Plattformentscheide, Migrationen auf modernere Infrastrukturen und die Einführung von neuen Applikationen - das ist nur der Anfang: Dem Bankwesen stehen über die nächsten fünf Jahre dramatische Veränderungen bevor. In dieser kommenden Zeit werden die heute begonnenen IT-Projekte erst richtig durchschlagen. Bis dorthin gibt es allerdings noch einiges zu tun. Und die Zeit drängt. Nicht zuletzt deshalb, weil die Finanzinstitute bereits jetzt beginnen, das sich verändernde Marktumfeld zu spüren. Wer zu lange wartet, wird von der Konsolidierung erfasst, die besonders im Privatbankenumfeld weiter wüten wird.
Dazu tragen mitunter die regulatorischen Auflagen wie die neuen Kreditvergaberichtlinien nach Basel II oder die Governance-Auflagen gemäss Sarbanes-Oxley bei. Neben diesen Rahmenbedingungen, die bei den Finanzhäusern Investitionen in die Infrastruktur nach sich ziehen, verändert sich auch der Markt und damit der Kunde selbst.
Drei Kräfte wirken
Das Marktforschungsinstitut Gartner macht drei Kräfte aus, die das Banking-Geschäft über die nächsten Jahr massgeblich beeinflussen: sich verändernde Märkte, härterer Wettbewerb und zunehmende Transparenz.
Die aktuelle Situation ist ein Übergang. Bei einigen Banken wurden bereits weitreichende Plattformentscheide gefällt. Bei vielen ist dieser Prozess hingegen noch im Gang, wie eine Nachfrage bei verschiedenen Integratoren und Dienstleistern ergibt.
Lücken bei Entscheiden
«Es sind einige Plattformentscheide offen, wie z. B. bei den Core-Banking-Lösungen. Architekturmodelle als Grundlage zur Integration von Off the Shelf-Produkten sind auch gefragt», fasst Mark Saxer, Sprecher von
EDS Schweiz, den Status quo zusammen. Während beispielsweise bei den Kantonalbanken die Entscheide mehrheitlich über die Bühne sind, wittert die Swisscom-Tochter Comit zur Zeit bei kleineren und mittleren Privatbanken Potential. Für
Accenture Schweiz ergeben sich durch die Migrationen bei den Standardanwendungen vor allem Projekte in den Bereichen Konsolidierung und Virtualisierung im Data Center- und Infrastrukturbereich, wie Partner Michel Stofer auf Anfrage erklärt. Was die Banken dabei antreibt, bringt Herbert Stadler, Bereichsleiter Services und Mitglied der Geschäftsleitung bei RTC auf den Punkt: «Die Grundlage der Projekte bilden die Ziele, die Bankprozesse noch weiter zu automatisieren und die Straight-through-Processing-Raten weiter zu erhöhen, um die Personalkosten weiter reduzieren zu können.»
Gemäss Daniel Liebhart, Solution Manager beim IT-Dienstleister
Trivadis, gibt es aber auch solche, die bereits gefällte Entscheidungen hinterfragen. Das kann mitunter daher rühren, dass der Wechsel der Core-Banking-Plattformen auf die Umsysteme wirkt: «Im Rahmen der Ablösungen der Core-Banking-Engines werden verschiedene Anwendungen wie beispielsweise das Output Management neu aufgesetzt», so Liebhart.
Risiken und Unbekannte
Migrationen bleiben gemäss Mark Saxer eine grosse Herausforderung und ein Risiko punkto Kosten und Rentabilität. Die Projekte laufen grundsätzlich gut, man kämpfe aber stellenweise mit den noch nicht ganz fertiggestellten Plattformen der Hersteller, heisst es seitens
Trivadis. «Die Abbildung der einmal modellierten Geschäftsabläufe in ausführbare Prozesse steckt noch in den Kinderschuhen. Die Regeln für das Service Engineering, d. h. die Spezifikation der idealen Servicegrösse sind nicht universell. Sie hängen stark vom Aufbau und der Funktionalität der zu integrierenden Systeme ab», beschreibt Daniel Liebhart von Trivadis eine weitere Hürde.
Auf dem Weg zum BPO
Viele dieser Umbauarbeiten in der Banken-IT haben das Ziel, die Wertschöpfungskette aufzubrechen und den Weg für Business Process Outsourcing frei zu machen. Comit nennt die Bank Vontobel, die das Wertschriftengeschäft für die Raiffeisen-Gruppe erledigt oder die Glarner Kantonalbank, die den Zahlungsverkehr über Postfinance abwickeln lässt, als Beispiele für bereits vollzogene BPO-Projekte. Ebenfalls schon Erfahrungen gesammelt in dieser Disziplin hat RTC. Mit
RBA-Service tritt der Dienstleister als Produktionsgesellschaft für Zahlungsverkehr und Wertschriften-Administration auf.
Mark Saxer von
EDS analysiert: «Die gesammelten Erfahrungen, Kostendruck und der sehr dynamische Markt machen BPO nicht mehr zur Option – es gibt kaum noch Alternativen.» Eine andere Haltung vertritt Michel Stofer von
Accenture: «Das Thema BPO hat mit dem konjunkturellen Aufschwung etwas an Bedeutung verloren. Zudem ist erfolgreiches BPO meistens eher im Low-Cost-E-Servicebereich, wie z. B. dem Zahlungsverkehr, erfolgreich. BPO mit grösserer potenzieller Wertschöpfung ist viel schwieriger zu realisieren, da die Standardisierung von Geschäftsprozessen noch zu wenig verbreitet ist.» Kritisch äussert sich ebenfalls Daniel Liebhart von
Trivadis: «Die Erfahrungen mit BPO und im Speziellen mit Offshoring sind durchzogen. In vielen Fällen ist der Business Case nicht im erhofften Masse eingetreten.»
Weiter in die Zukunft
Die befragten Dienstleister haben auch verschiedene Vorstellungen davon, wohin die IT-Investitionen der Banken künftig fliessen werden. Mark Saxer von
EDS beispielsweise nennt den Aufbau serviceorientierter Architekturen (SOA) als wichtiges Ziel. Daniel Liebhart von
Trivadis stimmt zu und weist unter anderem auf Orchestration (Abbildung von Geschäftsprozessen) sowie Business Intelligence als weitere wichtige Investitionsziele der Banken hin und rechnet damit, dass Open-Source-Software an Bedeutung gewinnen wird.
Die nahe Zukunft wird in der Banken-IT also anders aussehen. Diese Entwicklung beeinflusst auch die Sicht der Bank-CIOs. Ihre Prioritäten werden sich über die nächsten Jahre verändern. Wichtiger werden der globale Wettbewerb, der Umbau der IT-Infrastruktur sowie Umsatzwachstum und schnelle Innovationszyklen, wie Gartner in einer aktuellen Befragung bei CIOs von Banken ermittelt hat. Erstaunlich: Die Kundenbeziehung wird in der Bedeutung abnehmen. Zumindest für den CIO. (map)
Finance Forum 2006
7./8. November 2006
Kongresshaus Zürich
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