Unverständnis und Empörung machen sich unter Herstellern und Importeuren breit. Die Urheberrechtsgebühren auf digitale Speichermedien, die ab dem 1. März in der Schweiz erhoben werden sollen, werden von den meisten Herstellern auf das schärfste verurteilt. Dafür gibt es zwei Hauptgründe: Erstens werden die künftigen Gebühren als viel zu hoch kritisiert und zweitens werden dem Konsumenten bereits Gebühren auf DVD- und CD-Rohlingen sowie Mini-Discs und Kassetten verrechnet. Und wer heute legal Musiktitel downloadet, wird noch einmal zur Kasse gebeten.
Auf Kosten der Konsumenten
Offenbar zeigen sich die Behörden zunehmend kreativer, wenn es darum geht, neue Geldquellen zu erschliessen – hauptsächlich auf Kosten der Konsumenten. Und so auch diesmal. Hersteller und Importeure schlossen sich zwar als Interessengemeinschaft hinter dem Swico (Schweizerische Wirtschaftsverband der Informations-, Kommunikations- und Organisationstechnik) zusammen, um gegen diesen Beschluss zu kämpfen. Ob sich diese Lobby durchsetzen kann, bleibt vorläufig offen. Von der Swico wurde jetzt eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht eingereicht, in der ein Antrag auf Verschiebung der Einführung gestellt wurde.
Überrissene Gebühren
Bis allerdings eine Entscheidung vorliegt, gilt die Verrechnung ab 1. März. Dass die Konsumenten die volle Breitseite einstecken müssen, darin sind sich die Hersteller einig. Ruedi Haeny, Geschäftsführer von
Philips CE: «Die neuen Tarife betragen teilweise über 50 Prozent der Bruttomarge der Industrie. Angesichts dieses Ausmasses dürfte klar sein, dass Beteuerungen der Suisa, der Konsument werde von den neuen Abgaben nichts merken, ins Reich der Dichtung gehören. Die Zeche wird der Endverbraucher berappen.» In dieser Hinsicht sind sich Hersteller und Importeure einig.
Genauso wenn es um die Höhe der Abgaben geht. Bruno Wüst, Marketing Manager Consumer Systems bei
John Lay Electronics, versteht die Welt nicht mehr: «Wir können die Logik der Verwertungsgesellschaften bei der Festsetzung der Gebühren in keiner Art und Weise nachvollziehen. Aus unserer Sicht absolut unverständlich. Bei DVD-Rekordern zum Beispiel beträgt die Abgabe teilweise über 15 Prozent des ursprünglichen Verkaufspreises. Auch bei den Flash-Memory-MP3-Playern ist die Abgabe mit 20.58 Franken (4GB) 10mal höher als beim HDD-MP3-Player mit der gleichen Speicherkapazität.»
Noch deutlicher bringt es Haeny auf den Punkt: «Die Höhe der Gebühren ist überrissen und beruht auf veralteten Berechnungsmodellen aus der analogen Zeit. Warum 1 GB Flash Memory mehr als das 35fache derselben Kapazität auf HD kosten soll, ist schlicht nicht nachvollziehbar. Besonders störend ist auch, dass Konsumenten für ein und dasselbe Stück Musik mehrfach zur Kasse gebeten werden können. Der in der Presse zum Thema aufgetauchte Begriff ‘Abzockerei’ scheint tatsächlich angebracht.»
Als «die totale Willkür», bezeichnet Roger Aregger, Sales Manager von
Creative Labs Schweiz, die Gebührenhöhe und wird noch deutlicher: «Ich finde es eine grosse Schweinerei, dass Flash-Produkte massiv stärker belastet werden als Harddisk-Produkte. Wo liegt da der Sinn? Nirgends, und dies kann auch niemand erklären», so der verärgerte Sales Manager weiter.
Zunahme von Grauimporten
Einen weiteren interessanten Aspekt gegen die Einführung erwähnt Marco Di Piazza, General Manager Marketing bei
Sony: «Die Höhe der Gebühren führt zu einer drastischen Wettbewerbsverzerrung im Vergleich zum europäischen Ausland.»
