Gestern fuhr ich leicht zerknirscht durch den Oktobernebel nach Hause und hatte mich schon damit abgefunden, mich meiner Herbstdepression hinzugeben. Doch als ich den Briefkasten öffnete, ein Hoffnungsschimmer! Obenauf, noch über dem Krankenkassenprämienerhöhungsschreiben und dem Werbebrief von Scientology, fand ich einen Liebesbrief. Handgeschrieben, auf rosa Briefpapier!
Mein Puls erhöhte sich, der Atem stockte. Noch im Treppenhaus riss ich den Brief mit zittrigen Fingern auf. «Meine Verehrte» stand da als Überschrift. Wahrlich, dieser Brief konnte nur von IHM sein. «Schon seit einiger Zeit sind wir getrennt und ich muss sagen, unsere Verbindung fehlt mir», lese ich weiter. Ja, ja, ja – er hat mich erhört. Es geschehen doch noch Zeichen und Wunder. «Warum wollen wir nicht einen Neuanfang probieren?» Ich bin kurz vorm Hyperventilieren, er will mich zurück. Ich wusste es! Tränen des Glücks schiessen mir in die Augen, eine schwere Last plumpst von meinem ach so geplagten Herzen.
«Es muss ja nicht gleich eine feste Verbindung daraus erwachsen», genau, ganz meine Rede, endlich hat er’s begriffen, auch Männer sind also lernfähig. «Vielleicht können wir ja einfach einmal eine Zeit zusammen verbringen.» Noch so gern, mein Herz hüpft, vergessen sind die durchheulten Nächte, die Alkoholexzesse und Abstürze, ich habe mein Leben wieder. Er ist sooo süss! Jetzt wird alles gut.
Doch dann der Schock, die Unterschrift: Bluewin ADSL. Ich glaub mein Schwein pfeift! Wach ich oder träum ich? Ein Werbebrief von
Swisscom Fixnet, wie originell! Und dann noch von einem amerikanischen Telefonunternehmen abgekupfert. Denen fällt nicht nur nichts Intelligentes, Lustiges, denen fällt offensichtlich gar nichts mehr ein.
«Erst probieren – dann entscheiden» steht da noch. Wenn dieses Angebot doch auch für Männer gelten würde!
Susann Klossek