Internet aus der Wasserleitung

An der Internet Expo präsentieren sieben Stadt- und Gemeindewerke der Vertriebspartnerschaft Swisspower ihre Telekom-Dienstleistungen – «für Geschäftskunden mit grossem Bandbreitenbedarf», wie es heisst.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2004/02

     

Seit der Liberalisierung des Fernmeldewesens haben Stadtwerke in der ganzen Schweiz in den Bau eigener Glasfasernetze investiert. «Nachdem wir grünes Licht von der Geschäftsleitung für Investitionen in ein High-Speed-City-Netz bekommen hatten, haben wir im April 2003 mit der Umsetzung begonnen», erzählt Roland Bärtschi, Leiter der Abteilung Telekommunikation von Energie Wasser Bern (EWB).
Seit Januar dieses Jahres ist das neue Netz in Betrieb. Jetzt will EWB gezielt auf Kundensuche gehen, um die neu geschaffenen Kapazitäten auch auslasten zu können.
Bei den Stadtwerken herrscht sprichwörtlich Goldgräberstimmung: Am 13. Januar hat jetzt auch der Regierungsrat der Stadt Basel beim Grossen Rat Rahmenkredite über 14 Mio. Franken für den Aufbau einer Telekom-Infrastruktur beantragt. Das bestehende betriebliche Signalkabelnetz soll schrittweise von Kupfer- auf Glasfaserkabel umgerüstet werden. Für den Ausbau stehen Lehrrohre entlang der Elektrizitäts-Trassen zur Verfügung.
Hier zeigt sich der Wettbewerbsvorteil der Stadtwerke: Aufgrund ihres öffentlichen Versorgungsauftrags verfügen sie bereits über Trassen in den Städten und somit direkte Verbindungen in jede Firma und jedes Wohnhaus. Andere Anbieter haben die Wahl: Entweder, sie vergraben eigene Leitungen oder sie mieten sich in den Trassen der Stadtwerke ein.
Die Politik hat diese Entwicklung vorausgesehen und anlässlich der Liberalisierung in vielen Städten verlangt, dass die städtischen E-Werke den privaten Anbietern wie Colt oder Worldcom beim Aufbau ihrer City-Ringe so gut wie nur möglich behilflich sein sollen, um den Wettbewerb schneller in Gang zu bringen.

Von Infrastruktur bis Dienstleistungen

Die Angebote der grössten Schweizer Stadtwerke im Telekom-Umfeld sind heute mehrheitlich auf die Vermietung von Infrastruktur ausgerichtet – auch «Dark Fibre» genannt. Doch in zunehmendem Mass werden sie jetzt durch Dienstleistungen für Endkunden ergänzt und ausgebaut.
Bis es allerdings so weit ist, sehen Konkurrenten wie Colt gerade bei diesen «hochwertigen» Leistungen ihren Vorteil: «Die Anstrengungen der Stadtwerke bedeuten auf der einen Seite einen verschärften Wettbewerb im Infrastruktur-Bereich», sagt Luzius von Salis, Marketing-Manager von Colt Schweiz.
Die Kunden von Colt würden allerdings Managed Services verlangen: «Diese anzubieten erfordert viel Telekom- und operatives Know-how – und das fehlt den Stadtwerken», so von Salis. Deshalb glaubt er, dass sich die Kundschaft auch in Zukunft entsprechend segmentieren wird: In Infrastruktur- und Dienstleistungs-Nachfrager.
Diese Sicht der Dinge vertritt auch Gerhard Schürch (Bild), Product Manager Telecom beim Elektrizitätswerk Zürich (EWZ): «Wir sind eindeutig im Transport von Daten tätig und übernehmen für andere Anbieter die lokale Erschliessung», so Schürch.
Für Sepp Huber, Mediensprecher von Swisscom, ist der Markteintritt von immer mehr Stadtwerken in den lukrativen Telekom-Markt der Beweis dafür, dass es in der Schweiz einen Infrastruktur-Wettbewerb gibt: «Jetzt intensiviert sich genau die Entwicklung, auf die wir schon länger hinweisen», meint Huber.
Grundsätzlich beurteile Swisscom dies positiv: «Diese Entwicklung entkräftet die Argumente jener, die eine Liberalisierung auf der letzten Meile fordern». Colt-Mann von Salis ist anderer Meinung: «Das stimmt einfach nicht, denn der Wettbewerb über die letzte Meile spielt ja gerade bei Privat- und Kleinkunden noch nicht richtig, sondern nur bei grossen Unternehmen, die sich einen direkten Glasfaseranschluss leisten können», sagt er zu IT Reseller.
Und Schürch ergänzt: «Falls der politische Entscheid darüber fallen würde, wäre es durchaus denkbar, dass im Sinne unseres Versorgungsauftrages jedes Haus neben Strom, Wasser und Gas auch mit Daten versorgt würde», meint er. In einem solchen Fall würden die Stadtwerke diese neu geschaffene letzte Meile natürlich auch der Swisscom zur Verfügung stellen.
«Ob Swisscom wie jetzt ihre Leitungen von der Tochtergesellschaft Cablex bauen lässt oder sich bei uns einkauft, wäre doch irrelevant. Das Verlegen von Kabeln gehört auf alle Fälle nicht zum Kerngeschäft der Swisscom», so Schürch.

Glasfaserleitungen aus Steuergeldern?

Dass Swisscom die Telekom-Anstrengungen der Stadtwerke keinesfalls auf die leichte Schulter nimmt, zeigt auch ein weiterer Einwand von Mediensprecher Huber: «Elektrizitäts- und Wasserwerke sind keine privaten Firmen. Das Telekom-Angebot wird aus monopolistischen Quellen quersubventioniert», wettert er.
Dagegen wehrt sich Schürch vom EWZ: «Unsere Telecom-Services müssen in sich selber rentabel sein, sonst dürften wir sie als städtisches Werk gar nicht erbringen», sagt er. Käme es allerdings zu einem politischen Auftrag für eine allgemeine Erschliessung der letzten Meile mit Glasfaserkabeln, bräuchte es darüber eine Gemeindeabstimmung und einen entsprechenden Kredit.
Lachende Dritte im Spiel der Fasern sind mit Sicherheit die Netzwerkanbieter Cisco, Nortel und Alcatel. Mit deren Gerätschaft werden nämlich die neuen City-Netze gebaut. Heute scheint dies einfacher zu gehen als noch vor zwei Jahren, denn seit dem Ende des Booms hätten sich sowohl Verfügbarkeit der optischen Switches als auch deren Preise massiv verbessert, wie Schürch vom EWZ erzählt: «Heute bezahlen wir weniger Geld für Geräte mit bedeutend höherer Leistung», sagt er. Bleibt zu hoffen, dass auch die Endkunden davon profitieren werden. (bor)


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