Was also passiert, wenn sich Konsumenten oder gar Distis wegen den völlig überteuerten Preisen im Ausland mit den neusten Gadgets eindecken, nur weil die Schweiz mit den Preisen nicht mehr mithalten kann? Roger
Engelberger, Inhaber von Photo en gros Karl Engelberger und Sandisk-Generalimporteure: «Es besteht natürlich die Gefahr, dass ein Endkunde Flash-MP3-Player direkt aus dem Ausland importiert. Die Schweizer Gebühren sind so hoch, dass sich sogar der Kauf eines einzigen Players im Ausland rechnet. Wie viele Konsumenten dies tun werden, wird sich zeigen.»
Wüst schliesst diese Möglichkeit ebenfalls nicht aus. Er befürchtet jedoch Auslandeinkauf im grösseren Stil: «Es ist eher mit vermehrten Grauimporten von Firmen zu rechnen, was natürlich das Bild total verfälscht. Damit werden alle ehrlichen Importeure, welche die Abgaben abliefern, klar benachteiligt. Unverständlicherweise ignorierte das Schiedsgericht, aber auch die Suisa, diese Argumentation.»
Dämpfende Wirkung auf den Verkauf
Als Wirtschaftsförderung wird man diesen Schritt der Schiedskommission kaum bezeichnen können. Nach Einschätzungen der Unternehmen wird das die Konsumenten eher vom Kauf abhalten. Dieser Meinung schliesst sich auch Di Piazza an: «Die höheren Abgabepreise werden eine dämpfende Wirkung auf die Nachfrage nach DVD-Harddisk-Rekordern sowie MP3-Player in der Schweiz nach sich ziehen.»
Wüst bläst ins gleiche Horn: «Wer akzeptiert schon gerne Preiserhöhungen? Abzuschätzen, wie die Konsumenten auf die Preiserhöhungen reagieren, ist schwierig.» Haeny und Engelberger sehen eher eine Verlagerung auf kleinere und damit billigere Speichergrössen.
Engelberger: «Für den gleichen Betrag bekommt der Kunde einfach weniger Flash-Speicher. Der Markttrend, dass Flash-Speicher-Festplatten in mobilen Geräten unter 10 GB verdrängen, wird sich in der Schweiz möglicherweise verlangsamen.» So sieht es auch Haeny und meint: «Dies wird zu einer Umschichtung der Sortimente führen.»
Teure Systemanpassungen
Zu allen Ärgernissen wie übertriebene Gebührenhöhe, kurzfristige Einführung und Angst vor Grauimporten kommt noch ein weiterer wesentlicher Punkt hinzu: Diese Gebühreneinführung bedingt ebenfalls Systemanpassungen bei Herstellern, Importeuren und Distis. Laut Wüst eine happige Aufgabe: «Die Einführung per 1. März stellt alle vor fast unlösbare Probleme.» Konkret bedeutet das für betroffene Firmen, die mühsame Preisanpassung jedes einzelnen Produkts, welches neu unter die Urheberrechtsgebühren fällt. So muss, je nach System, für das Updaten der Daten jeder Artikel einzeln unter die Lupe genommen und nach den Vorgaben der Schiedskommission angepasst werden.
«Der Aufwand ist systemtechnisch, aber auch kostenmässig enorm und sehr zeitintensiv. Und zwar nicht nur für uns, sondern auch für den Handel. Zudem muss die Preisstrategie in den betroffenen Produktgruppen total neu überdacht werden», erklärt Wüst.
Auch Di Piazza sieht einen Berg an Arbeit auf
Sony zukommen: «Eine umfassende Systemanpassung ist notwendig, um der komplexen Struktur des geforderten Tarifs gerecht zu werden. Innerhalb einer umfangreichen Konzernstruktur, wie sie bei Sony vorliegt, erfordern solche EDV-Systemänderungen einen Zeitrahmen von mindestens drei Monaten. Hinzu kommen Korrekturen von Preislisten, Webseiten, die fristgerechte Handelskommunikation und die Anpassung der Preisauszeichnung im Handel.» Diese Aussagen decken sich auch mit derjenigen von Philips-Chef Haeny.
