Cisco-Channel-Programm: Gut auch in der Krise?

Was macht ein Channel-Spezialist Besonderes in einer IT-Krise? Bewährt sich Ciscos Partnerkonzept auch jetzt noch? IT Reseller sprach mit Edzard Overbeek (Bild), Ciscos neuem Channel-Chef in Europa.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2002/15

     

Anlässlich des Cisco Swiss Partner Kick-off Events FY03, der traditionellen jährlichen Cisco Partner-Veranstaltung zum Beginn eines neuen Geschäftsjahres hatte IT Reseller Gelegenheit, ein Interview mit dem neuen Mann an der Spitze von Ciscos Channel-Organisation in Europa zu führen. Edzard Overbeek, bisher Country Manager für Cisco in Holland, ist Nachfolger von Paris Arey auf dem Posten eines Vice President Channel und Allianzen in der Region EMEA (Europa, Mittlerer Osten und Afrika).
IT Reseller: Verraten Sie uns etwas über Ihren Hintergrund. Wo arbeiteten Sie, bevor Sie zu Cisco wechselten?
Edzard Overbeek: Ich bin jetzt seit ungefähr zweieinhalb Jahren bei Cisco, davor habe ich für Copaco, einen holländischen Value-Added-Distributor gearbeitet. Noch früher war ich je drei Jahre bei Fujitsu und dann Siemens. Karrieremässig war ich zuerst Account Manager, dann Sales Manager.
Einen Ausflug in Operations habe ich auch gemacht, als Fujitsu eine grosse Fabrik in Dresden übernahm, und ich gebeten wurde, dort den Betrieb zu optimieren. Zurück bei Fujitsu habe ich den Vertrieb in den Benelux-Ländern organisiert. Danach, bei Siemens, war ich Business-Unit-Manager für PCs und Server, später kamen auch Netzwerke hinzu, dann Software und dann Siemens-Nixdorf.
Dann kam die Anfrage von Copaco. Das waren eigentlich zwei Betriebe, die vor dem Bankrott standen. Ich wurde gebeten, sie in spätestens 12 Monaten wieder auf die Beine zu stellen, was wir in acht Monaten geschafft haben. Und dann kam Ciscos Anfrage. Man könnte Also sagen, ich habe schon viel gemacht in einem kurzen Leben.
ITR: Wie empfinden Sie es, gerade jetzt, mitten in der IT-Investitionskrise, diesen Job zu übernehmen? Sind da spezielle Qualitäten von Ihnen gefragt?
EO: Ja, ich denke schon. Es ist klar, dass man in einem Markt, der 30 bis 50 Prozent Wachstum aufweist, ein ganz anderes Business-Modell implementieren muss als im jetzigen Umfeld.
Ich glaube auch, dass Cisco und seine Partner in einer starken Ausgangsposition sind, um neue Meilensteine zu setzen. Was wir immer wieder zu erklären versuchen: Das Switching- und Routing-Geschäft, ist natürlich wichtig für uns.
Aber es gibt jetzt neue Märkte, neue Produkte, neue Technologien. Und dort haben wir noch eine ziemlich niedrige Marktpenetration.Zurück zu Ihrer Frage: Die Situation gefällt mir. Ich glaube, wenn wir unsere Strategie, die wir letztes Jahr aufgesetzt haben, gut umsetzen, wenn wir sie auch genügend vereinfachen und detaillieren, dann sind wir in einer Super-Position, um zusammen mit den richtigen Partnern auch in diesen Märkten eine Nummer Eins-Position zu übernehmen.
ITR: Aber gibt es jetzt nicht viele «Notfalleinsätze» für Sie, Krisen zu lösen, Konflikte zu schlichten?
EO: Das ist in diesem Job eigentlich immer so, das ist auch ein Grund warum ich ihn persönlich mag. In einem 100% indirekten Geschäft wie es Cisco pflegt, ist es das wichtigste, immer die besten Partnerschaften zu gewinnen und miteinander auszubauen. Es ist nicht so dass, nur weil man fünf Jahre zusammen war, man auch die nächsten fünf Jahre zusammen bleibt. Es ist immer wichtig, dass man sich als Geschäftspartner zusammensetzt, und die Strategie diskutiert, dass man zusammen schaut: «Wo können wir hingehen, was können wir sonst noch machen?»



