Teamplayer und Einzelkämpfer

Ulrich Jost, Telematik-Chef beim einst reinrassigen Unterhaltungselektronik-Unternehmen Kilchenmann, will die Geschäfte mit Dienstleistungen vorantreiben. Im Geschäftsleben ein Mannschaftssportler, ist der Marathonläufer und besessene Videofilmer bei der Ausübung seiner Hobbys eher ein Einzelkämpfer.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2007/05

     

Als Ulrich Jost (Bild), gelernter Radio- und TV-Techniker, 1980 bei Kilchenmann in Bern anheuerte, hatte das Unternehmen bereits 47 Jahre UE-Geschichte hinter sich. 1933 als Familienunternehmen gegründet, hatte man sich voll und ganz auf Unterhaltungselektronik konzentriert. Für Jost, der ebenfalls aus der Unterhaltungselektronik kam, anscheinend der ideale ­Arbeitsplatz. In den 1970er Jahren ging es mit den ersten professionellen Audio- und Video-Techniken straff bergauf. In den späten Achtzigern jedoch kam Kilchenmann ins Schleudern. «Kilchenmann hat irgendwo verpasst, eine Weiche zu stellen», sagt Jost. Der CE-Umsatz ging rapide zurück, das wäre vielleicht nicht passiert, wenn wir uns rechtzeitig im Markt positioniert hätten.» Die einst fünf Ladenlokale in Bern wurden schliesslich auf ein Geschäft reduziert.

Weg von der Hardware...

Die Consumer Electronic, die hier heute angeboten wird, ist im höheren Preissegment angesiedelt. Eine 600 Quadratmeter grosse Erlebniswelt, wie Jost es nennt, in der Dienstleistung mittlerweile ganz gross geschrieben wird. Auch bei Jost standen die Zeichen damals auf Veränderung. Nachdem er eine technische und kaufmännische Ausbildung absolviert hatte, legte er noch die Zusatzausbildungen zum Marketingplaner und Verkaufsleiter ab. Jost wollte weg von der Technik. Und ­Kilchenmann brauchte dringend ein zweites Standbein.

...hin zur Dienstleistung

Da kam der 1996 neu definierte Unternehmensbereich Telematik, mit dem Kilchenmann mittlerweile 80 Prozent des Gesamtumsatzes erwirtschaftet (anfangs waren es 25 Prozent), gerade recht. Damals seien besonders die Banken auf das Thema Telematik gut angesprungen, sagt Jost. Mit einem Büro in ­Zürich, in dem ein Kühlschrank und ein paar Telefonapparate standen, habe alles begonnen. Mittlerweile richtet die Business-Unit Telematik ganze Konferenzräume ein und ist auf Digital Sign (beispielsweise die digitalen Gross­anzeigen im Hauptbahnhof Zürich) und Ausrüstung der Orange-Center (Hosting, Helpdesk usw.) spezialisiert.


Zudem beschäftigt sich der Geschäftsbereich Telematik zunehmend mit Fachplanungen. Kilchenmann hat Mandate für die ETH oder die Uni Zürich. «Dieser Bereich zieht stark an, den fördern wir auch», sagt Jost. «Grundsätzlich wird der Dienstleistungsanteil bei uns ständig vergrössert, wir kommen massiv weg von der Hardware», so Jost. «Dass Dienstleistungen verrechenbar sind und nicht jeder Service einfach gratis ist, das mussten wir allerdings von unseren IT-Kollegen erst lernen.» Es sei aber heute immer noch schwierig, sich ­gegen Mitbewerber durchzusetzen, die versuchen, Dienstleistungen über die Marge abzurechnen.

