HPs erschreckende Erkenntnisse

Der Umsatzverlust von 400 Mio. Dollar im europäischen Storage- und Serverbereich ist auf Fehlkalkulationen bei den Partnerkompensationen zurückzuführen. Und: Das Graumarkt-Problem löst HP vor Gericht. Drei Schweizer Partner müssen vor den Kadi.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2004/16

     

Kaum zu glauben, aber wahr: Die Schwierigkeiten der Enterprise Server und Storage Group (ESS), die HP-Chefin Carly Fiorina im Juli im Zusammenhang mit der anstehenden Präsentation der Quartalszahlen mit «Channel Issues» vielsagend umschrieb, sind nichts anderes als ein Fehler bei den Berechnungen von Rückvergütungen (Pay for Results) an die Partner. Fiorina musste damals feststellen, dass ESS nicht nur fünf Prozent weniger Umsatz machte, sondern allein in den Monaten Mai bis Juli dem Konzern einen Verlust von 208 Millionen Dollar bescherte. Bei einer Änderung der Berechnungsgrundlagen von Partner-Rückvergütungen unterlief dem Hersteller ein peinlicher und äusserst folgenschwerer Patzer: Beim Wechsel der Kalkulationsbasis von Netto- auf Listenpreis schlichen sich Fehler im Berechnungssystem der Kompensationen ein. HP hätte eigentlich die Rückvergütungen an die Partner gleich gross wie bisher halten wollen. Doch wegen der läppischen Fehler im Berechnungsprogramm kam es ganz anders: Der Umsatz schrumpfte um sage und schreibe 400 Millionen Dollar und der Gewinn in Europa sank aufgrund der Tatsache, dass wegen mangelnder Verfügbarkeit Bestellungen per Flugfracht geliefert werden mussten, um 275 Millionen Dollar.
Da die Rückvergütungen an die Partner jeweils pro Quartal vereinbart werden, muss nun HP noch bis Ende Oktober bluten – dann erst endet das laufende Geschäftsquartal des Computerriesen.

Das Problem mit den Graumärkten

HP hat aber noch mit ganz anderen Problemen zu kämpfen: Immer öfter kommt es vor, dass Partner beim Hersteller Spezialkonditionen verlangen, obwohl sie gar nicht über entsprechend grosse Deals verfügen. Die schon letztes Jahr angekündigte «End User Verification» wird nun seit Februar auch in der Schweiz vollzogen – mit ersten Konsequenzen für Partner, wie Andrej Golob, General Manager Personal Systems Group, zu IT Reseller sagte: «Wir haben grösste Probleme in der Bekämpfung des Graumarktes, denn gewisse Partner treiben Missbrauch mit Spezialkonditionen für grössere Mengen.» Offenbar gibt es laut Golob Partner, die nicht nur für andere Partner, sondern sogar für Broker-Firmen einkaufen.
Seit Februar muss nun ein Partner bei grösseren Einkäufen die Karten auf den Tisch legen: HP will bei jedem grösseren Deal wissen, wer der Endkunde ist, respektive ob überhaupt ein entsprechendes Projekt vorliegt. Der Partner muss HP den Namen des Endkunden, das Volumen des Deals und das Lieferdatum bekanntgeben. «Es ist unseren Mitarbeitern verboten, Spezialkonditionen abzugeben ohne zu wissen, ob ein konkreter Kundenauftrag existiert. Ausserdem sind bei grösseren Deals sowieso meistens HP-Leute involviert», so Golob weiter. Darüber hinaus will er mittels Stichproben die Kontrolle verbessern, indem der vom Endkunden unterschriebene Lieferschein vorgelegt werden muss.

Schweizer Partner vor Gericht

Golob hat vor allem das Augenmerk auf grosse Partner mit grossen Einkäufen: «Wenn es sich nur um ein paar Tausend Franken handelt, machen wir daraus kein Aufsehen. Doch leider gibt es bereits drei Fälle, in denen wir mit Partnern vor Gericht müssen.» Die fehlbaren Firmen mag der HP-Mann nicht nennen, verrät aber, es handle sich um Summen von «mehreren hunderttausend bis mehrere Millionen Franken». In einem Fall konnte der Gang vor den Kadi verhindert werden: «Ein Partner zahlt uns nun mehrere hunderttausend Franken zurück, ohne dass ihn ein Richter dazu verknurren musste». (mh)


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