Ende Juli dieses Jahres hat der Jelmoli-Konzern eine Mehrheit an der Preisinsel, Betreiberin des grössten Schweizer Internet-Discounters Netto24, erworben. Durch den Deal hofft Jelmoli, sich einen Teil der Umsätze aus dem Wachstumsgeschäft E-Commerce ins Haus zu holen. Pikant an der ganzen Geschichte: Zur Jelmoli-Holding gehört auch Dipl. Ing. Fust. Der traditionsreiche Schweizer Retailer war in den letzten Jahren durch die Konkurrenz aus dem Internet immer stärker unter Druck geraten.
Fust-Verkäufer haben deshalb keine Gelegenheit ausgelassen, ihre Kunden am Telefon und in den Ladengeschäften auf die möglichen Gefahren eines Kaufs im Internet hinzuweisen. Von der Preisinsel zum Beispiel habe er nur Schlechtes gehört, meinte noch im Mai dieses Jahres ein Fust-Mitarbeiter zu IT Reseller. Doch auch aus der Internet-Ecke wurde gern scharf gegen Fust geschossen: In ihrem Weblog machten sich die Preisinsel-Gründer Markus (Bild) und Lukas Thoma einen Spass daraus, über die Tiefpreisgarantie von Fust herzuziehen oder dessen «Blackbox-Preise» als schamlos überteuerte Irreführung der Konsumenten zu verurteilen.
Dass sich die beiden Streithähne Preisinsel und Fust jetzt unter dem gleichen Konzerndach befinden, trägt fast die Züge einer Zwangsheirat. IT Reseller wollte wissen, wie es um die Befindlichkeiten auf beiden Seiten steht.
Grosser Respekt voreinander
Bei Fust gibt man sich versöhnlich: «Wir haben grössten Respekt vor der unternehmerischen Leistung der Gebrüder Thoma und überhaupt keine Berührungsängste», beschwichtigt Bettina Höhener, Assistentin des Unternehmensleiters. Dass man früher selber Zielscheibe von Kritik gewesen sei, habe man als Kompliment aufgefasst.
Zudem seien Warnungen vor den Risiken bei Einkäufen in E-Shops nach den Konkursen verschiedener Anbieter berechtigt gewesen: «Wir haben aber nie auf einzelne Internet-Anbieter gezielt», so Höhener weiter. Man sei jetzt froh darüber, dass ein Teil des E-Commerce-Umsatzes im Jelmoli-Konzern anfalle. Allerdings werde der Markt entscheiden, wieviel Retailing und wieviel Etailing es in Zukunft brauche. Fust werde seiner Philosophie treu bleiben: «Wer Beratung, persönlichen Kontakt, Erklärungen zu den Produkten, eine grosse Auswahl sowie die ganze Palette an Service- und Gewährleistungen will, kauft weiterhin im Fust. Wer aus einem schmalen Sortiment schnell und einfach per Internet bestellen will, kauft bei Netto24», so Höhener.
Weiteres Wachstum geplant
Allem Anschein nach wollen aber die Konsumenten genau dieses schmale Sortiment und vor allem die günstigen Preise, denn Netto24 befindet sich in einer stürmischen Wachstumsphase: «Im nächsten Jahr rechnen wir mit einer Umsatzzunahme zwischen 50 und 100 Prozent und planen einen weiteren Ausbau des Personalbestandes», sagt Geschaftsführer Markus Thoma. Vor rund zwei Wochen sei der Bereich Büromaterial aufgeschaltet worden, der jetzt die Bereiche Heimelektronik, Computer und Haushalt komplettiere: «Wir sind auch nach der Übernahme durch Jelmoli ein unabhängiges Unternehmen, jedoch an den Jelmoli-Konzern angebunden.»
Auswirkungen hat der Deal laut Thoma aber dennoch: Wenn der Internet-Discounter künftig den Offline-Handel angreife, dann nicht mehr die jetzige Konzerntochter Fust, sondern andere Mitbewerber wie
Interdiscount oder Media Markt.
EDV und Haushalt künftig von Fust?
Jetzt stellt sich natürlich die Frage, inwieweit die beiden Unternehmen voneinander profitieren können. Netto24.ch führt EDV und Haushaltswaren im Angebot. Dabei handelt es sich um das IT-Sortiment des Komponentendistis
Brack Electronics und das Weisswaren-Sortiment von Hegi. Die beiden externen Partner sind auch für die gesamte Auftragsabwicklung zuständig. Netto24 aggregiert nur zusätzliche Bestellungen und erhält dafür eine Provision. Nun ist Fust aber seit der Übernahme von Portable Shop auch stark im IT-Bereich präsent, und die Haushaltswaren sind seit je das unbestrittene Kerngeschäft des Retailers.
Eine nähere Zusammenarbeit in diesen beiden Bereichen würde daher absolut Sinn machen: «Es ist klar, dass man sich überlegt, gerade in diesen zwei Bereichen, Fust stärker einzubinden. Von dem her besteht die Möglichkeit, dass die Zusammenarbeit mit Brack im EDV- und mit Hegi im Haushalt-Bereich nicht mehr lange dauern wird», so Thoma zu IT Reseller.
Allerdings befinde man sich für die EDV auch im Gespräch mit den Broadlinern
Also und
Tech Data, weil sich gezeigt habe, dass das IT-Sortiment von Fust nicht allzu gross sei, verrät Thoma.
Synergieeffekte
Weitere Synergieeffekte könnten beispielsweise auch im gemeinsamen Einkauf von Heimelektronik liegen. Mit hemmungslosen Direktimporten – vor allem aus dem europäischen Ausland – hat sich Netto24 den Ruf als Preisgespenst der ganzen Branche erworben.
An den gemeinsamen Einkauf von Heimelektronik glaubt Thoma allerdings nicht: «Der Elektronik-Einkauf und das Marketing werden weiterhin getrennt gehandhabt, wenn auch Transparenz herrscht, da man gegenseitig die Konditionen sieht.»
Möglichkeiten sieht er aber für den Fall, dass einzelne Lieferanten Internet-Händler wie Netto24.ch nicht beliefern wollen: «Hier können wir künftig weiterhin auf Import setzen, oder aber die Waren von Fust beziehen.» (bor)