Software als Service wird nun salonfähig

Im kommenden Jahr bringen Microsoft und SAP speziell auf das SaaS-Modell angepasste Produkte auf den Markt. Obwohl die meisten Firmen längst andere Online-Dienste nutzen, misstrauen viele dem Vertriebsmodell, bei dem sie ihre Daten ausser Haus geben müssen. Reine Mietsoftware-Hersteller erhoffen sich vom Markteintritt der Grossen eine Belebung des Marktes.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2007/18

     

«Software as a Service» (SaaS) ist im Bereich Business Software schon länger ein Thema. Software «aus der Steckdose» also, die zentral betrieben und von mehreren Kunden übers Internet genutzt wird. Obwohl schon oft darüber gesprochen wurde, schienen potentielle Kunden in der jüngsten Vergangenheit aber noch zu zögern, und insbesondere die Tatsache, dass die eigenen Unternehmensdaten ausserhalb der eigenen vier Wände, vielleicht gar ausserhalb des Landes, aufbewahrt werden sollen, stösst noch bei vielen auf Skepsis.
Trotzdem scheint der Markt in Bewegung zu geraten, denn wenn sogar die grossen Business-Software-Hersteller wie Microsoft und SAP -- Oracle ist schon länger engagiert -- auf den Zug aufspringen, ist das ein untrügliches Indiz für die guten Zukunftsaussichten eines Produkts.

Rund 22 Prozent Wachstum

Dies bestätigt auch eine aktuelle Studie des Marktforschungsunternehmens Gartner, welche dem SaaS-Markt für Geschäftsapplikationen bis 2011 eine jährliche Wachstumsrate von rund 22 Prozent attestiert - zählt man «einfachere» Anwendungen wie beispielsweise Office-Produkte mit dazu, sei diese Zahl noch wesentlich grösser. Für die Schweiz selber gibt es noch keine Zahlen, zu klein sei der Markt hierzulande, so MSM-Research-Chef Philipp Ziegler.
Bei IBM Global Services ist man überzeugt, dass bereits in zwei Jahren rund 30 Prozent der neuen Softwareprodukte als Service angeboten werden und Internet Service Provider und IT-Dienstleister, welche SaaS-­Lösungen anbieten, gegenüber den SaaS-Verweigerern Boden gutmachen würden.

Microsoft mit Live-Angeboten

Unter dem Markennamen «Live» bringt Microsoft Online-Services für Privatanwender und Geschäftskunden auf den Markt. So bieten die Redmonder ihr Dynamics-CRM-Produkt (Customer Relationship Management) ab der kommenden vierten Version auch als On-Demand- oder eben SaaS-Lösung an. «Die Kunden sind offener, weil das Internet schneller und sicherer geworden ist», so Rony Herzog von Microsoft Schweiz. Als Beispiel für den Akzeptanzgewinn verweist er auf das Internet-Banking, welches sowohl privat als auch geschäftlich Verwendung finde und somit vom Markt akzeptiert worden sei. Potential für SaaS-Lösungen sieht man bei Microsoft vor allem bei kleinen Unternehmen mit bis zu zehn Angestellten. Für Kunden mit individuellen Bedürfnissen seien jedoch Hostet Services oder eine Kombination aus SaaS-Produkten und lokal installierten Applikationen die beste Lösung. Die Redmonder glauben letztlich nicht daran, dass sich die Software aus der Steckdose für sämtliche Bedürfnisse eignet. «Wir sprechen daher nicht von Software as a Service, sondern von Software und Services», hält Herzog fest. Vorläufig wird Dynamics Live CRM für europäische Kunden sowieso noch ein Traum bleiben und nur in den USA erhältlich sein. «Ein Einführungsdatum für Europa gibt es noch nicht», bestätigt Herzog.

