Verlustrisiko Kundenkonkurs

Unternehmen riskieren oft ihre Existenz, weil die Gefahr von Kundenkonkursen unterschätzt wird. Bereits ein richtiges Mahnwesen kann das Risiko erheblich senken.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2003/09

     

Kunden sind die Existenzvoraussetzung eines Unternehmens – ohne Kunden kein Geschäft! Dem stimmt man sofort zu. Kunden können ein Unternehmen aber auch die Existenz kosten. Und zwar dann, wenn sie die Rechnungen für erbrachte Lieferungen oder Leistungen nicht zahlen können.
Spektakuläre Unternehmenszusammenbrüche wie Swiss Dairy Food oder Swissair haben ein Schlaglicht auf das Problem geworfen. Hunderte von Lieferanten waren durch die Zahlungsunfähigkeit des Hauptkunden plötzlich in der eigenen Existenz bedroht. Das waren keine Sonderfälle. Zahlungsausfälle oder verspätete Zahlungen von Kunden werden seit Jahren als häufigste Ursache für eigene Liquiditätsengpässe und Firmenkonkurse genannt.

Drastischer Anstieg der Konkurse

Das Debitorenrisiko wird nach wie vor unterschätzt – möglicherweise die Folge davon, dass es in der Schweiz viele Jahre lang wenig Konkurse gab und vor allem auch kaum je grosse Konzerne pleite gingen. Seit 2002 nehmen die Firmenkonkurse aber wieder deutlich zu (+10% gegenüber 2001, Quelle: Creditreform).
Und es ist mit einer weiteren erheblichen Zunahme zu rechnen, denn ein Ende der Wirtschaftsflaute ist vorläufig nicht absehbar. Hinzu kommt, dass die Zahl der Konkurse in den wichtigsten europäischen Exportmärkten zum Teil dramatisch hoch ist.
Allen voran in Deutschland, dem wichtigsten Exportmarkt der Schweiz, ist die Entwicklung
der Firmenkonkurse katastrophal: 37’700 im Jahr 2002 gegenüber 27’930 im Jahr 2000 (Quelle: Credit-reform). Auch hier ist eine Erholung nicht in Sicht. Damit bleibt das Debitorenrisiko hoch. Die Gefahren für das eigene Unternehmen verlangen deshalb höchste Aufmerksamkeit.

Was müssen Unternehmen tun, um sich wirksam zu schützen?

1. Für Transparenz sorgen: Das Risiko in den Griff bekommen.
2. Eine Risikokultur schaffen.
3. Für unvorhersehbare Fälle vorsorgen.

Risiko in den Griff bekommen

An Software-Unterstützung für das Debitorenmanagement sollte es heute eigentlich nirgendwo mehr mangeln. Dazu gehört die automatische Überwachung von Kreditlimiten und eine 30/60/90-Tage-Overdue-Auswertung.
Trotz aller Informatik-Unterstützung fehlt es aber erschreckend häufig an ganz elementaren Dingen wie richtiger und unverzüglicher Rechnungs- und Gutschriftenerstellung sowie raschem und konsequentem Mahnen. Versäumnisse in diesem Bereich führen zu einem langsamen Zahlungseingang, zu einem Aufblähen der offenen Forderungen und damit zu erhöhtem Risiko.
Das wichtigste Überwachungsinstrument ist die Offene-Posten-Liste. Konzentrationen und überfällige Positionen fallen sofort auf. Die OP-Liste muss mindestens wöchentlich vom Finanzchef analysiert werden. Bonitätsprüfung ist in vielen Unternehmen geradezu ein Fremdwort.
Während sich Banken vor Gewährung einer Kreditlinie von auch nur 100’000 Franken die Bilanzen der letzten drei Geschäftsjahre vorlegen lassen und häufig auch noch Sicherheiten verlangen, gewähren Unternehmen ihren Kunden Lieferantenkredite meist ohne auch nur minimale Informationen über die finanzielle Situation des Kunden, geschweige denn Sicherheiten zu haben. Nur wer griffige Instrumente zur Überwachung der Kundenforderungen hat und mit diesen auch umzugehen weiss, kann das Debitorenrisiko in den Griff bekommen.

