Die Schweiz – Eldorado für Datenklau

Entgegen anders lautenden Beteuerungen geniessen Datenbankbetreiber in der Schweiz nicht den gleichen Rechtsschutz wie ihre Kollegen in der EU. Dieser Umstand fand seine Bestätigung in einem Entscheid des Bundesgerichts.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2005/22

   

Anfang 2005 hat das Bundesgericht in einem Urteil das Verhalten einer Online-Plattform geschützt, welche mittels Such-Spider verschiedene Immobilienplattformen nach den attraktivsten Immobilieninseraten absuchte und diese auf der eigenen Plattform veröffentlichte. Wesentlich für den Entscheid des Gerichts zugunsten des Kopisten war der Umstand, dass die Übernahme der Inserate nicht durch gängige technische Reproduktionsverfahren erfolgte, sondern mit einem gewissen Aufwand für die Auswahl und Aufbereitung verbunden war.
Damit bestätigt das höchste Gericht die fragwürdige Rechtslage in der Schweiz, welche für den lauterkeitsrechtlichen Schutz urheberrechtlich nicht geschützter Datenbanken sehr hohe Hürden setzt. Dabei ist der Schutz von Datenbanken bereits nach Urheberrechtsgesetz (URG) stark eingeschränkt.

Eingeschränkter Urheberrechtsschutz

Der urheberrechtliche Schutz beschränkt sich auf Datenbanken, welche in Auswahl und Anordnung individuellen Charakter haben, sprich nicht trivial sind oder eine gewisse Originalität aufweisen. Fehlt es Datensammlungen an Originalität, sind diese nicht geschützt, auch wenn deren Erstellung der Datensammlung mit sehr viel Mühe und Kosten verbunden war: Das Urheberrecht schützt keine reinen «Fleissdatenbanken» (z. B. Telefonbücher und Adressverzeichnisse). Der Anbieter einer solchen «banalen» Datenbank kann sich folglich nicht gegen die unberechtigte Entnahme einzelner Daten und Informationen durch Dritte wehren.

Hohe Hürden für den Lauterkeitsschutz

Das Gesetz über den unlauteren Wettbewerb soll einen Leistungserbringer, also auch einen Datenbankbetreiber vor unlauterem Wettbewerbsgebaren seiner Konkurrenten schützen. Die Hürden für die Anwendung der lauterkeitsrechtlichen Bestimmungen liegen allerdings beträchtlich hoch. Die Anwendung von Art. 5 lit. c UWG setzt nämlich voraus, dass es sich bei der übernommenen Leistung um ein marktreifes Arbeitsergebnis handelt, welches als solches übernommen und verwertet werden muss. Zusätzlich verlangt die Bestimmung, dass die Übernahme ohne eigenen Aufwand des Kopierers und durch ein technisches Reproduktionsverfahren erfolgt. Schon die Voraussetzung der Marktreife eines Arbeitsergebnisses schliesst zahlreiche Datenbanken vom Lauterkeitsschutz aus.
Liegen marktreife Daten vor, reichen leichte Abänderungen bei der Übernahme einer urheberrechtlich ungeschützten Datenbank und der Verzicht auf ein technisches Reproduktionsverfahren, damit sich der Kopist dem Vorwurf einer unlauteren Verwertung einer fremden Leistung entziehen kann. Besonders in einer globalisierten Welt mit vereinfachtem Zugang zu Billigarbeitskräften in Tieflohnländern vermag diese Bestimmung damit keinen wirksamen Schutz zu bieten.

Vorbild EU

Im Bestreben, einen besseren Investitionsschutz für Datenbankanbieter zu gewährleisten und ihnen eine Rentabilität ihrer Investitionen zu erlauben, hat die EU als Ergänzung zum Urheberrecht und zu den lauterkeitsrechtlichen Bestimmungen eine Datenbankrichtlinie (96/9/CE vom 11. März 1996) mit erweitertem Rechtsschutz geschaffen. Dieses Recht schützt die Gesamtheit oder wesentliche Bestandteile von Datenbanken vor deren Entnahme durch Nutzer oder Konkurrenten und hätte im eingangs erwähnten Fall der Immobilieninserate wirksamen Schutz geboten.

Forderung nach erweitertem Schutz

Interessierte Kreise fordern seit geraumer Zeit eine Erweiterung der bestehenden Schutznormen in der Schweiz. Diese Forderung nach verbessertem Rechtsschutz für Datenbanken wurde in der Vergangenheit vom Gesetzgeber und einem Teil der Lehre zurückgewiesen. Dies wurde damit begründet, dass urheberrechtlich nicht geschützte Datenbanken durch das Lauterkeitsrecht ausreichenden Schutz erfahren würden und dass die schweizerische Lösung dem durch die EU-Datenbankrichtlinie gebotenen Rechtsschutz entspreche.
Mit der eingangs erwähnten Entscheidung des Bundesgerichts wurde die Hoffnung zerschlagen, dass die Gerichte dereinst die restriktive Formulierung der lauterkeitsrechtlichen Bestimmung zum Vorteil der Datenbankbetreiber auslegen würden. Damit dürfte die Forderung nach einer Angleichung des Datenbankschutzes an die EU-Gesetzgebung wieder lauter werden.
Sollte der Schweizer Gesetzgeber diesen Forderungen nicht nachkommen und sich einer Erweiterung des Rechtsschutzes für Datenbanken verweigern, ist es zahlreichen Schweizer Datenbankbetreibern – sofern deren Inhalte nicht nur einen rein schweizerischen Bezug aufweisen – nicht zu verübeln, wenn sie ihren Firmensitz ins benachbarte EU-Ausland verschieben, um in den Genuss eines angemessenen und zeitgemässen Datenbankschutzes zu gelangen.

Der Autor

Michael Vonmoos, Rechtsanwalt und Notar, ist Mitinhaber der Firma Lawtank GmbH (www.law tank.ch) in Freiburg und als Partner der Anwaltskanzlei Schaer Partners in Bern/Biel (www.schaer-partners.ch) im Bereich des Informatik- und Immaterialgüterrechts tätig.


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