Ein Produkt für den Massenmarkt

Der Erfolg eines On-Demand-Angebotes von Business- und anderer Software liegt im Volumen: Nur wenn viele Anwender die Lösung online beziehen, beginnen die Skaleneffekte zu wirken und lassen so einen tiefen Produktionspreis zu. Deshalb lanciert der Business-Software-Riese SAP seine On-Demand-Lösung «Business By Design» zuerst in den grossen Märkten von Deutschland, England, den USA, Frankreich und China. Die Schweiz soll dann im nächsten Sommer in den Genuss des Angebots kommen. Ohnehin seien die SaaS-Benutzer in der Schweiz heute noch den ­Pionieren zuzuweisen, so Claudia Rollero von SAP Schweiz. Unterschiede seien auch branchenbedingt festzustellen. «SaaS-reifer sind beispielsweise die Treuhänder.» (Was angesichts ihrer sensiblen Daten eher erstaunen mag.) Insgesamt sieht man bei SAP aber ein riesiges Potential.
Anders als Microsoft adressiert SAP mit Business By Design nicht Kleinstfirmen mit lediglich zehn Mitarbeitenden, sondern Mittelstandsunternehmen mit 100 bis 500 Angestellten. Das Minimum liegt jedoch bei 25 Lizenzen pro Kunde. Allein in Deutschland und den USA gäbe es rund 60’000 Firmen in dieser Grössenordnung, das weltweite Marktpotential schätzen die Walldorfer auf mehr als 11 Milliarden Euro.
Business By Design ist kompletter als das Live-CRM-Angebot von Microsoft und bietet neben CRM auch Funktionen für Finanz, HRM (Personal-Management), Supply-Chain-Management, Supplier Relationship Management, Projektmanagement und Compliance Management.

Standardisierung als Konfliktherd

Der Dritte im Kreise der ganz Grossen, nämlich Oracle, sieht das Ganze natürlich ein wenig anders und sagt, dass Software aus der Steckdose nicht zwangsläufig etwas für den Mittelstand sei, sondern schlicht die beste Lösung für Firmen jeder Grössenordnung, die mit einem standardisierten Produkt ausreichend bedient sind.
Im Gegensatz zu Microsoft ist Oracle auch überzeugt, dass künftig «die meisten, wenn nicht alle Systeme so betrieben werden», wie Jean-Luc Subri, Business Development Manager Oracle On Demand EMEA, es ausdrückt. (Wobei berücksichtigt werden muss, dass Oracle den Begriff On-­Demand etwas weiter fasst, als der Markt das tut. So werden beispielsweise Managed Applications zum On-Demand-Portfolio gezählt.)
Insgesamt sieht aber auch Subri das grösste Potential von SaaS-Angeboten im ERP- und CRM-Umfeld. «Unsere On-Demand-Kunden nutzen in erster Linie unsere Finanz-, Verkaufs-, Marketing-, Supply-Chain-, HRMS- und CRM-Lösungen.» Wie bei Microsoft auch werden die SaaS-Lösungen entweder im eigenen Rechenzentrum gehostet oder je nach Bedarf von Partnern betrieben.
Das grösste Konfliktpotential liegt jedoch woanders: Die Partner von Oracle, SAP und Microsoft verdienen mit der individuellen Anpassung der Produkte viel Geld. Der eigentliche Sinn von SaaS liegt jedoch darin, dass die Lösungen stark standartisiert angeboten werden, was erstens auf die Umsätze drückt und zweitens auf die Stimmung der Partner.

Irrationale Kundschaft

«Kundenmanagement-Software wird heute immer besser als SaaS-Lösung akzeptiert», so Marc Ziegler von Sage Schweiz. Bei Finanz- und Lohnbuchhaltungsprodukten verhielten sich die Kunden aber irrational, weil sie diese sensitiven Daten nicht gerne herausrücken.
Mieten kann man bei Sage sämtliche Produkte der Linien Sesam KMU und Sesam Expert. Darunter sind auch Buchhaltungslösungen zu finden. Anders als beispielsweise Microsoft hostet Sage die Lösungen nicht selber, sondern bietet sie in Zusammenarbeit mit Partnern an. Man habe festgestellt, dass Kunden, die über SaaS nachdenken, oft nicht bloss eine einzige Applikation mieten wollen, sondern alles von den Lösungen über den Exchange Server bis hin zu Office-Applikationen auslagern wollen. «Das Geschäftsmodell hat Potential, in den kommenden Jahren wird dieses Modell jedoch nur ergänzend eingesetzt. Reine SaaS-Modelle haben bisher keinen Erfolg», so Ziegler.

