Respektable Erfolge für IT-Firmen

IT-Hersteller attackieren seit rund zwei Jahren den Markt für Consumer Electronics mit einer Vielzahl an Produkten wie TV-Geräten, Beamern oder Media Centern. Die etablierten CE-Hersteller werden darob immer nervöser.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2006/10

     

Seit rund zwei Jahren versuchen klassische IT-Brands wie HP, Dell, Benq, Acer, LG und Fujitsu-Siemens ihr Glück im lukrativen CE-Markt. Zeit für eine erste Bilanz: Ist es den IT-Firmen in dieser Zeit gelungen, den Platzhirschen Sony, Philips, Panasonic und Pioneer Marktanteile abzujagen? Wie beurteilen Hersteller, Generalimporteure, Distribution und Handel die Situation?
«Im CE-Bereich verzeichnen wir ein zweistelliges Umsatzwachstum pro Jahr. Diese Produkte machen bereits über 50 Prozent des Umsatzes aus», sagt Thomas Reiser, Product Manager bei Benq Schweiz. Der taiwanische Riese führt Videoprojektoren, LCD-Fernseher und Digitalkameras im Angebot. «In allen Produktgruppen haben wir das Angebot seit der Einführung kontinuierlich gesteigert», sagt Reiser. So soll das TV-Sortiment in diesem Jahr um Grössen im Bereich von 26 bis 42 Zoll erweitert werden.
Auch Direktverkäufer Dell setzt seit dem Jahr 2004 vermehrt auf Consumer Electronics: «Dell Schweiz bietet seinen Kunden heute unter anderem LCD-Fernseher bis zu 37 Zoll an», sagt Cornelia Köppel, Marketing und Communications Managerin bei Dell Schweiz. Der erste LCD-TV war im Jahr 2004 eingeführt worden. «Die bestehenden CE-Produktlinien werden laufend aufgefrischt und erweitert», so Köppel weiter. Zu den Absatzzahlen schweigt sich Dell allerdings aus: ­«Diese Produktlinien sind heute ein fester Bestandteil des Angebots», sagt Köppel kryptisch.

Kommen sie oder kommen sie nicht?

Seit rund zwei Jahren werweisst die Branche um die Verfügbarkeit der Fernsehgeräte von Hewlett-Packard. Seit dem Jahr 2005 sind dessen LCD-, Plasma- und Rückprojektions-Geräte in den USA erhältlich, wo sich die Umsätze offenbar gut entwickeln: «Die Einführung der Linie war erfolgreich», sagt Priska Sameli, Sprecherin von HP Schweiz, «die Märkte in Europa werden bezüglich einer Einführung immer wieder evaluiert. Im Moment gibt es aber keine konkreten Pläne.»
Diese Antwort erstaunt: Vor achtzehn Monaten schien es bei HP nur noch um die Frage zu gehen, wer die TV-Geräte vertreiben dürfe, nicht aber darum, ob diese überhaupt in den europäischen Märkten eingeführt würden oder nicht. «Der Konkurrenz- und Margendruck in diesem Segment in der Schweiz und im übrigen Europa ist schier unglaublich gross», präzisiert Beat Welte, Head of Public Affairs von HP Schweiz, der selber nicht mit einer baldigen Einführung rechnet. Derweil umfasst die CE-Produktpalette von HP mobile Fotodrucker, Kompaktkameras, Entertainment-Notebooks, Media-Center-PC und Home-Cinema-Projektoren. Vertrieben werden diese über die klassischen IT-Distributoren. «Im Fotobereich arbeiten wir auch eng mit dem Spezialdistributor Engelberger zusammen», so Sameli weiter.