Einzig
Engelberger sieht es nicht ganz so eng: «Der administrative Aufwand ist nicht höher, als dies für die vRG-Gebühren war (bisher gelten die MP3-Player ja noch als vRG-pflichtige Geräte).»
Kampf auch für Trittbrettfahrer
Dass Künstler für das Kopieren ihrer Werke entschädigt werden sollen, bestreitet niemand. «Mit den heutigen Technologien ist dies auch problemlos umsetzbar und funktioniert bestens», sagt Haeny. «Wer einen Nutzen hat, bezahlt dafür. Der GT 4d (gemeinsamer Tarif 4d) bringt dagegen Giesskannenprinzip und Mehrfachbelastung. Ein solches Auslaufmodell lehne ich ab. Auch als Bürger dieses Landes stelle ich mir Fragen. Bis zum 1. März 2006 soll mit der Brechstange die Umsetzung erzwungen sein. Die Begründung des Beschlusses der Schiedskommission wird dann noch lange nicht vorliegen. Entsprechende Rechtsmittel können vorher aber nicht ergriffen werden. Unser Rechtsstaat lässt grüssen.» Diese Aussage stützen auch die andern Mitstreiter. Wüst kritisiert noch einmal: «Dass der Konsument mehrfach zur Kasse gebeten wird, ist aus unserer Sicht einfach nicht fair und entbehrt jeder Grundlage. Zudem bleibt ein schöner Betrag in der Verwaltung hängen, was ja eigentlich nicht dem Sinn einer Urheberrechtsabgabe entspricht.»
Die meisten der betroffenen Unternehmen, die sich diesem Kampf gegen die Behörden stellen, setzten auf Swico-Präsident Jürg W. Stutz. Jeder einzelne der Mandanten will den Swico bestmöglichst unterstützen. Klar ist damit auch, dies ist ein Kampf, der Geld verschlingen wird. Ein Punkt, der Haeny wurmt: «Im Gegensatz zu den Verwertungsgesellschaften können die von Swico vertretenen Firmen ihre Kosten für Anwälte und Gutachten nicht aus Gebührengeldern finanzieren, müssen also in die eigene Kasse greifen. Sie tun dies auch zugunsten vieler Trittbrettfahrer, die ebenfalls betroffene Produkte vertreiben, sich uns aber nicht angeschlossen haben.» (sm)
Hintergrund Urheberrechtsabgabe
Die Eidgenössische Schiedskommission entschied am 24. Januar darüber, dass Hersteller und Importeure auf digitalen Speichermedien wie Microchips oder Harddiscs in audio- und audiovisuellen Aufnahmegeräten ab 1. März Urheberrechtsgebühren erheben müssen.
Hinter dem Swico formierten sich Hersteller und Importeure, die mit diesem Vorgehen nicht einverstanden sind, allen voran Swico-Präsident Jürg W. Stutz. Mittlerweile wurde eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht eingereicht. Man will die Verschiebung des Einführungstermins erreichen.
Die Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) wehrte sich ebenfalls mit dem Vorwurf, dass die geplanten Gebühren illegal seien. Das Gesetz sehe lediglich eine Abgabe auf Leerträgern vor. Weiter sei einer Kommission nicht erlaubt, eigenmächtig zu bestimmen, was ein Gerät sei und was nicht. Ausserdem lehnte bereits der Ständerat eine solche Geräteabgabe ab.
Suisa-Gebühren
CD-R/CD+R Data Rohlinge:
CHF 0.05 pro 60 Min./525 MB
DVD Rohlinge einfach bespielbar:
CHF 0.45 pro 4.7 GB
DVD Rohlinge mehrfach bespielbar:
CHF 1.15 pro 4.7 GB
Audio Standard Kassette:
CHF 0.33 pro 60 Min.
CHF 0.50 pro 90 Min.
Minidisk:
CHF 0.44 pro 80 Min.
VHS Videokassette:
CHF 1.84 pro 240Min.