Also, Copaco (Holland), Esprinet (Italien) und Westcoast haben sich in einer Allianz, der «European Wholesale Group» (EWG) verbündet. Die EWG mit Sitz in Hergiswil trägt die Rechtsform einer GmbH. Alle vier Partner sind zu gleichen Teilen beteiligt.
Als Präsident wurde mit Alex Sozonoff (Bild) ein Branchenveteran mit internationalem Renommee rekrutiert. Sozonoff blickt auf eine lange Karriere bei
HP zurück und ist noch heute Berater von HP-Chefin Carly Fiorina.
Ziel der EWG ist es, den Herstellern eine Alternative zu den drei multinationalen Konzernen
Actebis, Ingram und
Tech Data zu bieten. Die vier Partner bleiben dabei völlig unabhängig. Neue Verträge mit Herstellern werden nur abgeschlossen, wenn alle vier einverstanden sind, sagt Also-Chef Thomas Weissmann.
Handeln, bevor «es» passiert
Für lokale Distributoren wird die Luft dünn. Hersteller wie
HP, Cisco und
Microsoft wollen die Anzahl ihrer Grosshändler europaweit reduzieren, Preisunterschiede zwischen einzelnen Ländern verschwinden und der Druck von den «Paneuropäern» wie Ingram,
Tech Data und
Actebis wird grösser.
Allerdings sind lokale, gut geführte und klar fokussierte Distributoren heute immer noch ein mehrfaches profitabler als die drei europa- oder gar weltweit operierenden «Giganten» der Industrie. Doch der Beschluss von
Cisco, europaweit nur noch sieben Distributoren, darunter zwar Tech Data und Azlan, aber nicht
Also, direkt zu beliefern, scheint ein Warnschuss gewesen zu sein.
Bei den vier Partnern der EWG hat man die Zeichen der Zeit erkannt und versucht mit der Allianz den Herstellern eine Alternative zu den übermächtigen Multis zu bieten. Zumindest bei HP ist die Botschaft gut angekommen. «Also, Copaco, Esprinet und Westcoast sind in ihren jeweiligen nationalen Märkten unsere rentabelsten Partner. Ihre geballte Erfahrung und Innovation wird für HP einen starken Partner bilden», sagt Jos Brenkel, bei HP europaweit verantwortlich für das Geschäft mit Distributoren.
Kein Wasserkopf
Man weiss, dass Weissmann gar kein Anhänger von komplizierten, multinationalen Strukturen ist. Die anderen drei Partner scheinen es gleich zu halten. Die EWG wird keine «Dachorganisation» werden und ausser dem Präsidenten auch ohne Angestellte auskommen. Einzelne Projekte, zum Beispiel das Ausarbeiten eines Vertriebskonzeptes für einen Hersteller, will die Allianz jeweils an einen der vier Partner delegieren.
Die EWG soll gemäss Weissmann eine «virtuelle Organisation» werden. «Wir brauchen keine Projektmanager und wir brauchen auch nicht unzählige Meetings von Projektgruppen», unterstreicht der Also-Manager.
Interview
IT Reseller: Entstand die Idee zur EWG aufgrund von Ciscos Neuorganisation der Distribution? Keiner der vier Partner wird ja von
Cisco direkt beliefert...
Thomas Weissmann: Nein. Auslöser war die Fusion von
HP und Compaq. Für alle vier Partner macht HP nun einen grossen Teil des Geschäftes aus. Wir kennen uns schon lange und haben diskutiert, was die Fusion für uns bedeutet. So ist die Idee zur EWG entstanden. Vom Konzept bis zur Ausführung sind nur drei Monate vergangen, weil alle vier beteiligten Partner eben gleich denken.
Wir wollen die Vorteile eines national agierenden Marktführers mit einem paneuropäischen Volumen kombinieren, ohne uns die Nachteile einer riesigen Organisation einzuhandeln. Für den Hersteller macht es weder Sinn, nur zwei Distributoren zu haben, noch mit 100 Distis in ganz Europa verhandeln und Verträge abschliessen zu müssen.
Aber wir standen nicht unter Druck. Jeder von uns ist als Marktführer und effizientester Distributor ein bevorzugter Partner der Hersteller.
ITR: Was genau wird die EWG tun?
TW: Die EWG wird der Ansprechpartner für Hersteller sein. Wir wollen ihnen auf europäischer Ebene eine Distributions-Plattform bieten.
ITR: Werden Sie günstigere Einkaufspreise erzielen?
TW: Wir erwarten die gleichen Konditionen, wie sie die paneuropäischen Distributoren haben.
ITR: Wird die EWG versuchen, für die einzelnen Partner Synergien zu erzielen? Zum Beispiel über die gemeinsame Entwicklung von IT-Infrastruktur?
TW: Das wird von Fall zu Fall zu beurteilen sein. Wir werden sicher immer genau hinschauen, wo wir Kosten herausnehmen können. Wir sind schon die effizientesten Distis und wir schauen laufend, wo wir noch effizienter werden können. Primäres Ziel ist aber, die Kosten beim Hersteller zu reduzieren.
