An der Lagerstrasse 14 in Dübendorf ist die IPO-Maschinerie angelaufen: Im unscheinbaren braunen Bürogebäude, dessen vierter Stock das Hauptquartier der Schweizer Java-Software-Schmide Esmertec beherbergt, empfängt CEO Alain Blancquart zum Gespräch. Eine knappe Stunde verbringt der Esmertec-Chef mit jedem Medienvertreter an diesem Tag, unter den wachsamen Augen eines Herrn der Finanzkommunikations-Agentur, der darauf schaut, dass auch ja keine Details über das Going Public zur Sprache kommen.
Endlich wieder ein Schweizer Software-Wunder
Die Schweiz hat wieder eine Startup-Erfolgsgeschichte: Im Jahr 1999 gründeten Beat Heeb, Hansruedi Heeb und Daniel Diez an der ETH die Firma Esmertec mit dem Ziel, die Leistung von Software in eingebetteten Systemen zu verbessern. Die Herkunft trägt natürlich zur leuchtenden IPO-Story bei, die CEO Blancquart in den nächsten Monaten vor Investoren, Journalisten und Analysten in Endlosschlaufe erzählen wird: «Seit Pascal-Erfinder Niklaus Wirth an der ETH gewirkt hat, gab es dort eine Tradition in der Entwicklung von Software-Compilern», sagt er zu IT Reseller. Die Gründer hätten denn auch schnell erkannt, dass ihre Technik, die Java-Anwendungen beschleunigt und dafür fast keinen Speicherplatz benötigt, insbesondere dazu geeignet ist, Kapazitäts- und Performance-Probleme auf Handys zu lösen. Heute steckt die Software von Esmertec in Geräten von rund 60 Herstellern, darunter vier der sechs grössten Handy-Produzenten der Welt wie etwa
LG Electronics oder
Siemens. Die Java Virtual Machine (JVM) der Dübendorfer läuft auf über 100 Modellen. Esmertec beschäftigt bereits 254 Mitarbeitende in acht Ländern. Beeindruckende 72 Prozent der Workforce sind Software-Ingenieure.
Weltweiter Technologieführer
Alain Blancquart stiess im Jahr 2002 zu Esmertec. Vermittelt wurde er von Sofinnova, einem Investor der dritten Finanzierungsrunde: «Ich sah mir die Technologie, die Mitarbeiter und die Umgebung an und war sofort überzeugt», sagt Blancquart, der über rund 30 Jahre Erfahrung in der IT-Industrie verfügt, darunter bei Firmen wie Micropro und Borland International. Auf die Frage, ob um die Firma ein Hype gemacht werde, hat Blancquart nur eine Antwort bereit: «Auf diesem Niveau und mit den Kunden, die wir betreuen, muss man eine Best-in-class-Technik haben, um einen neuen Account gewinnen oder einen Markt erobern zu können», sagt er. Esmertec habe rund 200 Mannjahre in die Entwicklung ihrer Software-Produkte investiert. Schon früh war dem Management klargeworden, dass ein strategisches Hauptgewicht für das Unternehmen auf dem asiatischen Raum – Japan, China, Korea und Taiwan – liegen muss. Auch dafür gibt es gute Gründe: «In Asien ist das Wachstum. Heute reden wir noch von China, morgen schon von Indien», so Blancquart. Hinzu komme, dass die Hersteller sich sukzessive dorthin bewegt hätten und dort die Produktion stattfinde: «Wenn wir unsere Software in neue Geräte integrieren wollen, müssen wir dort präsent sein, wo diese Geräte hergestellt werden», sagt er.
Bekenntnis zum Standort Schweiz
Dennoch setzt Esmertec ganz klar auf den Standort Schweiz: «Wir werden hier bleiben. Es ist nämlich nicht schwierig, gute Mitarbeiter für einen Job in der Schweiz zu rekrutieren», sagt Blancquart. So sei beispielsweise Cheftechnologin Anne-Marie Larkin aus Austin, Texas, in die Region Zürich gekommen. «Ich schätze hier unter anderem das phantastische System für den öffentlichen Verkehr», sagt Blancquart. Zürich sei für ihn wegen der Nähe zu den Alpen schon fast eine Ski-Destination. Ansonsten gibt sich Blancquart als «normaler Mensch», der «keine Extremsportarten» betreibt, sondern gerne regelmässig seine Runden um den Greifensee joggt.
Der Esmertec-Boss macht zwar einen bewusst legeren Eindruck, doch er ist ein Manager mit einem klaren Plan: «Alles, was wir bei Esmertec tun, tun wir gestützt auf einen Drei-Jahres-Plan», sagt er. Auch der anstehende Börsengang sei das Ergebnis eines solchen Prozesses, der kurz nach seinem Eintritt im Jahr 2002 begonnen habe, so Blancquart: «Mit Erweiterungen im Verwaltungsrat, strategischen Partnerschaften und neuen Kunden haben wir uns bereitgemacht, so dass wir heute diesen Schritt wagen können», sagt er. Seine Aufgabe als CEO sei es gewesen, die richtige Business-Organisation um die Esmertec-Technik und -Entwicklung herumzubauen, ohne die Ingenieure bei ihrer Arbeit zu fest zu stören, sowie neue Talente zu erobern und sie in die Struktur einzufügen. (bor)
Esmertec-IPO
Esmertec geht an die Börse: Das Unternehmen emittiert bis zu 5 Millionen neue Aktien, aus den Beständen der Gründer sowie der Mitglieder des Senior Managements werden zusätzliche 450’000 Aktien zum Verkauf gelangen. Darüber hinaus haben die bisherigen Aktionäre dem Bankenkonsortium unter der Leitung der UBS Investment Bank im Rahmen der «Greenshoe» genannten Mehrzuteilungsoption das Recht eingeräumt, zusätzlich bis zu 815’000 Aktien aus ihren Beständen zu erwerben. Die Veröffentlichung der Preisspanne soll am 23. Juni erfolgen und das Bookbuilding am selben Tag beginnen. Die Festlegung des Emissionspreises wurde auf den 29. Juni festgesetzt. Voraussichtlich am 30. Juni soll die Aktie von Esmertec unter dem Kürzel ESMN erstmals öffentlich am Hauptsegment des SWX Swiss Exchange gehandelt werden. Für die Risikokapitalgeber, das Senior Management und Esmertec selber gelten Lockup-Perioden von zwischen 6 und 12 Monaten. Nach Angaben von CEO Alain Blancquart dürfte der Börsengang rund 100 Millionen Dollar an liquiden Mitteln in die Firmenkasse spülen. Benötigt würde das Geld für die weitere Produktentwicklung, hiess es an einer Medienkonferenz in Zürich. Auch weitere Akquisitionen schliesst Blancquart nicht aus: «Im Moment wird aber keine Übernahme konkret geprüft», sagte er.
Gleichzeitig hat Esmertec die Finanzzahlen für das erste Quartal des Geschäftsjahres 2005 veröffentlicht. Der Umsatz stieg im Jahresvergleich um 140 Prozent auf 8,9 Millionen Dollar. Zum erstenmal habe das Unternehmen ein Quartal mit einem Gewinn abgeschlossen, hiess es: Dieser habe
0,4 Millionen Dollar betragen. (bor)