Risikokultur schaffen

Erschütternd häufig versäumen die Verantwortlichen in den Firmen aber, die sich aus den Auswertungen aufdrängenden Massnahmen auch tatsächlich zu ergreifen. Die Erfahrung zeigt, dass die schlimmsten Debitorenverluste entstehen, weil die eigenen internen Richtlinien nicht beachtet und sämtliche Warnsignale missachtet wurden. Nur eine strikte Definition der Verantwortlichkeiten kann dieses Problem lösen.
Die Finanzabteilung ist für den Zahlungseingang verantwortlich, die Verkaufsabteilung für den Verkauf. Es ist nichts dagegen zu sagen, wenn die Verkäufer beim Inkasso behilflich sind - im Gegenteil. Aber die Verkäufer dürfen sich nicht ins Mahnwesen einmischen.
Einem Kunden in einer schwierigen finanziellen Situation unter die Arme zu greifen, ist an sich eine löbliche Tat, die zudem die Kundenbindung erhöht. Man muss sich solches Entgegenkommen aber leisten können und ausserdem nebst allen greifbaren Sicherheiten die volle Transparenz über die tatsächliche Lage haben. Wer nur den Kopf in den Sand steckt und hofft, der Kunde werde schon irgendwann bezahlen, wird sein Geld nie bekommen.

Vorsorge für unvorhersehbare Fälle

Selbst das beste Debitorenmanagement bietet keinen hundertprozentigen Schutz gegen Debitorenverluste. Der typische Kundenkonkurs kommt heute plötzlich und zeichnet sich nicht vorher ab. Für die unvorhersehbaren (wie im übrigen natürlich erst recht für die erkennbaren) Fälle muss man Vorsorge treffen.
Eine zuverlässige Vorsorge bietet die sogenannte Debitoren- oder Kreditversicherung, die von speziellen Kreditversicherungsgesellschaften angeboten wird. Hierbei ersetzt der Versicherer dem Versicherungsnehmer erlittene Ausfälle an Forderungen aus Lieferungen und Leistungen. Versicherbar sind standardmässig Forderung mit einem Zahlungsziel von maximal 180 Tagen, bei Investitionsgütern bis 5 Jahre.
Die Kreditversicherung setzt allerdings viel früher ein als erst mit der Schadenzahlung. Der Kreditversicherer untersucht sachkundig und professionell die finanzielle Lage des Abnehmers und setzt dann eine Versicherungssumme fest. Während der gesamten Vertragslaufzeit überwacht der Versicherer den oder die Abnehmer permanent. Falls eine Verschlechterung eintritt, informiert der Versicherer den Lieferanten sofort.
Damit kann dieser schnell reagieren, und Forderungsausfälle können abgewendet werden. Folglich kann man den Kreditversicherer auch als externen Debitorenmanager betrachten. Er übernimmt die Beschaffung und laufende Aktualisierung der Bonitätsinformationen sowie deren Auswertung und die Umsetzung in die Kreditlimite.
Wird ein Kunde zahlungsunfähig, entschädigt der Versicherer den Forderungsausfall schnell. So bleibt der Lieferant liquide. Entschädigt werden je nach individueller Vertragsgestaltung bis zu 90% der Forderung. Den Rest trägt der Lieferant selbst.
In der Schweiz wird die Kreditversicherung noch weit weniger genutzt als in den umliegenden Ländern. In Deutschland, Österreich und Frankreich läuft heute kaum noch ein Geschäft ohne Kreditversicherungsdeckung. Angesichts der Vielzahl von und aufgrund mangelnder Erfahrung mit Kreditversicherungen, empfiehlt sich auch, einen Spezialbroker beizuziehen. Debitorenverluste sind kein nur vorübergehendes konjunkturelles Problem, sondern eine nachhaltig ernst zu nehmende Bedrohung für jedes Unternehmen.
Der Autor
Beat Waldvogel ist beim Winterthurer Broker für Debitorenabsicherung und -finanzierung Schepers & Partner für den Verkauf Schweiz verantwortlich.


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