Ernst Lebsanft - Vorsichtiger Gipfelstürmer

Als gebürtiger Deutscher hat sich Ernst Lebsanft seine Aussensicht auf den Schweizer Softwaremarkt bewahren können, obwohl er mit seiner Firma Synlogic hierzulande bereits 19 Jahre unternehmerische Erfahrung vorweisen kann. Der geschäftliche Erfolg seiner Firma, gibt seinen Marktanalysen recht.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2006/13

     

Auch Väterchen Zufall hat mitgewirkt, dass aus dem promovierten Physiker Ernst Lebsanft aus Deutschland schliesslich der Geschäftsführer von zwei Schweizer Informatikfirmen geworden ist. Nach Studium der Physik, Mathematik und Rechtswissenschaften und der Dissertation an der Universität Bonn fand er 1979 bei Procter & Gamble im deutschen Schwalbach seinen ersten Job. Und was für einen: Das Unternehmen stellt unter anderem die Baby-Windel Pampers her, und Lebsanft musste im Rahmen eines Planungs- und Prognoseprojektes die optimale Auslastung der Produktionsmaschinen bei geringsten Kosten für die Windelherstellung ermitteln. Die Lösung bestand im Aufbau eines Experten­systems oder, wie man heute sagt, «Business-Rules-Systems», und so bewegte sich Lebsanft zusehends Richtung IT und Künstliche Intelligenz (KI).
Die nächste Etappe folgte bei der Firma Insiders in Mainz, die auf KI spezia­lisiert und immer noch am Markt tätig ist. Dort war er zuerst als Berater und Geschäftsleitungsmitglied am Werk und später bis 1994 als Gesellschafter und Mitglied des Aufsichtsrats. Mit Insiders betreute er auch ein Expertensystem-Projekt bei Schindler Aufzügen in Ebikon bei Luzern. Als es galt, die Erfahrungsregeln zusammen mit dem Kunden herauszuarbeiten, erwies sich die Distanz Mainz-Ebikon als Problem. Und so begann in ihm die Idee zu reifen, eine Firma in der Schweiz aufzubauen, die ähnliche Dienstleistungen und Produkte anbietet wie Insiders. Der Grundstein für Synlogic war gelegt, die Firmengründung erfolgte Mitte 1987.

Standortvorteil Schweiz

Sein Bezug zur Schweiz entstand jedoch schon früher, durch seinen Vater. Dieser arbeitete für das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland. So kam es beispielsweise auch, dass Ernst Lebsanft Ende der 1950er Jahre für eine Weile in Mexiko lebte und eine amerikanische Schule besuchte, da der Vater in Monterrey NL als Konsul amtierte. In den Jahren 1977 bis 1981 wurde der Vater dann als deutscher Botschafter in die Schweiz geschickt. Selbst heute kann es noch vorkommen, dass ihn ältere Leute erstaunt mustern, wenn er ihnen seinen Namen offenbart.
Aufgrund seiner Herkunft und Geschichte vereint Ernst Lebsanft sowohl die Aussensicht auf den Schweizer IT-Markt wie auch mittlerweile die Innensicht. Diese beiden Blickrichtungen konnte er sich über all die Jahre erhalten. «In der Schweiz funktioniert es im Vergleich mit anderen europäischen Ländern nicht, neue Technologien per se zu verkaufen. Vielmehr muss man den Nutzen in den Vordergrund stellen», sagt Lebsanft. Dadurch würden zwar die Risiken gering gehalten, dafür vergebe man aber auch Chancen, sich mit neuer Technik komplett neue Möglichkeiten und Wettbewerbsvorteile zu verschaffen, erörtert Lebsanft die Schweizer Geschäftspraktiken im Umgang mit IT.
Trotzdem erachtet er die Schweiz als guten Standort, um Software zu entwickeln, die international vertrieben wird. Die Dreisprachigkeit des Landes ist dabei Fluch und Segen zugleich. Fluch, weil die Hürde, von Anfang an mehrere Sprachen zu unterstützen, hoch ist. Segen, weil die Sprachunterstützung eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg im Ausland ist. Die Produkte von Synlogic werden u.a. auch deswegen geschätzt, weil sie von einer Schweizer Firma sind.

