Im aufstrebenden Markt für IP-Telefonie sieht sich Tenovis gut gerüstet, um ein gewichtiges Wörtchen mitreden zu können. Gemäss CEO David Winn ist sein Unternehmen im deutschen Markt für Voice over IP (VoIP) marktführend.
Tenovis trat im Frühjahr 2000 auf den Plan. Damals wurde die Geschäftseinheit Private Netze der Bosch Telekom von der US-Investmentfirma KKR aus dem deutschen Traditionsunternehmen herausgekauft. Tenovis bedient gemäss eigenen Angaben 200’000 Kunden, und der Umsatz verharrt seit dem Buy-out praktisch unverändert bei rund einer Milliarde Euro pro Jahr.
Die Mitarbeiterzahl ist von ursprünglich rund 9000 um ein Drittel auf mittlerweile rund 6000 abgebaut worden. «Wir sind schlanker und wendiger geworden», fasst David Winn diese Entwicklung zusammen.
Tenovis verfolgt einen streng konvergenten Ansatz. Die Kunden seien besser bedient mit einer sanften Migration, da sie die bestehende Infrastruktur weiterhin nutzen können. Im Kontakt mit den Kunden stellt Winn gegenüber dem Thema IP-Telefonie nach wie vor ein grosse Verunsicherung fest. Teils gehe es zuerst um das Prestige und die Angst, der Informatikchef könnte eine Fehlentscheidung fällen und eine wichtige Entwicklung verpassen.
An der Cebit, wo IT Reseller Gelegenheit hatte, das Interview mit David Winn zu führen, war die Firma mit ihren neuesten Produkten vertreten. Mit neuen gehosteten Lösungen versucht Tenovis insbesondere mittelständische Unternehmen für seine Technologien zu gewinnen – ein Markt mit Wachstumspotential.
IT Reseller: Wie erklären Sie sich, dass der Voice over IP-Markt nur allmählich in Fahrt kommt?
David Winn: Es dauert immer länger, als man meint. Bei ISDN dachte man vor 15 Jahren ebenfalls, alle Leute würden sofort ihre analogen Installationen ersetzen – es hat zehn Jahre gedauert, obwohl die Vorteile eindeutig waren.
Bei VoIP sind die Vorteile gegenüber ISDN teilweise eher fragwürdig. VoIP macht vor allem für die Anbindung von Niederlassungen Sinn, innerhalb eines Firmengeländes oder eines einzelnen Gebäudes hingegen nicht. Dann kam natürlich auch noch der ganze Hype in der Branche hinzu.
Gehen Sie denn mit den Marktforschern von IDC einig, die bis 2007 mit einem jährlichen Wachstum von 44% in der IP-Telefonie rechnen?
Der Hype geht weiter. Der IP-Markt für sich wird wachsen, da bestehende Infrastrukturen ersetzt werden. Das heisst jedoch nicht, dass der Gesamtmarkt wachsen wird, denn die Umsätze mit traditionellen Telefonielösungen sinken, während jene mit IP-Telefonieprodukten zunehmen werden.
Diese 44% von IDC beziehen sich zudem auf eine ganz kleine Basis. Ich habe gerade mit Analysten darüber gesprochen, wie hoch der Anteil der IP-Telefonie in Europa ist. Wir schätzen, dass er heute weniger als 5% ausmacht und das Volumen sich deshalb nur langsam vergrössert.
Wurde Tenovis Ihrer Meinung nach zu früh aus der Bosch-Gruppe herausgekauft, vor allem wenn man bedenkt, wie sich der Markt entwickelt hat und wo Tenovis heute steht?
Aus Sicht von Bosch kann das sein. Die Branche wird erst jetzt interessant und aufregend. Nach Jahren der grossen Umstrukturierungen und der dazugehörigen Verluste sind wir 2003 in der Gewinnzone angelangt und konnten eine schwarze Null schreiben. Das heisst, wir haben den Turnaround geschafft trotz furchtbarer Marktumstände.
