Manager eiskalt abserviert

Wenn die Umsatzzahlen nicht den Vorgaben entsprechen, tauschen viele Unternehmen ihre leitenden Vertriebsmitarbeiter aus, ohne mit der Wimper zu zucken. In der Annahme, dass Aussenstehende Veränderungen erfolgreicher umsetzen, sucht man nach externen Lösungen. Nicht immer mit Erfolg.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2007/12

     

Seit gut einem Jahr war Paul Bühler Verkaufsleiter für ein weltweit tätiges IT-Unternehmen. Überschwänglich wurde er vor seinem Stellenantritt der Belegschaft angepriesen. Doch trotz dieser Lobhudelei glaubten viele schon vor seinem Antritt nicht an ­seinen Erfolg. Warum, so fragten sie sich, sollte es ihm besser ergehen als seinen beiden glücklosen Vorgängern, die bereits nach kurzer Zeit wieder gefeuert wurden?
Anfänglich lief noch alles gut für ihn: Er hatte die volle Unterstützung des Managements und machte sich im Eilzugtempo daran, organisatorische Änderungen in Angriff zu nehmen. Doch mit der Zeit begannen die Probleme. Er schaffte es nicht, die Schlüsselpersonen für sich und seine Anliegen zu gewinnen. Dazu gehörten unter anderem langjährige Mitarbeiter aus dem technischen Umfeld, die ­hierarchisch zwar nicht auf gleicher Stufe standen wie er, doch informell eine weitaus grössere Macht in der Firma hatten als Bühler. Und weil auch die durch ihn neu rekrutierten Verkäufer nicht wirklich besser waren als die alten, sackte der Umsatz ins Bodenlose.
In der Folge bekam er auch Schwierigkeiten mit seinem Vorgesetzten: Sein hartes Durchgreifen wurde ihm nun negativ ausgelegt: Er hätte ­keinerlei Einfühlungsvermögen und liesse das notwendige Fingerspitzengefühl bei internen Entscheidungen vermissen, so der neue Tenor seines Chefs. Hinter seinem Rücken beauftragte dieser einen befreundeten Headhunter mit der Suche eines Nachfolgers für Bühler. Als dieser nach zwei Monaten gefunden war, zitierte er Bühler in sein Büro, um ihn Knall auf Fall zu entlassen.
Heute kommt es in Management­positionen häufiger zu Wechseln als früher. Viele der neuen Führungskräfte werden von der Konkurrenz abgeworben. Durch die Rekrutierung eines Externen erhoffen sich Unternehmen, dass Veränderungen schneller durchgezogen werden als mit einem Internen. Der Neue, so die weitverbreitete Meinung, könne ohne Altlasten und mit grösserer emotionaler Distanz den Stall ausmisten.

Verunsicherung der Belegschaft

Häufige Chefwechsel bedeuten aber auch Stress, Angst und Verunsicherung für die Mitarbeiter: Nicht selten versprechen sich Unternehmen gerade dadurch eine Leistungssteigerung in vertriebsorientierten Organisa­tionen. Ein Phänomen, dass sich übrigens so auch im Sport feststellen lässt. Wenn Fussballer keine Tore mehr schiessen, wird der Kopf des Trainers gefordert. Durch einen neuen Coach erhofft man sich, dass ein Ruck durch die Mannschaft gehen möge. Stammspieler müssen sich neu beweisen, und Ersatzspieler sehen jetzt ihre Chance gekommen, sich einen Platz in der Stammelf zu ergattern. Durch diesen erhöhten Konkurrenzdruck kann sich das Leistungsniveau tatsächlich für kurze Zeit erhöhen. Wenn danach aber nichts mehr kommt und es der Trainer nicht schafft, aus der Mannschaft ein Team zu formen, verpufft der Anfangserfolg innert kürzester Zeit. Welche Alternativen ergeben sich also für Unternehmen, die eine grössere Kontinuität in ihre Führungsmannschaft bringen wollen?

Interne sind Insider

Unternehmen, welche eine geringe Fluktuation im Management haben, setzen auf interne Nachwuchskräfte für zu besetzende Managementposi­tionen. Der grosse Vorteil liegt darin, dass diese Führungskräfte die Firmenkultur und die Schlüsselpersonen kennen und sich über die Jahre einen Erfolgsausweis erarbeitet haben.
Dass es auch betriebswirtschaftlich Sinn macht, auf interne Nachfolger zu setzen, zeigt die Langzeitstudie «CEO Succession 2005» von Booz Allen ­Hamilton: Gemäss der Untersuchung haben zwar von aussen geholte Führungskräfte kurzfristig tatsächlich mehr Erfolg. Auf lange Sicht schneiden aber die intern rekrutierten Manager deutlich besser ab, und ihre Verweildauer in der Firma ist entsprechend höher.

Unterstützung am Anfang

Gerade wenn ein Unternehmen sich entscheidet, einen externen Vertriebsleiter zu rekrutieren, bedeutet dies eine grosse Herausforderung für die Firma und auch den neuen Chef selbst. In der Anfangsphase hängt sein Erfolg davon ab, ob er es schafft, anstehende Veränderungen in die Tat umzusetzen. Langfristig wird er sich so allein allerdings nicht im Unternehmen halten können: Dafür muss er es fertigbringen, innert kürzester Zeit ein tragfähiges Beziehungsnetz aufzubauen. Und er muss es schaffen, die Schlüsselpersonen, die das Rückgrat jedes Unternehmens bilden, in der Phase des Umbruchs von seiner Vision zu überzeugen. Kurz: Er hat die Aufgabe, als neuer Chef ein Team zu formen.
Unternehmen, die einen Externen holen, sollten ihn darum während der Anfangsphase in diesem Prozess tatkräftig unterstützen. Ansonsten ist der Misserfolg schon fast vorprogrammiert.

Imageprobleme vermeiden

So oder so: Egal ob ein Unternehmen sich für eine interne oder externe Nachfolgeregelung entscheidet, sollte man sich bei der Suche nach dem geeigneten Kandidaten auf jeden Fall genügend Zeit lassen, bedeutet doch jede Fehlbesetzung auch finanziell eine grosse Fehlinvestition. Doch nicht nur das: Firmen mit sehr häufigen Chefwechseln haben langfristig auch ein Imageproblem auf dem Markt.
Aus Erfahrung als Personalberater weiss ich, wie schwer es solchen Unternehmen fällt, wirklich gute Mitarbeiter zu finden, selbst wenn sie überdurchschnittlich hohe Gehälter bezahlen. Denn wer will schon in einem Unternehmen arbeiten, in dem jedes Jahr ein Grossteil des Managements ausgetauscht wird?

Der Autor

Markus Schefer (40) ist selbständiger ­Personal- und Unternehmensberater. ­Daneben ist der ­ausgebildete Primarlehrer Dozent für das Fach «Verkauf» an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Basel. Er verfügt über langjährige Vertriebs­erfahrung im In- und Ausland, unter anderem bei IBM und Reuters.www.scheferpersonal.ch / markus@scheferpersonal.ch

Das nächste Mal

The American Way of Life: In vielen Schweizer IT-Firmen herrscht eine amerikanische Mentalität und Führungskultur. Doch immer mehr Vertriebsmitarbeiter haben damit ­ihre liebe Mühe. Erfahren Sie im nächsten Artikel, woher das Unbehagen kommt und welche gangbaren Alternativen es gibt.


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