Ein Partnermodell auch für die Krise?

ITR: Ciscos jetziges Partnerkonzept wurde im Frühling 2001 aus der Taufe gehoben, die Planung fand sicher einiges früher statt. Ist es damit nicht noch ein Produkt der Internet-Blase?
EO: Nein, ich denke nicht. Wir haben das ganze Konzept in einer Zeit implementiert, als der Markt schon wieder im Niedergang war. Und zwar, weil wir wollen, dass unsere Partner mit Services und Lösungen Wert schöpfen und Umsatz generieren, und den Kunden mit Business-Lösungen für das Internet helfen können. Das Konzept ist, auf der Basis von Cisco-Technologie ein ganzes Portfolio von Lösungen und Services aufzubauen, und dies als Gesamtkonzept beim Kunden zu positionieren. Das ist die Strategie vom Volumen hin zum Value.
Es stimmt, wir haben das Konzept schon etwas früher entwickelt, aber mit der Lancierung gewartet. Bei 50% Wachstum geht man nicht auf den Value, da bringt man Technologie nach Technologie nach Technologie. Die Kunden wollten es auch nicht anders, sie wollten immer die neuste Generation. Schauen sie, vor 12 Jahren bei den PCs da hiess es immer: «Wann ist der neuste Intel-Prozessor da?» Damals gab es keine Konzepte wie Total Cost of Ownership oder Return On Investment. Es gab nur «schneller, schneller», weil die Software explodierte, und die Technologie folgen musste.
Jetzt, wo der Markt sich stabilisiert hat, sagt man, okay, wir haben jetzt schnelle Produkte, jetzt wollen wir maximalen Ertrag durch diese Produkte haben.
ITR: Also kann man sagen, das Konzept, obwohl schon vorher entstanden, war eigentlich schon für eine Konsolidierungsphase gemacht?
EO: Ja, wir haben immer verschiedene Konzepte vorliegen, das ist auch mit ein Grund, warum wir Marktführer sind. Wir warten nicht einfach ab. Wenn der Markt wieder steigt, dann werden wir die eine Strategie fahren, falls es etwas länger flach bleibt, haben wir ein anderes Konzept parat. Das müssen wir auch tun, sonst kann es nicht gut gehen.
ITR: Die Krise ist nun aber doch tiefer als gedacht. Gab es Modifikationen am Channelmodell als Folge der geschwächten Position vieler Partner?
EO: Nicht dass ich wüsste, aber ich denke, dass eine Strategie laufend modifiziert werden muss. Manchmal fragen mich die Leute als erstes: «Du bist jetzt neu in deinem Job, was willst du ändern?» Da sage ich immer: «Also ich ändere nichts». Wenn eine Strategie nicht die Strategie einer Firma ist, sondern die einer einzelnen Person, dann ist das sehr gefährlich. Die Strategie, die wir fahren, ist die Strategie von Cisco. Die hat Paris Arey durchgeführt, und die werde ich weiterführen. Aber sie wird sicher «evolutioniert». Wir reden mit Partnern, mit Resellern, mit Kunden und wir beobachten den Markt, schauen wie die Strategie sich bewährt.