Erfolge mit Fernsehern sind möglich

Dass TV-Geräte für IT-Firmen zum Geschäft werden können, zeigt der Fall Acer: «Im ersten Jahr wurden knapp 10‘000 LCD-TV in der Schweiz verkauft», sagt Walter Deppeler, Senior Corporate Vice President von Acer in Manno. Weiter ist Acer mit Digitalkameras, Media-Center-PC und Projektoren am Markt präsent. Vertrieben werden die Produkte laut Deppeler über selektive Partner: «Sie finden sich teils im Fachhandels- und teils im Retail-Kanal, werden aber nicht breit gestreut, sondern nur ausgewählten Partnern angeboten», so Deppeler weiter.
Erfolge im TV-Markt erzielt vor allem auch Samsung: Diese rühren von hohen eigenen Investitionen in die Panel-Forschung her. Als Leader im Display-Bereich war der Einstieg in den Fernsehmarkt für Samsung einfacher zu bewerkstelligen als für andere IT-Player. In der CE-Branche stellt man sich jetzt vor allem die Frage, welche Auswirkungen die Überführung der Schweizer Samsung-Aktivitäten von der Dicom-Gruppe in eine eigene Niederlassung haben wird. Allgemein wird damit gerechnet, dass Samsung von der Nähe zum Markt profitieren wird.

Strategischer Entscheid für TV

Für Fujitsu-Siemens war es ein strategischer Entscheid, ins TV-Geschäft einzusteigen: «Mittlerweile ist rund ein Drittel unserer Sales-Ressourcen auf das Thema CE abgestellt», sagt Martin Nussbaumer, Leiter der Consumer Division von Fujitsu-Siemens Schweiz. Im Herbst dieses Jahres soll das bestehende Sortiment an LCD- und Plasma-Geräten mit einer Highend-Linie ergänzt werden. «Wir suchen über den Fernseher den Einstieg in das Wohnzimmer unserer Kunden. Als Ergänzung dazu führen wir Media-Center-PC, welche inzwischen die Form eines Harddisk-Recorders oder DVD-Players haben und somit hervorragend in die gute Stube passen», so Nussbaumer weiter.
Die Schwierigkeit für einen IT-Hersteller in diesem Markt bestehe vor allem darin, den Fachhandel von sich zu überzeugen. So beurteilt Nussbaumer eine Zusammenarbeit mit der Einkaufsgemeinschaft Tetora als essentiell für einen IT-Brand, um gegen die A-Brands im Fachhandel reale Chancen zu haben: «Unsere Zahlen gehen stetig aufwärts. Gespräche mit diversen Retailern und mit Tetora waren erfolgreich», so Nussbaumer weiter. Die Wettbewerbsvorteile der klassischen CE-Hersteller würden zunehmend schwinden: «Die Panels sind die gleichen. Differenzieren können sie sich jetzt nur noch über die Tuner oder Sondereffekte. Doch die IT lernt schnell», sagt er.

Unruhe bei Importeuren

«Natürlich beobachten wir die Aktivitäten der IT-Player mit Argusaugen, es gibt aber momentan noch keinen Grund, Angst zu haben», sagt Christian Hermle, Leiter Corporate Communications von Panasonic-Generalimporteur John Lay in Littau. Das Know-how der IT-Hersteller komme aus dem Bereich der Computermonitore, und die Anforderungen daran würden sich von denjenigen unterscheiden, die für die Betrachtung bewegter Bilder nötig seien, so Hermle: «Während der Substitutionsphase der klassischen Röhrenfernseher im vergangenen Jahr gab es kurzfristig Chancen für die IT-Brands in diesem Markt, vor allem durch die relativ grossen Preisunterschiede», so Hermle weiter. Der Preisunterschied sei inzwischen aber geschmolzen. Zudem hätten IT-Brands nach wie vor Nachteile bei der Software und im Soundbereich, was für CE-Benutzer enorm wichtig sei. Die meisten IT-Hersteller würden auch nur LCD-Geräte anbieten, weshalb sie das Segment von Diagonalen über 40 Zoll gar nicht abdecken könnten. ­Dies führe dazu, dass die grossen ­Retailketten tendenziell eher Shot-Business mit diesen Playern machten, die IT-Brands aber noch nicht im Standard-Sortiment gelistet seien: «Im CE-Fachhandel, der immer noch 45 Prozent des Gesamtmarktes ausmacht, sind diese Brands grösstenteils nicht vertreten», so Hermle. Die Dominanz der A-Brands sei dort ungebrochen.

