Als Konsument gewöhnt man sich daran, in öffentlichen Räumen per Bildschirm beworben zu werden. Adscreen heissen diese zentral gesteuerten, audiovisuellen Werbeträger an Verkaufs- und Informationspunkten. Die Stiftung Werbestatistik Schweiz hat erstmals Zahlen dazu veröffentlicht. 2006 wurden für Adscreen zwölf Millionen Franken ausgegeben. Das ist über ein Drittel mehr als noch im Vorjahr. Öffentliche Bildschirme sind auf dem Vormarsch, obwohl die Umsätze noch längst nicht an TV-Werbung und Plakate heranreichen. Roland Kümin, CEO von Incite Media, einem Full Service Provider für In-Store-TV, ist überzeugt: «Mit der veränderten Marketinglandschaft werden Out-of-Home-Screens extrem wichtig, denn der Kunde ist nur noch dort empfänglich, wo er sich wirklich informieren will, etwa am Point of Sales.»
Adscreen-Lösungen basieren auf einem zentralen Content Management, mit dem die Inhalte erfasst und an die Abspielorte verteilt werden. Zusätzlich lassen sie sich mit standortspezifischen Informationen und Inhalten wie Wetterprognosen oder News ergänzen, die automatisch aktualisiert werden. Die Verteilung kann über LAN erfolgen, meist jedoch steht aus Sicherheitsgründen und weil das interne Netz nicht zusätzlich belastet werden soll, VPN im Vordergrund.
Geschäftsmodelle
Fredy Grau, Präsident des Branchenverbandes IG Adscreen und Head of Business Development bei IP Multimedia, sagt: «Neue Untersuchungen belegen, dass die Adscreen-Werbung gut akzeptiert wird», und fügt hinzu: «natürlich spielt dabei der Standort eine wichtige Rolle.» Elektronische Plakate wie das 60-Quadratmeter-Display im Hauptbahnhof Zürich bringen zwar eine hohe Frequenz, aber nur eine kurze Verweildauer. Zukunftsträchtiger schätzt er daher den Einsatz an Verkaufspunkten (Point of Sales oder POS) ein. Dafür gibt es derzeit drei Geschäftsmodelle: Corporate TV dient vorwiegend den Informationen und der Image-Werbung des Standortinhabers. Anbieter wie etwa die Warenhauskette Carefour stellen dagegen ihre Standorte einem externen Betreiber zur Verfügung.
Wieder andere wie die Post, Tamoil oder Manor investieren an ihren Standorten zwar in die Hardware, überlassen Content Management, Betrieb und Vermarktung jedoch dem Betreiber. Grau: «Auf diese Weise lassen sich die Investitionen in Grenzen halten. Alle drei Modelle kennt man auch im Ausland.»
Was man sieht: die Hardware
Obwohl alle Befragten betonen, dass Software und Inhalt im Vordergrund stehen, werden die Räume vor der Hardware geprägt. Unter 30 Zoll sind es meist LCD-Displays. Über 50 Zoll haben die Plasmabildschirme, die auch bewegte Bilder sauberer darstellen, die Nase vorn. Zwei Drittel der rund 3000 Adscreens in der Schweiz sind jedoch LCD-Displays. Guido Stillhard, General Manager Sales & Marketing bei John Lay, sieht einen Grund dafür im Screendesign: Die oft verwendeten Standbilder und statischen Elemente führen auf LCD-Displays weniger zu Einbrenneffekten. Andere Technologien trifft man vor allem an speziellen Standorten. In Sportstadien etwa kommt LED-Technologie zum Einsatz. Neuestes Beispiel: Im Letzistadion Zürich, das anfangs September eröffnet wird, wurden zwei aus LED-Komponenten aufgebaute Grosswände von je 54 m2 aufgebaut.
In Schaufenstern lösen zunehmend Rückprojektionen die Monitore ab. Stillhard: «Bis vor kurzem hielten die Projektoren den Dauerbetrieb nicht durch. Mit der neuen Generation hat sich das deutlich gebessert.»
Hartes Brot
John Lay betreibt eine eigene Abteilung für Adscreen. «Wir agieren dabei hardware-neutral», betont Stillhard, «Wir verstehen uns als Generalunternehmer für Gesamtlösungen auf ASP-Basis.»
Die Kunden, sagt er, seien an Lösungen interessiert. Dafür müssten Audio/Video- und IT-Technologien zusammen gebracht werden. «Die IT-Seite wird längerfristig entscheidend sein. Wer allerdings ausschliesslich auf Hard- oder Software baut, isst schon heute ein hartes Brot.»
Auf dem Markt zeichnet sich eine Konsolidierung ab. Grössen wie
IBM beobachten die Situation scharf, auch wenn sie (noch) nicht aktiv werden. Der hohe Traffic lockt anderseits die Telekom-Anbieter. «Ich kann mir gut vorstellen, dass der eine oder andere aktiv wird, notfalls durch den Zukauf von Spezialisten», meint Stillhard.
Weitere Technologien werden integriert werden. Zentral gesteuertes In-Store-Radio, wie es Coop zur Zeit ausprobiert, dürfte an Boden gewinnen. Über Cumulus- oder Supercard lassen sich auf dem Bildschirm des Einkaufwagens individuelle Angebote schalten. Auch aktives RFID ist ein Thema. Das Verweilen in einem Rayon kann dann ein SMS mit entsprechenden Kaufvorschlägen auslösen. «Technisch sind das alles kleine Schritte», meint Grau. «Man sollte den Bogen aber nicht überspannen. Wir wissen nicht, was die Kunden mitzumachen bereit sind.» Kümin ist da weit unbesorgter: «Der Kunde wird alles akzeptieren, was ihm einen Mehrwert verspricht.» (fis)