProvide», die künftig die Basis für alle Partnerprogramme von Everyware bilden sollte. Jeder, der über einen Computer, einen Internetzugang und einen Browser verfügt, kann mit uProvide als virtueller Internet Service Provider (ISP) auftreten. So können zum Beispiel Webdesigner ihren Kunden zum einen eine Website entwerfen und gleichzeitig als deren ISP fungieren. uProvide ist webbasiert und erlaubt, sämtliche Internetdienstleistungen über eine zentrale SQL-Datenbank abzuwickeln.
Mit dem passwortgeschützten Administrations-Interface können diverse IP-Services selbständig eingerichtet werden. uProvide deckt neben der Servicekonfiguration auch die gesamte Verwaltung und Administration. Everyware übernimmt das Management und den Betrieb der Serverinfrastruktur sowie des Netzwerks. Seit dieser Woche hat das Unternehmen sein Produktportfolio mit ADSL erweitert. Das uProvide-ADSL-Partnerprogramm ist für alle Unternehmen geeignet, deren Kunden in Zusammenhang mit ADSL Beratungs-, Installations- oder Supportdienstleistungen nachfragen.
Börse, nein danke!
Auch dem Börsenhype konnte Everyware, obwohl die Versuchung vorhanden war, erfolgreich standhalten. Verhandlungen über einen Verkauf des Unternehmens an Wirenetworks wurden kurzerhand abgebrochen: «Natürlich war das Angebot verlockend, es ging schliesslich um eine Menge Geld. Aber irgendwie wäre das einem Verrat an unseren Kunden gleichgekommen», so Ris. Heute zählt das Unternehmen sechzehn Mitarbeitende und betreut mehr als 3000 Geschäftskunden.
«Wir funktionieren wie die Firmen der Old Economy und hatten nie überzeichnete Businesspläne», erklärt Kurt Ris, der Bruder des Firmengründers, der vor zwei Jahren zum Unternehmen stiess. Everyware bietet aus einer Hand Lösungen in den Bereichen Internet-Access, Web-Hosting, Housing, dedicated Hosting, E-Messaging und IT-Outsourcing. Der Umsatz für dieses Jahr wird laut eigenen Aussagen bei 5 Mio. Franken, der Gewinn im sechsstelligen Bereich liegen.
Das Datencenter im Weinkeller
Letztes Jahr hat Everyware nach ausgiebiger Suche eines geeigneten, zentralen Standortes in Kundennähe sein eigenes, 300 Quadratmeter grosses Data Center «eSpace-xMR» eröffnet. In einem ehemaligen Luftschutzbunker aus dem Ersten Weltkrieg und späterem Weinkeller des «Baur au Lac» steht heute hinter 2 Meter dicken, neunzig Jahre alten, einbruchssicheren Kellermauern eine moderne Infrastruktur für Housing- und Hosting-Dienstleistungen mit Anbindung an einen High Speed Internet Backbone.
Für einen siebenstelligen Betrag hat Everyware die Katakomben in der Zürcher Birmensdorferstrasse umbauen lassen und vorerst für die nächsten 25 Jahre gemietet. Ein Betrag, den andere Datencenter jährlich allein für die Miete ihrer exklusiven Lokalitäten ausgeben und der ihnen bei Nichtauslastung möglicherweise das Genick brechen kann. Im Data Center kann das Hosting von Applikationen/Websites auf virtuellen Servern in einer klar abgrenzbaren (dedicated Hosting) oder in einer mit anderen Kunden gemeinsam genutzten Serverumgebung aufgesetzt werden.
Das Housing von firmeneigener Serverinfrastruktur wird im eSpace-xMR an dedizierten Orten angeboten. Und fürs Auge gibt es auch noch etwas. In tausend Stunden Arbeit haben Künstler mit einer scheinbar unsichtbaren Spezialfarbe sämtliche Wände und Infrastruktur bemalt. Schaltet man das Licht aus und das Ultra-Violett-Licht an, verwandelt sich der weisse Raum in ein sternenüberflutetes Spaceshuttle und nimmt den Betrachter mit auf die Reise in eine andere Dimension. (sk)