Und obwohl der Umsatz bei Tenovis über die ganze Zeit in etwa gleich geblieben ist?
Ja, denn wir haben auf der Kostenseite die internen Prozesse abgespeckt. Wir sind schlanker und wendiger geworden. Das war auch die richtige Entscheidung in einem Markt, der nicht wächst. Erschwerend kommt ja noch hinzu, dass die Preise nie wieder in die Höhe klettern, sondern vielmehr weiter sinken werden.
Welche weiteren Herausforderungen bestehen in diesem Markt sonst noch?
Historisch betrachtet ist die Telekom-Branche immer schon sehr komplex gewesen, nur schon mit dem Mietgeschäft und dem indirekten Vertrieb. Die Versuchung liegt nahe, die internen Prozesse in dieser Komplexität zu belassen.
Wir versuchen genau das Gegenteil zu tun. Hier bietet sich für uns die Chance, auf operativem Niveau sehr effizient zu arbeiten und besser zu sein als unsere Konkurrenten. Im PC-Bereich gibt es hier ein Beispiel, das alle anderen geschlagen hat:
Dell. Die Gegebenheiten sind dieselben.
Sie wollen also in punkto Effizienz zum Michael Dell der IP-Telefonie werden?
Das könnte man so sagen. Es ist aber ein wenig komplizierter, da wir gleichzeitig auch komplexe Lösungen, wie sie IP-Telefonie-Lösungen nun einmal sind, beherrschen wollen. Man könnte es also auf die Formel bringen, dass wir die interne Komplexität vereinfachen wollen, um die externe Komplexität besser beherrschen zu können.
Wie sprechen Kunden auf IP-Telefonie-Projekte an?
Meistens liegt ein IP-Telefonie-Projekt in der Luft. IP ist auf dem Vormarsch, und jeder CIO (Chief Information Officer) denkt, er müsse das irgendwie haben.
Geht es also nur um Prestige?
Ja, Prestige vielleicht oder die Unsicherheit, er könnte eine Fehlentscheidung fällen. Das ist meistens der erste Eindruck, den wir haben. Dann kommt die Einsicht beim Kunden, dass es Sinn macht, eine gemischte Umgebung aufzubauen, damit man nicht die bestehende Infrastruktur wegwerfen muss.
Welche Rolle spielt das Partnernetz für Tenovis?
Die Partner sind sehr wichtig. Wir sind gerade dabei, hier unsere Strategie zu verfeinern und den Schwerpunkt noch mehr in Richtung unserer Partner zu verschieben. Ich war kürzlich in Zürich und habe mit unserer Mannschaft besprochen, wie wir das Netz noch besser entwickeln können, damit wir für neue Partner eine grosse Anziehungskraft haben.
Wir wollen auch feststellen, ob wir die richtigen Partner haben und wo wir zuviel und wo zuwenig haben. Wir werden in den nächsten paar Monaten mehr zum neuen Programm sagen können.
Welche Bedeutung haben Internet Service Provider für Tenovis als Partner?
Solche Firmen sind für uns attraktiv als Partner. Wir sind in Gesprächen mit verschiedenen ISPs in Europa, mit wem darf ich allerdings noch nicht sagen. Zudem sind wir auch mit Carrier-Firmen, also nicht etwa mit der
Swisscom, sondern alternativen Carrier-Unternehmen im Gespräch.
Wann werden Sie hier Ihre Pläne näher vorstellen?
Wir werden selbstverständlich erst an die Öffentlichkeit gehen, wenn wir die Verträge abgeschlossen haben. Zu sagen, wir seien gerade dabei eine solche Ankündigung zu machen, wäre nicht richtig. Wir untersuchen aber solche Modelle und sind guter Dinge, dass wir damit schliesslich Erfolg haben werden.
(Interview: map)