Als Microsoft per Ende Januar eine neue Offenheit propagierte und versprach, die Schnittstellen seiner Business-Produkte für Drittentwickler zu öffnen, reagierten Schweizer Softwareanbieter in einer Kurzumfrage von IT Reseller (Ausgabe 4/08) erfreut, aber mit einer gesunden Portion Skepsis.
«Ich verstehe diese Skepsis unserer Partner sehr gut», sagt Marc Holitscher, Leiter Plattformen bei
Microsoft Schweiz, im Gespräch mit IT-Reseller. «Für Microsoft ist diese Ankündigung eine sehr weitreichende Entscheidung.» Er sei jedoch hundertprozentig überzeugt, dass sich der Konzern aus Redmond an seinen Versprechen messen lasse.
Im Kern umfasst die Initiative vier Bereiche: Microsoft will künftig offene Schnittstellen gewährleisten, die Übertragbarkeit von Daten zwischen verschiedenen Applikationen sicherstellen, Industriestandards unterstützen und wo nötig neue schaffen sowie sich vermehrt mit den Bedürfnissen von Kunden und Mitbewerbern auseinandersetzen.
Anpassung an die Realität
Die neue Offenheit sei also keine Reaktion auf die durch die EU-Kommission ausgesprochene Busse in Rekordhöhe von 900 Millionen Euro, sondern ein Zugeständnis an veränderte Marktbedürfnisse, so Holitscher. «Für die Kunden ist Interoperabilität heute genauso wichtig wie Sicherheit und Zuverlässigkeit. Dieser Tatsache müssen wir Rechnung tragen.» Dabei werde man sogar noch weitergehen, als von der EU gefordert.
Dass sich
Microsoft vom Saulus zum Paulus wandelt, ist indes nicht zu erwarten. Zwar verspricht der Konzern Zugang zu den Programmierschnittstellen seiner High-Volume-Produkte wie Windows Vista, Windows Server, SQL Server, Office und anderen, merkt aber auch an, dass einige der Protokolle patentgeschützt seien. Man werde auf der entsprechenden Internetseite darauf hinweisen und diese Patente zu «angemessenen und nichtdiskriminierenden Gebühren zur Verfügung stellen» – weiteres Konfliktpotential für Streitereien mit der EU sind in der schwammigen Formulierung inklusive.
Letztlich müsse man den Konzern anhand seiner Taten beurteilen, mahnt Holitscher. Tatsächlich ist seit der Ankündigung einiges passiert: Microsoft hat zehntausende Seiten mit Schnittstellenspezifikationen veröffentlicht und ein Interoperabilitäts-Forum ins Leben gerufen, wo das Thema betreffende Probleme öffentlich diskutiert werden können.
Open Source gewinnt Akzeptanz
Auch das früher eher gespannte Verhältnis zwischen Microsoft und der Open-Source-Szene scheint sich zu bessern. So war Microsoft im März erstmals mit eigenem Stand an der Open Expo in Bern vertreten. «Microsoft anerkennt Open Source als Entwicklungsmodell», präzisiert Holitscher. Klar ist, dass Microsoft selber einen anderen Ansatz verfolgt und weiterhin verfolgen wird. «Wir investieren jährlich gut sieben Milliarden Dollar in die Entwicklung neuer Produkte. Diese Investitionen müssen wir schützen.»
Allerdings sehe
Microsoft, dass Open-Source-Software auch im geschäftlichen Umfeld immer besser akzeptiert werde. Deshalb beschäftigt der Konzern am Hauptsitz in Redmond fünfzehn Leute, die sich um die Interoperabilität solcher Produkte mit den Microsoft-Plattformen kümmern. (Markus Gross)