HP im Kritikregen

Welche Auswirkungen hatte der Merger von HP und Compaq auf den Channel? IT Reseller hat über 150 Reseller befragt. Hier die wichtigsten Erkenntnisse.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2003/03

   

Seit nunmehr acht Monaten ist die Fusion von HP und Compaq Tatsache. Im Vorfeld der Fusion wurde kräftig spekuliert, was der Merger für den Channel bedeutet. IT Reseller wollte es genau wissen und hat vierzehn brennende Fragen aus den Bereichen Produkte, Channel und Markt an über 150 Reseller gestellt.

Die Produkte: Kritik an der Verfügbarkeit

Die Qualität der HP-Produkte scheint unter der Fusion nur wenig gelitten zu haben. Die grosse Mehrheit (81,8%) der Reseller konstatiert eine gleichbleibende Qualität. Doch es gibt auch kritische Stimmen. «HP Server, PCs und Notebooks waren besser», sagt Urs Bühler, CEO Belsoft. Besonders bedauert wird von vielen, dass HPs «Omnibook»-Notebooks durch Compaqs «Evo»-Linie ersetzt wurden.
Weitaus schlechter fallen die Antworten auf die Frage nach der Produkteverfügbarkeit aus: Fast die Hälfte (41,2%) der Befragten ist der Meinung, diese sei schlechter als vor der Fusion, kein einziger findet die Verfügbarkeit besser. So gäbe es beispielsweise lange Wartezeiten auf Add-on’s, Aktionsgeräte seien nicht mehr lieferbar, und durch den ständigen Wechsel der Produkte sei der Channel überfordert und Kunden würden verärgert, wird kritisiert. «Die Supply Chain haben auch die HP-ler nicht im Griff», bemerkt Thomas Riesen, CEO Predata.
Gemischte Stimmen sind zur Innovationskraft von «New HP» zu hören. Knapp zwei Drittel (60,6%) finden, es sei alles beim alten geblieben. 9,1% sehen eine Verbesserung, aber das übrige Drittel ist von den HP-Innovationen enttäuscht: «Sehr viele innovative Technologien wurden durch ältere oder verbreiterte ersetzt», kritisiert Daniel Altmann, Sales Manager Belsoft. Hingegen hat sich die Konkurrenzfähigkeit der Produkte für 29,4% verbessert, nur 20,6% meinen, sie sei schlechter geworden, und für 50% ist sie gleich geblieben.
Sicher kommt es in diesem Punkt auch auf das Kundensegment an, in dem ein Reseller aktiv ist. So spüren manche Reseller beispielsweise im KMU-Umfeld Dell nicht mehr als starke Konkurrenz, für andere ist der Kampf noch immer «knallhart». «Bei einzelnen kleineren Projekten ist man flexibler geworden. Jedoch ist man bei grossen Ausschreibungen (z.B. Post), wo Dell unter Einstandspreis offeriert, weiterhin chancenlos», so Markus Amrein, Direktor IT-Services, Bison Systems. «HP ist nicht bereit, Projekte um jeden Preis zu kaufen, was unserer Meinung nach in Ordnung ist», fährt Amrein fort.

Weniger Marge, Kritik an der Information

Dass die Margen schlechter geworden sind, ist ein offenes Geheimnis. Das bestätigt mit 69,7% die Mehrheit der Umfrageteilnehmer. «Die Margen werden auf Kosten der Fachhändler zusammengestrichen», heisst es mehrfach. Die Betreuung und Information des Channels scheint die neue HP noch nicht im Griff zu haben und gibt teilweise zu massiver Kritik Anlass: «Keine klaren Informationen zu Produktlinien bzw. zu Entscheiden, d.h. keine Begründung, warum so entschieden wurde», sagt Urs Bühler, CEO Belsoft.
«Informationen lassen sich auf dem Web zum Teil nur schwer herausfinden, sogar im Commodity-Bereich», lautet die Kritik von Guido Markowitsch, CEO der Basler WMC. Das Fazit von Thomas Riesen, dem Chef der Thuner Predata, sollte HP zu denken geben: «Das Zusammenführen der beiden Datenbanken (HP + Compaq) ist voll in die Hosen gegangen. Als langjähriger Compaq-Partner sollte man plötzlich Angaben über die Firma und deren Tätigkeiten liefern, Einladungen zu Meetings blieben irgendwo hängen. Von der letzten D-Day-Aktion haben wir erst aus der Presse (Inserat) erfahren.»
Die Kritik an der mangelnden Betreuung richtet sich vor allem an die HP Personal Systems Group (PSG), jenen Bereich, der von der Fusion am stärksten durchgeschüttelt wurde. Manche Reseller monieren oft wechselnde Ansprechpartner und dürftige Channel-Informationen. Zudem trete HP ziemlich «ignorant und arrogant» auf. Es gibt aber auch positive Erfahrungen: «Endlich meldet sich mal jemand und nimmt sich der Probleme/Fragen an», sagt Jürg Schweizer, Geschäftsleiter von Kanyon Systems. Im Grossen und Ganzen würde man merken, dass «daran gearbeitet werde und die Betreuung des Channels jetzt sogar besser werden könnte».
Durch die Fusion ist die Zahl der HP-Partner auf einen Schlag massiv gewachsen. Das drückt sich in stärkerer Konkurrenz durch «Auch-HP-Reseller» aus, führen immerhin 35,3% der Schweizer Reseller an. Vor allem HP selbst werde für den Kanal langsam zur grossen Konkurrenz, sagen manche.

