«Es geht nicht nur um die Verzögerungen. Ins Gewicht fallen vor allem die für Vista notwendigen Umstellungen der Infrastruktur und die relativ hohen Kosten für Lizenzen und Migration» meint Reto Zwyssig (Bild), Channelmanager von
Novell Schweiz, gegenüber IT Reseller. «Wir haben beispielsweise einen Kunden, der bereits entschlossen war, auf Vista umzustellen. Nun aber, da mehr Einzelheiten bekannt wurden, will er diesen Entscheid nochmals überdenken.» Zwyssig rechnet sich aufgrund der Kostenfrage einige Chancen für Novells Suse Linux Enterprise Desktop aus, insbesondere da das Echo auf SLED 10, wie er sagt, bisher sowohl bei Besuchern wie auch im Web sehr gut ausfiel. Es gebe diverse Bestellungen von mittelgrossen Unternehmen, die eine Testumgebung einrichteten, aber bereits auch ein grösseres Projekt den Kunden dürfe er noch nicht nennen wo es um mehrere zehntausend Client-Rechner gehe.
Die Zeit ist reif
Die Basis von SLED 10 bildet die aktuelle Suse Linux-Version 10.1. Seit deren Release wurde im Hinblick auf den Desktop eine Reihe von Verbesserungen vorgenommen. So setzt SLED 10 etwa klarer als bisher auf Gnom. Zwar gibt es den KDE-Desktop weiterhin als Alternative, doch Gnom bildet nun den Default der Installations-, Konfigurations- und Verwaltungs-Suite Yast. Diese übernimmt auch die Konfiguration der Endbenutzer-Einstellungen und stellt automatisch die Verbindungen zu den Netzwerkressourcen her.
«Die Zeit sei heute reif für den Linux-Desktop», meint Zwyssig. Vor zwei Jahren hätte es noch Probleme mit manchen Treibern und Wireless-Applikationen gegeben, räumt er ein. Doch seither habe das Betriebssystem deutliche Fortschritte gemacht. «Wir spüren auch die Unterstützung der Hardware-Hersteller, etwa bei den Grafik- oder Netzwerkkarten. Unsererseits haben wir durch die Integration des Grafiksubsystems Xgl und die «Better Desktop»-Initiative einiges zur Benutzerakzeptanz beigetragen.»
Im Rahmen der Initiative hat
Novell Usability-Tests für SLED durchgeführt und rund 1500 Stunden lang den Umgang von Anwendern mit dem Desktop auf Video aufgezeichnet. Dabei wurden die Features getestet und angepasst. Das Ergebnis zeigt sich etwa bei den Desktop-Einstellungen, der Suche nach Dateien, dem Programmstart oder bei der Nutzung externer Hardware-Komponenten wie USB-Sticks und im Umgang mit dem Internet und lokalen oder drahtlosen Netzwerken.
Gut ausgestattet
SLED 10 enthält eine erweiterte Version von Open Office, die mit praktisch allem umgehen kann, was von
Microsoft kommt, selbst mit Visual-Basic-Makros. Dazu gibt es den Firefox-Browser, Fspot für das Betrachten von Fotos und Banshee zum Verwalten der MP3-Dateien. Als Mail-Client dient Evolution. SLED 10 arbeitet nahtlos mit
Novell Groupwise und Microsoft-Exchange-Collaboration-Servern zusammen. Für Client-Technologie im Arbeitsbereich kann er über ein Plug-in mit Lotus Notes verbunden werden. Ausserdem ist SLED kompatibel mit Microsoft Active Directory und anderen Netzwerk- und Verzeichnisstandards.
Die Hauptfrage für die Unternehmen dürfte aber vor allem sein, wie ihre internen Applikationen mit Linux zusammen gehen. Zwyssig meint: «Eine harte Umstellung wird es da wohl kaum geben. Sie wird eher in Wellen verlaufen, etwa über Web-Clients oder einen Terminalserver, da SLED sowohl als Fat wie als Thin Client eingesetzt werden kann. Aber unser Ziel ist natürlich, dass die Applikationen auch auf dem Client laufen.» (fis)
IBM setzt auf Desktop
IBM erwartet, wenn auch von einer relativ kleinen Basis ausgehend, ein kräftiges Wachstum beim Linux-Desktop. Roger Müller, Leiter Bereich Software bei
IBM Schweiz, erklärt gegenüber
IT Reseller: «Die Unternehmen setzen Linux-Desktops dort ein, wo es für sie Sinn macht, also etwa am POS, in Call Centers oder auf Engineering Workstations.»
Novell bezeichnet Müller als strategisch wichtigen Linux-Partner von IBM und meint, er bekomme von Kunden ein sehr positives Feedback auf den neuen SLED 10.
«Wir glauben, dass vor allem zwei Faktoren die Einführung von Linux auf Desktops beschleunigen», sagt Müller. Einerseits erleichtere die Eclipse Rich Client Platform den ISVs die Entwicklung von plattformübergreifenden GUI-Anwendungen für den Desktop. «Damit können Windows-Anwendungen entwickelt werden, die wie Windows aussehen, und dann ohne den zusätzlichen Aufwand an Kodierung Linux-Anwendungen, die sich wie Linux präsentieren. Wir nutzten diese Technologie für die Entwicklung von Lotus Notes 7 für Linux und Lotus Sametime 7.5 für Linux, und wir werden sie auch für die Entwicklung der nächsten Version von Lotus Notes (Codename: «Hannover») für Windows und Linux einsetzen.»
Den zweiten Grund sieht Müller darin, dass das Open Document Format (ODF) zunehmend an Fahrt gewinnt. ODF wird zurzeit von Open-Source-Projekten wie Open Office, wie auch von kommerziellen Produkten wie IBM Workplace Managed Client und der kommenden «Hannover»-Version von Lotus Notes unterstützt. «Die ISO-Zertifizierung von ODF und das Wachstum der ODF-Alliance belegen die Dynamik und das Potential, das in ODF steckt», so Müller. (fis)