Beratung ab 30 Franken aufwärts

Die Reisebüros machen es seit einigen Jahren vor: Dort bezahlt der Kunde eine Gebühr für die kompetente Beratung, die ihm bei einer Buchung angerechnet wird. Hätte solch ein Modell im CE-Fachhandel eine Chance?

Artikel erschienen in IT Reseller 2006/13

   

Jeder Fachhändler kennt das Problem: Ein Kunde betritt den Laden, lässt sich beraten und verlässt das Geschäft dann wieder. Was der Fachhändler später nicht sieht, sich aber denken kann: Der Kunde kauft den aufwendig empfohlenen Flachbildfernseher woanders beim Internethändler oder beim Discounter. Und spart so ein paar hundert Franken.

Reisebüros machen’s vor

Seit einigen Jahren schon kennt man in der Reisebranche ein Modell, bei dem der Kunde für Beratung oder andere Tätigkeiten des Reisebüromitarbeitenden wie etwa Flügebuchen oder Mietwagenreservieren einen Obolus entrichten muss. «Diese Auftragspauschale wurde vor zirka acht Jahren eingeführt, weitere Gebühren folgten vor zirka zwei Jahren mit der Einführung der Null-Prozent-Kommission der Fluggesellschaften. Der Hintergrund solcher Gebühren ist, dass das Reisebürogeschäft nur noch über sehr tiefe Margen verfügt. Vor allem individuelle Reisebuchungen sind aber sehr aufwendig», erklärt Peter Brun, Mediensprecher von Kuoni Schweiz. Deshalb seien die Reiseberater zwingend auf Dienstleistungsgebühren angewiesen. Bei der Beratung handle es sich ja genauso um eine Dienstleistung, wie sie auch von Anwälten oder Ärzten erbracht werde, so Brun. Und diese sei auch kostenpflichtig.

Beratung ab 30 Franken

«Wenn der Kunde eine Auskunft wünscht, die kurz und einfach ist, bezahlt er nichts dafür. Wenn der Kundenberater aber spürt, dass sein Gegenüber eine sehr detaillierte Auskunft und Beratung möchte, um dann vielleicht die Reise ohne das Reise­büro zu buchen, dann macht er ihn dar­auf aufmerksam, dass die Beratung mindestens 30 Franken kostet. Wenn der Kunde nicht bucht, bezahlt er diesen Betrag, wenn er bucht, wird ihm der Betrag selbstverständlich diskussionslos angerechnet», sagt Brun zu IT Reseller.
Man wolle die Kundschaft allerdings nicht schon auf der Türschwelle mit der Gebührentabelle konfrontieren, da dies nicht kundenfreundlich wäre. Im Verlaufe des Beratungsgesprächs mache der Mitarbeiter aber auf die Dienstleistungstarife aufmerksam, die an den Beratungstischen auch optisch ersichtlich seien, so Brun weiter. Diese Transparenz, Übersichtlichkeit und Unkompliziertheit sieht Brun mit als Grund dafür, dass die Kundschaft den Tarifen wohlwollend gegenübersteht. «Der Kunde nimmt es heute als selbstverständlich hin, dass für die Beratung und das Know-how unserer Reisebüromitarbeiter eine Beratungsgebühr erhoben wird», so Brun.

Kostenpflichtige technische Hotline

Vereinzelt versuchen auch CE-Fachhändler ihr Know-how und ihre Beratungskompetenz auf diese Weise zu versilbern. Zu den allerdings noch seltenen Beispielen gehört der Thalwiler Bang&Olufsen-Spezialist Staeger. Wer ihn anruft, bekommt es auf der Hauptnummer zuerst mit einer freundlichen Dame ab Konserve zu tun: «Damit wir Sie kompetent beraten können, wählen Sie bitte für alle technischen Fragen unsere kostenpflichtige Hotline 0900 900 160 160.» Im Klartext: Wer von den Mitarbeitenden technische Auskünfte etwa über die Verkabelung von TV und Musikanlage oder Spielkonsole möchte, wird dafür zur Kasse gebeten. «Diese kostenpflichtige Nummer haben wir vor zirka einem Jahr eingeführt», so Gregor Staeger zu IT Reseller. Die wichtigste Konsequenz davon sei, dass Kunden viel besser vorbereitet sind, wenn sie anrufen, und schon einiges selber ausprobiert haben: «Im Gegensatz zu früher verbringen ich und meine Mitarbeitenden ungefähr 70 Prozent weniger Zeit am Telefon», sagt Staeger. Heute wisse auch fast jeder Kunde, dass man für technische Auskünfte auf Hotlines zu bezahlen habe, so ja auch bei IT-Firmen wie Microsoft. Es sei auch nicht einzusehen, weshalb die Beratung im immer mehr durch die IT beeinflussten CE-Umfeld kostenlos sein müsse.

Modell angedacht und verworfen

Auch bei Fust hat man offenbar schon an die Einführung einer Beratungspauschale gedacht: «Zum Glück sind wir aber noch nicht so weit, dass wir für eine selbstverständliche Leistung extra etwas verlangen», sagt Maddalena Forrer, Assistentin für die Sparte Multimedia. Als Fachgeschäft wolle sich Fust ja gerade damit profilieren, dass Beratung im Preis inbegriffen sei und dass man für Elektroeinbaugeräte oder spezielle HiFi-Situationen auch einmal gratis zum Kunden nach Hause gehen, wenn dies Sinn mache. Grundsätzlich sei es in Ordnung, wenn sich Kunden in mehreren Läden eine Meinung bilden würden: «Genauso, wie Kunden manchmal anschliessend an eine Beratung nicht bei uns kaufen, profitieren wir von Kunden, die sich anderswo beraten liessen und dann zu uns kommen», so Forrer weiter. Fust zieht es also vor, weiterhin eine Art «Blackbox» anzubieten, bei der die Beratung enthalten ist. Fraglich ist natürlich, ob der Kunde letztlich ein höheres Mass an Transparenz sprich günstigere Verkaufspreise und klar deklarierte Dienstleistungsgebühren nicht doch bevorzugen würde.

Billige Preise gegen «Abwanderer»

Bei Interdiscount hingegen steht die Einführung einer Beratungspauschale mit Sicherheit nicht zur Debatte, wie Geschäftsführer Joos Sutter erklärt. Dem Problem, dass Kunden nach der Beratung «abwandern» und woanders kaufen würden, arbeite man mit seinen tiefen Discount-Preisen sehr effizient entgegen, so Sutter weiter: «Abgesehen davon sind bei uns auch jene Kunden willkommen, die sich vorerst nur beraten lassen möchten. Wir nutzen jede Chance, um eine gute Kundenbeziehung aufzubauen», sagt Sutter zu IT Reseller. (bor)


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