Konkurrenz belebt das Geschäft

Dem widerspricht Roman Sutter, Marketingleiter der St.?Galler Software-schmiede Skip5, die ihre Produkte nur im SaaS-Modell anbietet: «Nach einiger Zeit der Zurückhaltung kommen heute immer mehr Kunden, die nach einer spezifischen SaaS-Lösung suchen.» Man gehe davon aus, dass sich das Verhältnis von klassischen Softwarelösungen und SaaS-Angeboten im Bereich von 50 zu 50 einpendeln werden. Gerade auch das wachsende Bedürfnis nach Mobilität komme dem SaaS-Ansatz entgegen. «Mit einer solchen Lösung können die Benutzer von überall her auf ihre Daten zugreifen und brauchen sich nicht um Updates und die Datensicherung zu kümmern», so Sutter.
Durch die Tatsache, dass immer mehr herkömmliche Softwareanbieter auf den Geschmack der Mietsoftware kommen, lässt man sich bei Skip5 nicht einschüchtern. Schlussendlich sei jede Firma, die neu hinzukomme, für die Weiterentwicklung des Marktes wichtig, und gerade die Grossen können viel zur Verbesserung der Akzeptanz beitragen.
Wichtig für den Erfolg von SaaS-Angeboten ist jedoch, dass die Lösun­gen nicht isoliert angeboten werden, sondern in bestehende Systeme integriert werden können. Bison und ­Novanet haben erst kürzlich gemeinsam die Firma Novanet Solutions gegründet, die als Kompetenzzentrum die Entwicklung des Geschäfts­modells vorantreiben soll. Über die gemeinsam betriebene Service-Plattform kmu.softwareservice.ch vertreibt Novanet Solutions einerseits eigene Lösungen im SaaS-Modell, bietet aber auch Drittanbietern die Möglichkeit, ihre Software anzubieten. «Es handelt sich dabei um eine neutrale technische Drehscheibe zwischen Softwareanbietern und Kunden, die keine eigene Infrastruktur aufbauen wollen», erklären Heinz Ranner von Bison und Novanet-CEO Roland Pommer. Obwohl das Thema im Allgemeinen als eigentlicher ­Hype bezeichnet werden könne, seien nach wie vor viele Softwarehäuser nicht in der Lage, ihre Produkte SaaS-fähig zu betreiben. «Am Ende werden diejenigen gewinnen, die offene Lösungen anbieten, welche im Idealfall über den Webbrowser konfiguriert und individualisert werden können», sind beide überzeugt. «Die anderen werden zu den Verlierern gehören.» (mag)

Swisscom lanciert Marktplatz für Mietsoftware

Wie verschiedene Schweizer Medien berichteten, plant auch der Telekommunikationskonzern Swisscom den Einstieg ins Geschäft mit SaaS-Angeboten (Software as a Service) und eröffnet wohl Anfang November einen Marktplatz für Mietsoftware. Dort sollen Anwendungen von Schweizer Herstellern angeboten werden, deren Software auf Basis von Microsofts Share-Point-Services-Technik beruht. Swisscom arbeitet dazu mit dem amerikanischen Softwareriesen zusammen. Die Abrechnung erfolgt wie bei SaaS-Angeboten üblich je Monat und Nutzer, der Erlös soll zwischen Telco und Entwickler aufgeteilt werden. Die Plattform kommt unter dem Namen Teamnet auf den Markt. Derzeit können sich Interessierte für das Pilotprojekt registrieren. Auf das Portal könne von überall her zugegriffen werden, die ­Applikationen seien mit wenigen Klicks aktivierbar und das Ganze sei ohne Investitionen in die Infrastruktur möglich, bewirbt Swisscom die Vorzüge von Teamnet auf seiner Homepage. (mag)


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