Steigende Nervosität in der CE-Branche

Doch selbst bei den etablierten CE-Herstellern steigt offenbar die Nervosität: «Vor allem Fujitsu-Siemens und Samsung sind IT-Player, deren nächste Schritte in diesem Markt wir mit grosser Besorgnis beobachten», sagt ein ranghoher Herstellervertreter zu IT Reseller.
Dass die IT-Firmen tatsächlich ernstzunehmende Player darstellen, glaubt auch Lukas Thoma vom Online-Händler Netto24.ch: «Gerade im US-amerikanischen Markt haben Hersteller wie Dell und HP im CE-Bereich sehr umfangreiche Kataloge und decken alle klassischen CE-Kategorien ab. Apple, Logitech und andere werden sich noch in diese Richtung ent­wickeln.» In der Schweiz sei das Markenbewusstsein sehr gross und das Image einer Marke trage viel zur Kaufentscheidung bei: «Das Beispiel Samsung hat aber auch bei uns deutlich gezeigt, dass ein CE-No-Name dank der Bekanntheit im IT-Umfeld sehr rasch in den Markt eintreten kann», so Thoma. Samsung erreiche dies als Leader im TFT-Bereich und über sehr kompetitive Preise. Anbieter wie Samsung und Toshiba würden zudem oft Innovationsarbeit leisten und neue Technologien bei CE-Produkten rascher umsetzen als die klassischen CE-Hersteller: «Dies bringt ihnen insbesondere bei jungen, technikorientierten Kunden einen Vorteil», so Thoma zu IT Reseller.
Dass die IT-Brands nach ihren Erfolgen im Einsteigersegment schon bald im Mittelfeld punkten werden, das glaubt auch Rolf Forster, Business Unit Manager CE von Actebis: «Dem Radio-TV-Händler bleibt in absehbarer Zeit nur noch der Verkauf von Highend-Produkten und Dienstleistungen wie Beratung und Installa­tion», sagt er. Die Produkte der IT-Hersteller im mittleren Segment würden auch über den IT-Channel verkauft werden, so Forster weiter.

Handel noch eher skeptisch

Eher skeptisch ist man im Fachhandel gegenüber den Erfolgsmeldungen der IT-Brands: «Der Anteil der klassischen IT-Firmen im CE-Markt ist immer noch sehr klein», sagt Thomas Giger, Spartenleiter Media von Dipl. Ing. Fust. Bei den IT-Firmen setze zudem langsam der Lernprozess ein, dass der Vertrieb von Audio- und Video-Produkten nicht zu den gleich schlechten Margen geschehen könne wie im IT-Sektor: «Der Verkaufsaufwand ist aufgrund der fehlenden Reputation dieser Brands im TV-Sektor höher», so Giger. Zudem stelle die Qualität der Produkte ein Problem dar: Die Ausfallquoten seien bedeutend schlechter als diejenigen der klassischen Anbieter. Die Chancen der IT-Firmen im CE-Markt seien deshalb um so grösser, je höher die Produktqualität und je besser die Verkaufsmarge für den Handel seien.
Kritisch tönt es auch bei Interdiscount: «Der Marktanteil der IT-Player ist verhältnismässig immer noch gering, nimmt aber langsam zu», sagt Pierre Wenger, Leiter Category Sound&Vision bei Interdiscount. Der CE-Kunde orientiere sich immer noch stark an den klassischen Brands wie Sony, Panasonic, Philips, Grundig und allenfalls an Newcomern in dieser Arena wie Samsung oder LG. Aus der Sicht des Einkaufs würden IT-Brands eine weitere Option darstellen, am Schluss würde aber der Kunde entscheiden: «Eine bekannte IT-Marke für sich allein nützt nichts. Es braucht zum Beispiel auch ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis und ein attraktives Design», so Wenger zu IT Reseller. (bor)


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