Microsoft erklärt sich

Die Vertrauenskrise zwischen Microsoft Business Solutions und den Partnern scheint Geschichte zu sein. Microsoft erklärt, wie es soweit kam, und erhält dafür im Gegenzug wieder positive Rückmeldungen von den Partnern.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2004/17

     

Microsoft Business Solutions hat das Vertrauen und die Geduld seiner Partner in diesem Jahr gleich mehrmals strapaziert. Zuerst hiess es Ende März, Microsoft Business Framework (MBF) werde bereits in der ersten Hälfte des Jahres 2005 auf den Markt kommen, zusammen mit der nächsten Version von Visual Studio .Net. Die Euphorie darüber, dass es mit dem Projekt für das Fundament für die neue Business-Software flott voran gehe, währte allerdings nicht lange: Anfang Mai sickerte durch, dass sich die Veröffentlichung um über ein Jahr verschieben werde. Es kam aber noch dicker.
Anfang Juni wurde ruchbar, dass Microsoft mit SAP Ende 2003 Übernahmegespräche aufgenommen hatte. Eine solche Fusion – wäre sie denn wettbewerbsrechtlich überhaupt möglich gewesen – hätte alle ERP-Pläne von Microsoft abermals über den Haufen geworfen. So mancher Partner fühlte sich durch diese Entwicklungen verunsichert.

Zwei konkurrenzierende Partnergruppen

Auf diese Verunsicherungen angesprochen, gesteht Laurent Delaporte, Vice President der Abteilung Small and Midmarket Solutions and Partners bei Microsoft auf EMEA-Ebene: «Ja, das muss ich so bestätigen. Solche Feedbacks habe ich von Partnern erhalten.» Man habe sich entschieden, mit den Partnern sehr offen zu kommunizieren. Damit habe man die Leute zum Teil auch verwirrt, sagt Delaporte.
Der Vice President weist zudem auf eine Besonderheit hin, die das Zusammenspiel mit den Partnern wohl eher erschwerte als erleichterte: «Die Komplexität bestand darin, dass es zwei sich konkurrenzierende Partnergruppen gab.» Damit spricht er die Gruppe der unabhängigen Software-Entwickler (ISVs) an, die auch ERP-Software verkauften, die nicht von Microsoft stammt. Sie stehen den traditionellen Partnern von Microsoft Business Solutions gegenüber, die aus der Übernahme von Navision stammen.

Angst vor schlechten Verkaufszahlen

«Ein ISV kennt die Herausforderungen bei der Software-Entwicklung und versteht, dass es dabei zu Verzögerungen kommen kann. Bei einem Systemintegrator ist der Zeitrahmen hingegen völlig anders», erklärt Delaporte. Ein ISV brauche zwei bis drei Jahre, um sich selbst zu positionieren, ein Systemintegrator zwischen sechs Monaten und einem Jahr. Der in der Schweiz für das Geschäft verantwortliche Markus Lässer doppelt nach: «Unsere Offenheit bringt es mit sich, dass ein potentieller Partner zu jedem Zeitpunkt entscheiden kann, wann er einsteigen will.»
Bei den Systemintegratoren macht Delaporte eine weitere Eigenheit aus: «Wenn man mit einer solchen Firma über eine Roadmap für die nächsten drei bis fünf Jahre spricht, interessiert sie das zwar. Gleichzeitig besteht aber die Angst, dass die Verkaufszahlen schlechter werden, weil die Endkunden aufgrund dieser Perspektiven verunsichert werden.»

Sieben Jahre Garantieversprechen

Dieser Angst versucht Microsoft mit Garantieversprechen entgegenzuwirken. Dem Kunden wird versichert, dass er für seine Softwareversion ab Kauf für mindestens die nächsten sieben Jahre Support erhält.
Das scheint zu wirken: Gemäss Auskunft von Laurent Delaporte habe der Lizenzumsatz bei Microsoft Business Solutions in der EMEA-Region (Europe, Middle East und Africa) im Vergleich mit dem Vorjahr um rund 17 Prozent zugenommen, die Zahl der Neulizenzen habe um über 20 Prozent zugelegt (siehe Zahlen für die Schweiz im Artikel auf Seite 47 «Warten auf Navision 4.0»).

Partner für Grossfirmen gesucht

In gleichem Mass hat offenbar auch die Zahl der Partner in der EMEA-Region zugenommen, wie Delaporte ausführt. In diesem Gebiet zählt Microsoft nun knapp 2000 Partner. Potential sieht er im Geschäft mit den Niederlassungen von Grossfirmen: «Hier brauchen wir noch Partner, die es gewohnt sind, mit grossen Unternehmen zusammenzuarbeiten.» Der Kampf der Hersteller finde jedoch nicht mehr so sehr um die Partner statt sondern vielmehr um die Kunden. Trotzdem sei der Partner aber wichtiger als die Software. «Oft hängt es sogar von einem einzelnen Mitarbeiter des jeweiligen Partners ab, ob man bei einem Kunden zum Zug kommt oder nicht», sagt Delaporte.
Dass die Zahl der Partner bald die kritische Grösse erreichen wird, die zu zermürbenden Konkurrenzsituationen führt, befürchtet Delaporte nicht: «Kaum jemand hält an diesem Markt über 10 Prozent Anteil. Es gibt noch Raum, bis wir zu viele Partner haben», erklärt Delaporte.

Bessere Stimmung

Als in der ersten Hälfte dieses Jahres die Terminverschiebungen und SAP-Fusionsgerüchte die Runde machten, reagierte Microsoft darauf mit frohen Botschaften, um die Wogen zu glätten. Eilends wurden gewichtige Versprechungen gemacht: So sollen im nächsten Jahr 1,7 Milliarden Dollar in die Partneraktivitäten investiert werden. Zudem wird die Forschung und Entwicklung mit 850 Millionen Dollar unterstützt.
Die Versprechungen scheinen Wirkungen zu zeitigen. Delaporte glaubt, dass die Partner dabei sind, die Verunsicherungen der letzten Monate wegzustecken: «Ich erhalte wieder signifikant bessere Feedbacks von unseren ISVs. Sie können nachvollziehen, was wir tun, und richten sich entsprechend aus.» (map)


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