Mehr Akkreditierungen als erwartet

ITR: Entsprechen die Anzahl der Partner mit Akkreditierungen denn den Vorstellungen Ciscos?
EO: Ja, hundertprozentig. Ich glaube, es sind sogar mehr als wir ursprünglich dachten. Für uns gab es damals ein grosses Fragezeichen: Wir selbst sahen ganz klar, dass neue, konvergente Technologien die Zukunft sind. Aber wenn man das als Marktführer im Routing und Switching sagt, kommt schnell die Standardreaktion: «natürlich sagen die das, die wollen ja weiter wachsen können».
ITR: Und entspricht auch die Aufteilung auf die verschiedenen Technologien den Plänen? Die Spezialisierungen erfordern ja verschieden hohe Investitionen. Wenn man sich auf der Cisco Website die aufgeführten Schweizer Partner anschaut, dann haben fast alle die «Wireless LAN»-Spezialisierung.
EO: «VPN Security» haben auch sehr viele, ebenso «IP/Telephony» und «ATP IP-Contact-Center». Storage ist etwas, das wir jetzt gerade erst beginnen.
ITR: Aber zum Beispiel Partner in «IP/Telephony» schien mir, gibt es recht wenige. Sind da nicht viele Partner ausgewichen auf das «billige» «Wireless LAN»?
EO: Ja natürlich, es gibt immer Reseller, die das machen, aber das müssen sie auch selbst entscheiden. In der IP-Telefonie hatten wir vor anderthalb Jahren ja auch nur eine Lösung für Grosskunden. Jetzt haben wir auch eine für KMU, und im Moment sieht man, dass jetzt viele kleinere Reseller und auch Distributoren die entsprechende Spezialisierungslehrstufen durchlaufen.

Was nützen Titel?

ITR: Manche Reseller sagen aber: Was soll ich mit Titeln, das nützt mir nichts. Meinen Kunden ist es nur wichtig, dass ich es kann, dass ich ein Netzwerk betreuen, dass ich sogar eine VoIP-Anlage einrichten kann. Die Akkreditierungen sind mir viel zu teuer.
EO: Ich glaube nicht, dass sie viel zu teuer sind. Okay, manche sagen das noch, aber es werden immer weniger. Immer mehr verstehen Reseller auch, dass man nicht nur ein Netzwerk implementieren kann, denn der Kunde will mehr. Der Kunde will nicht nur einen Router und Switches, das kann er ja auch per Katalog kaufen und wird immer mehr zur Commodity. Wenn der Reseller nicht den ganzen Service und die Lösungen dazu verkauft, dann geht ihm Business verloren.
ITR: Aber es gibt ja auch solche, die auch erfolgreich Serviceverträge verkaufen, ohne Akkreditierungen, und behaupten: «Meinen Kunden ist die Akkreditierung egal». Wie sind Ihre Erfahrungen mit den Kundenreaktionen?
EO: Unsere Erfahrungen sind da eher anders. Und wir haben auch immer gesagt, wir wollen nicht einfach jeden Reseller akkreditieren. Wir wollen die akkreditieren, die begreifen, dass die Internetwelt, dass die Internet-Business-Applikationen eine ganz andere Betriebsorganisation mit sich bringen.
Die Reseller, die nur noch Produkte verkaufen, gibt es eigentlich gar nicht mehr, ausser in ganz bestimmten Bereichen, zum Beispiel im Katalogverkauf oder im Retail, aber wenn man ein VAR ist, muss man die Lösung verkaufen. Wenn man das nicht macht, ist es das Ende des Geschäfts.



Schweigen ist Storage-Gold

ITR: Kommen wir noch zu Ciscos Storage-Plänen. Cisco hat vor ein paar Monaten seinen ersten kombinierten IP/Fibre Channel-Switch herausgebracht. Jetzt wird bald die Firma Andiamo integriert, und Sie gehen ins «Higher-end» der SAN-Switches. Wie stellen Sie sich den Aufbau eines Storage-Channels für Cisco vor?
EO: Darauf würde ich gerne antworten, aber ich kann es nicht, oder besser gesagt, ich darf es nicht. Wir sind jetzt noch mitten darin, eine Go-to-Market-Strategie auszuarbeiten, und wir müssen noch bestimmte Entscheidungen zuerst fällen. Wenn ich Sie jetzt darüber informiere, wie wir uns unser Vorgehen vorstellen, das wäre sehr gut – aber nicht für uns.
ITR: Aber vielleicht ganz grundsätzlich. Wird Cisco eher über den traditionellen Netzwerker-Channel, dem Cisco ja schon nahe ist, gehen, oder treten Sie auch an Storage-Spezialisten heran?
EO: Eine Kombination von beidem. Wir wissen jedenfalls sehr wohl, dass der Storage-Markt ein ganz spezieller Markt ist. (Interview: hjm)


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