Open Source für die Stadt Zürich

Open-Source-Software findet immer öfter den Weg in die öffentlichen Verwaltungen. Neustes Beispiel ist die Stadt Zürich.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2005/14

     

Die Verwirrung um die Rolle von Open Standards und Open Software hat sich in letzter Zeit gelegt. Das stellte Gartner Research kürzlich in einem Report zu den Open-Source-Strategien öffentlicher Verwaltungen fest. Nationale wie lokale Verwaltungen öffnen sich nun vermehrt gegenüber Open-Source-Software (OSS) und versuchen, deren Vorteile zu nutzen. Einige bejahen Open Source aus politischen Gründen – etwa um die lokale Software-Industrie zu fördern. Die Städte München und Wien etwa haben sich sowohl im Server- wie im Desktop-Bereich grundsätzlich für OSS entschieden. Die meisten Verwaltungen schaffen mit ihren OSS-Richtlinien indes in erster Linie gleich lange Spiesse für Open Source und andere Software. In der Schweiz haben verschiedene Kommunen und Kantone eigene OSS-Richtlinien erlassen.

OSS-Richtlinien in Zürich

Nun hat auch der Stadtrat von Zürich entsprechende Richtlinien verabschiedet. Vorgängig hatte sich die Verwaltung unter Leitung des OIZ (Organisation und Informatik der Stadt Zürich) intensiv mit dem Thema auseinander- gesetzt und dafür auch Spezialisten aus der Privatwirtschaft beigezogen, die sich bereits mit ähnlichen Fragestellungen befassten. Nach den neuen Richtlinien sollen nun bei einer Evaluation OSS und proprietäre Software gleich behandelt werden. Für beide gelten gleichermassen die Kriterien Funktionalität, Wirtschaftlichkeit, Sicherheit und Qualität. OSS soll eingesetzt werden, wo dies sinnvoll und wirtschaftlich interessant ist. Existieren für ein Problem einander entsprechende Open-Source- und Closed-Source-Software-Ansätze, wird die auf OSS basierende Vorgehensweise bevorzugt. Die Rahmenbedingungen dafür sollen durch die Überarbeitung der internen IT-Standards und die Schaffung von Standard-Infrastrukturdiensten auf OSS-Basis geschaffen werden.
Die Umsetzung der neuen Richtlinien, so OIZ-Direktor Ulrich Hunkeler (Bild), ist ein evolutionärer Prozess: «Der Einsatz von OSS führt zu einem Kulturwandel und verlangt die entsprechende Ausbildung der Mitarbeiter.» Auf Betriebssystem-Ebene setze man aber bereits Linux ein. So laufe etwa die Content-Management-Lösung von Day unter Linux. Ins Auge gefasst werde zudem die Umstellung auf OSS-Werkzeuge für das Systemmanagement. Er betont jedoch: «Die neuen Richtlinien sind ein technischer und kein politischer Entscheid.» Für die Clients ist keine Migration auf eine OSS-Lösung vorgesehen. In zwei oder drei Jahren, meint Hunkeler, könne man allenfalls im Rahmen einer generellen Überprüfung wieder darauf zurückkommen.

Keine Mitarbeit in Communities

Nicht geplant ist laut Hunkeler die aktive Weiterentwicklung und Veröffentlichung von OSS durch die Stadtverwaltung. Man wolle kein Risiko eingehen, in Rechtsstreitigkeiten hineingezogen zu werden, erklärt er: «Nur wenn wir mit einem externen Partner zusammenarbeiten und dieser den Lead übernimmt, ist die Mitarbeit des Partners in einer entsprechenden Community denkbar.» Der Gartner-Report betont dem gegenüber, dass Regierungsstellen – mehr noch als bei den Beschaffungskosten – vor allem im Applikationsbereich von OSS profitieren könnten, falls sie selber entwickelte, wieder verwendbare Komponenten verschiedenen Anwendern zur Verfügung stellten. Der Autor Andrea di Mayo verweist auf Adulact, eine französische Community von Anwendern und Entwicklern aus lokalen Verwaltungen, die Komponenten zur Verwaltung von geografischen Daten, zum Management von Abstimmungsresultaten oder für die Beschaffung entwickelt hätten und diese gemeinsam einsetzen würden.
Hunkeler ist da skeptischer: «Es gab und gibt solche Bemühungen. Doch scheiterten sie meist am schweizerischen Föderalismus. Die Stadt Zürich hat zudem die nach dem Bund grösste Verwaltung. Unsere Ansätze sind für kleinere Gemeinden oft zu umfassend, während deren Teillösungen unseren Ansprüchen nicht genügen. Auch das steht einem Austausch entgegen.» (fis)

Der Teufel und das Weihwasser

Natürlich hat man die wachsende Offenheit öffentlicher Verwaltungen gegenüber OSS auch bei Microsoft bemerkt, die ja gemeinhin als Gralshüter proprietärer Software-Ideologien gilt. Den Redmondern geht der Ruf voraus, auf Linux zu reagieren, wie der Teufel auf das Weihwasser.
Beat Sommerhalder, Server & Tools BG Lead bei Microsoft Schweiz und somit für das Infrastruktur-Geschäft zuständig, bemüht sich, diesen Eindruck zu korrigieren. «Wir nehmen die Entwicklung von OSS, insbesondere im Server-Umfeld, und die dadurch entstehende Konkurrenz sehr ernst. Den Kunden gegenüber bemühen wir uns aber um Neutralität», beteuert er. «Unsere Strategie richtet sich nicht primär gegen Linux, sondern betont die Vorteile unserer Plattformen. Dazu gehören hohe Leistung und Flexibilität im Datacenter und
die Integration in heterogene Umgebungen.»
Microsoft werde mit Vista (dem bisher Longhorn genannten Windows XP-Nachfolger) gegen den OSS-Trend halten. Noch in diesem Jahr soll für das den High-Performance-Computing-Bereich eine «Compute Cluster Edition» auf den Markt kommen, welche SQL Server 2005 unterstützen wird. «Wir suchen vermehrt Kunden im hochperformen, hoch verfügbaren Bereich. Je weiter Windows-Server aber in die Rechenzentren und den Infrastrukturbereich vorrückt, desto kompetitiver wird das Umfeld. Ähnliches gilt auch im Datenbankbereich.»


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