HP-Marketing wird gelobt

Bessere Noten gibt es für das HP-Endkunden-Marketing. Für 57,6% der Befragten hat es sich zumindest nicht verschlechtert, 18,2% schätzen es gar als besser ein. Trotzdem findet fast ein Viertel (24,2%), das Marketing sei schlechter geworden. Es gäbe zwar viele gute Einzelaktionen, die aber sehr schlecht koordiniert seien. Immer wieder wird kritisiert, dass es nach Empfinden der Kunden zu aggressiv sei.
Zudem ist der Channel durch die verstärkte Werbung für den Direktverkauf verunsichert. Auch das Image von HP im Markt hat laut 25% der Umfrageteilnehmer gelitten. So herrsche beispielsweise Verwirrung bezüglich Produktnamen und Hersteller, einige HP-Produkte seien einfach verschwunden, und überall prange noch das Compaq-Label auf den Produkten. Viele Kunden würden deshalb auf andere Plattformen wechseln.

Trotz alledem: HP-Channel bleibt treu

Trotz der teilweise massiven Kritik am momentanen Zustand beurteilt die Mehrheit die Fusion als positiv (33,3%) oder zumindest neutral (36,4%). 37,5% sind deshalb auch der Meinung, dass die Fusion langfristig gesehen richtig war, für 50% wiegen sich zumindest die Vor- und Nachteile auf. Nur ein gutes Drittel der befragten HP-Reseller, nämlich 35,2%, will die Zusammenarbeit mit anderen Herstellern verstärken, um sich von der Abhängigkeit von HP zu lösen.
Trotzdem gestehen auch grosse und treue HP-Partner ein, sich seit der Fusion vermehrt «links und rechts umzuschauen». Aber der Channel bleibt treu: Ganze 64,6% wollen nämlich weiterhin voll auf HP (oder Ex-Compaq) setzen. Auch wenn vieles noch im Chaos zu versinken scheint, die Mehrheit der Händler gewährt «New HP» eine Gnadenfrist und hofft darauf, dass sich mit der Zeit alles einpendeln werde. Wie sagte ein Reseller so treffend: «Es ist fast wie beim Militär. Irgendwo läuft eine Übung, keiner weiss was Genaues, und alle warten, dass was passiert.»
Die Stellungnahme von HP Schweiz zu der IT Reseller-Channel-Umfrage lesen Sie exklusiv in der kommenden Ausgabe von IT Reseller (erscheint am 3.3.2003). (sk)

14 Fragen an den HP-Channel


Welche Auswirkungen hatte die Übernahme auf:

1. die Qualität der HP-Produkte
2. die Verfügbarkeit der HP-Produkte
3. die Innovationskraft von HP
4. die Konkurrenzfähigkeit der HP-Produkte (v.a. gegenüber Dell)
5. die Handelsmarge für HP-Produkte
6. die Information der Channel-Partner durch HP
7. die Betreuung der Channel-Partner
8. das Endkunden-Marketing von HP
9. das Image von HP bei den Endkunden
10. die Konkurrenz durch Auch-HP-Reseller
11. Wie beurteilen Sie die Fusion generell?
12. Haben Sie die Zusammenarbeit mit weiteren Herstellern verstärkt?
13. War die Fusion langfristig gesehen richtig?
14. Welche sind Ihre wichtigsten Erfahrungen mit der Fusion?
Wir haben ca. 150 HP-Resellern diese 14 Fragen zu den Auswirkungen der
HP-Compaq-Übernahme gestellt. Über 40 Reseller haben sich die Zeit genommen, unsere E-Mail-Umfrage zu beantworten. Vielen Dank!


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