Das Management-Buy-out

Im Jahr 2000, als Firmengründer Klaus Kilchenmann seine Nachfolge regeln, aber keines seiner drei Kinder das Zepter übernehmen wollte, kam es schliesslich zum Management-Buy-out (MBO). Ulrich Jost, verantwortlich für den Bereich Telematik, Herbert Wenger, Chef der Consumer Electronics-Abteilung, und Mark ­Seiler, Finanz­chef des Unternehmens, übernahmen die Aktienmehrheit der Firma, sieben weitere Mitarbeitende den Rest. «Auch sieben Jahre nach dem MBO ist das Team das gleiche, das ist nicht selbstverständlich», so Jost. Im Sport eher ein Einzelkämpfer (siehe Kasten), gibt er im Geschäftsleben auch gern Verantwortung an seine Mannschaft ab. «Ich habe viele Visio­nen, aber ich bin kein Manager. Für die Umsetzung meiner Ideen habe ich gute Leute, auf die ich mich verlassen kann.» Das sei natürlich ein Reifeprozess und nicht immer so gewesen. «Heute kommen fähige, junge Leute zu mir und sagen, was sie wollen. Die akzeptieren keinen Einzelkämpfer.»

Weg von der IT

So sehr Jost seinen Job liebt und in ihm bis zu einem gewissen Grad aufgeht, irgendwann wolle er sich von der IT verabschieden können und irgendetwas ganz anderes – vielleicht etwas Handwerkliches – machen. «Man hat immer das Gefühl, man sei unersetzlich», sinniert Jost. «Dann geht man am Friedhof vorbei und da liegen sie, die Unersetzlichen. Das ist auch eine Riesenlast, die einen ­extrem blockieren kann.» Sein Ziel für das Unternehmen sei es, dass die ­Familien hinter den 130 Mitarbeitenden ein gutes Leben haben. Und dass er eben nicht unersetzlich ist und rechtzeitig das Feld für einen Nachfolger räumen kann. Aber dafür ist es noch nicht ganz Zeit.

Ulrich Jost |

Ulrich Jost wurde am 29. August 1960 geboren. Er ist geschieden und lebt mit seiner Partnerin zusammen. Zu seinen beiden Kindern, 16 und 20, pflegt er regelmässigen, guten Kontakt. Sport ist, wenn man so will, Josts Passion. Er geht mindestens zwei- bis dreimal wöchentlich joggen, läuft regelmässig den Marathon und fährt leidenschaftlich gern Mountainbike. Letzteres verbindet er des öfteren mit seinem weiteren Hobby, dem Reisen. «Es gibt noch ganz viele Länder, die ich bereisen will, auch per Bike», sagt Jost. Ganz oben auf seiner Liste steht dabei Südamerika. Zum Beispiel mit dem Velo durch Patagonien und Feuerland. Man werde nicht nur älter, sondern auch anspruchsvoller, was das Reisen betrifft, sinniert Jost. «Irgendwann gewöhnt man sich zu sehr an verschiedene Annehmlichkeiten.» Deshalb gestaltet er seine Reisen auch ab und an so, wie er sie mit zwanzig gemacht hatte, tauscht ganz bewusst die Luxusherberge durch eine einfache Unterkunft aus und nimmt den Überlandbus anstatt das komfortable Mietauto. «Nur so bleibt man an den Leuten dran und lernt das Land richtig kennen.» Und er geht in jedem fremden Land zum Coiffure. «Unglaublich, was man da alles hört!» schwärmt Jost und grinst. Wenn er die Möglichkeit hätte, würde er auch gern noch in einem Französisch sprechenden Land arbeiten, das habe er irgendwie verpasst.


Regelrecht besessen, wie er sagt, ist Jost davon, den ganz normalen Wahnsinn des Lebens auf Video zu bannen. «Die Kamera ist mein täglicher Begleiter.» Jost stellt sie irgendwo ab und lässt mitlaufen und bannt somit den ganz banalen Alltag für die Nachwelt auf Film. 90 Minuten Filmmaterial kommen so alle zwei bis drei Monate zusammen. Was es sonst noch zu tun gäbe: «Irgendwann mit dem Bike von Bern aus ans Meer.» Wir wünschen stramme Waden und gute Reise. (sk)


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