ITR: Werden weitere Distributoren zur Allianz stossen?
TW: Ich schliesse nicht aus, dass weitere Partner dazukommen. Aber wir werden sicher nicht einen ineffizienten Partner in die Allianz aufnehmen, nur um die geografische Abdeckung zu verbessern.
ITR: Was bedeutet die Allianz für Ihre Expansionspläne? Sie werden nun wohl kaum in die Region eines Partners vorstossen?
TW: Dieser Frage werden wir uns dann stellen, wenn sie aktuell ist. Ich schliesse nichts aus, denn heute ist es doch nicht aussergewöhnlich, dass sich zwei Firmen gleichzeitig konkurrenzieren und Partner sind. Wir sind in der Schweiz bekanntlich sowohl Konkurrent von
HP (mit
Also Comsyt – die Red.) wie auch Partner.
Sozonoff: «Es ist 5 vor 12»
Während Thomas Weissmann den Druck, der zur Allianz geführt hat, eher herunterspielt, schlägt Alex Sozonoff, als ehemaliger Chef von HPs Channel-Organisation sicher ein erfahrener Mann, dramatischere Töne an: «Es ist 5 vor 12!» Er sagt, drei Gründe hätten zur Gründung der EWG geführt.
Diese seien erstens der Druck seitens
Dell, zweitens immer höhere Ansprüche der Reseller und drittens der Zwang, weiter Kosten zu reduzieren. Reseller wollten, so Sozonoff, immer mehr und immer bessere Logistik-Dienstleistungen. Es gehe darum, möglichst viele Redundanzen aus der Lieferkette zu nehmen.
Sozonoff betont den «bottom-up»-Ansatz: «Die vier Partner sind sehr vorsichtig. Sie werden kein Monster bauen.» In der Zukunft winkt, so der ehemalige HP-Mann, eine europäische Firma. «In ferner Zukunft – ich werde es vielleicht nicht mehr erleben – wird es einen wirklichen Wirtschaftsraum Europa geben. Die EWG könnte dann zu einer echten europäische Firma werden.» Entscheidend sei aber, nie einen lokalen Erfolg zu Gunsten schierer Grösse in Gefahr zu bringen, betont Sozonoff. Ein Credo, in dem er sich mit Weissmann trifft. (hc)
«EWG»: Die Partner
In der «European Wholesale Group» (EWG) verbünden sich vier Distributoren, die in ihren Stammlanden je zu den profitabelsten und erfolgreichsten gehören. Neben
Also, die hier nicht mehr vorgestellt werden muss, sind dies je ein Disti aus den Niederlanden, Italien und Grossbritannien. Zusammen decken die vier acht Märkte ab: Schweiz, Österreich, Deutschland, Holland, Belgien, Grossbritannien und Irland sowie Italien.Zusammen setzen die vier Partner 2,5 Milliarden Euro mit etwa 1400 Mitarbeitenden und 35’000 Resellern um.
Copaco: Gegründet 1981, aktiv in Holland und Belgien. Ca. 300 Mitarbeitende. Börsenkotiert. Umsatz ca. 400 Mio. Euro.
Esprinet: Nach eigenen Angaben Marktführer in Italien. Entstand aus dem Zusammenschluss von drei Distributoren. Ausgeprägter Broadliner (160 Lieferanten). Umsatz ca. 850 Mio. Euro.
Westcoast: Gegründet 1984. Strikt auf Distribution fokussiert. In Privatbesitz von CEO Joe Hemani. Umsatz ca. 200 Mio. Euro. Aktiv in Grossbritannien und Irland.
Geschickter Schachzug
Von Druck, der zur Bildung der paneuropäischen Distributoren-Allianz geführt hat, will keiner reden. Die EWR sei aus einer Position der Stärke heraus gegründet worden, wird allenthalben betont. Und Thomas Weissmann mag die Argumentation mit den «Economies of Scale» nicht hören, sondern betont Effizienz, Schnelligkeit und schlanke, billige Strukturen.
Effizienz hin, (viel) höhere Umsatzrenditen der «Lokalmatadoren» her: Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Gründung der «EWG» eben doch mit «kritischer Masse» zu tun hat. Distribution ist ein Rappenspalter-Geschäft, und wer in Zukunft ausserhalb einer Nische überleben will, muss Einkaufsmacht in die Waagschale werfen können. Falls die Hersteller das lockere Bündnis als Gesprächspartner akzeptieren, wird sich die EWG als äusserst geschickter Schachzug herausstellen. Mit
HP ist der wichtigste Lieferant bereits an Bord.
Doch es bleiben zwei Fragezeichen. Wie gut werden die vier ausgeprägten Charaktere an der Spitze der Bündnisgenossen harmonieren? Und: Was passiert, wenn
Ingram Micro und
Tech Data es tatsächlich schaffen, europaweite Strukturen im Backoffice zu bilden und damit einen weiteren Rationalisierungsschub auslösen?
Christoph Hugenschmidt