Kein Sonderfall als Bildungsland

Keinen Sonderstatus attestiert er der Schweiz bei der Qualität der IT-Fachleute. Sie seien gut ausgebildet, aber keineswegs überdurchschnittlich im Vergleich mit Fachkräften aus anderen Ländern. Die Schweiz als Hochlohnland müsse sich darauf konzentrieren, die höherwertigen Arbeiten in der Informatik zu verrichten. Deshalb wären mehr akademisch gebildete Fachleute nötig als Absolventen ohne Hochschulausbildung.
Im Gespräch mit Ernst Lebsanft blitzen augenblicklich seine Stärken hervor. Er versteht es, messerscharfe Analysen zu vollziehen, nimmt sich Zeit dafür und wählt die Worte sorgfältig aus, in denen er seine Ergebnisse darlegt, und dies unter dem Strich trotz allem in schnellem Tempo. Seine Augen sind dabei wach, ab und zu entwischt ihm ein Lachen. Und die Schwächen? «Dass ich im analytischen Denken schnell bin, kann mich dazu verleiten, anderen nicht ausreichend zuzuhören», gesteht Lebsanft ein. Er hat auch ein Rezept gefunden, mit dieser Schwäche umzugehen. «Ich lasse meine Mitarbeiter auch machen, wenn ich mal das Gefühl habe, die Idee sei nicht das Gelbe vom Ei», und am Schluss behält er nicht immer recht. Diese Art der Mitarbeiterführung ist ihm aber wichtig. Die Mitarbeitenden hätten viel Eigenverantwortung. «Im Vordergrund steht, den Kunden zufriedenzustellen, wie dem Mitarbeiter dies gelingt, ist ihm selbst überlassen.»
Diese Haltung von Ernst Lebsanft lässt sich auch mit dem Stichwort Pragmatismus auf den Punkt bringen. Als die Geschäfte von Synlogic im Jahr 2002 wegen der Bankenlastigkeit des Kundenstamms litten, übernahm er mit seinem Unternehmen und zusammen mit der Firma Banking Concepts die Firma Promatis sowie deren Produkt Income Suite und gründete die Firma Get Process. Nach einer weiteren Durststrecke über die nächsten zwei Jahre geht es seit 2005 wieder aufwärts.
Um Pragmatismus und zudem Risikobereitschaft geht es auch, wenn Ernst Lebsanft sich in die Berge aufmacht. Der leidenschaftliche Hochtourengänger bricht eine Expedition auch einmal ab und kehrt um. Und trotzdem hat er bis jetzt eine stattliche Anzahl von Gipfeln erklommen.

Ernst Lebsanft

Ernst Lebsanft hat mit seinen beiden Firmen Synlogic und Get Process in den letzten Jahren das Auf und Ab im Softwaregeschäft miterlebt. Als gebürtiger Deutscher vermag er den hiesigen Markt auch kritisch von aussen zu betrachten («Eine Konsolidierung und stabilere Einheiten wären gut, der Druck von den Kunden in diese Richtung wird stärker werden»). Sein kritischer Blick zahlt sich aus: Nach schwierigen Jahren zu Beginn des neuen Jahrtausends hat sich wieder unternehmerischer Erfolg eingestellt.
Der 54jährige promovierte Physiker geht stets pragmatisch vor. Nicht nur im Beruf, auch in der Bergwelt. Der passionierte Hochtourengänger stürmt nicht um jeden Preis zum Gipfel. Zu Fuss Berge zu erklimmen ist sein Ausgleich zur 60-Wochenstunden-Arbeit mit dem Kopf («In den Bergen kann ich abschalten, ich hatte auch noch nie schlaflose Nächte»).
Sein Traum ist es, einmal den ganzen Mischabelgrat (vier Viertausender, darunter der Dom) zu überschreiten oder einen «der kleinen Achttausender» zu besteigen. Ein realisierbarer Traum, er brauche lediglich genügend Zeit, um sich körperlich darauf vorzubereiten.


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