IPTV, Fernsehen übers Internet, wird seit rund zwei Jahren gepusht und immer wieder wird ihm ein baldiger Boom vorausgesagt. Einer aktuellen Studie des Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmens Pricewaterhouse Coopers (PwC) zufolge, haben aber noch immer 50 Prozent der befragten Konsumenten noch nie etwas von IPTV gehört - und das trotz hoher Marketingaufwendungen. Nur gerade einmal magere 12 Prozent konnten in der Umfrage den Begriff korrekt zuordnen.
Für die Studie «IPTV - Das neue Fernsehen?» wurden 500 Haushalte mit Breitband-Internetanschluss und über 30 IPTV-Experten befragt. Nachdem den Befragten die Funktionen und Möglichkeiten von IPTV erläutert wurden, schätzten sie zumindest die Vorzüge der Übertragungstechnik.
Preis ist die grösste Barriere
Jedoch ist den meisten der Preis für Internet-Fernseh-Angebote noch viel zu hoch. Für acht von zehn Umfrageteilnehmern ist der Preis derzeit denn auch die höchste Barriere für IPTV. Zudem schrecken lange Vertragslaufzeiten ab. Jeder zweite Befragte wäre bereit, einen IPTV-Receiver zu kaufen, um eine lange Vertragsbindung zu umgehen. Hingegen würde nur jeder Dritte eine 12- oder 24-monatige Vertragsbindung mit subventioniertem Empfangsgerät eingehen.
Bei einem Kombi-Angebot aus IPTV, Internet und Telefonie (Triple-Play) liegt die von den Befragten akzeptierte Preisspanne zwischen 40 und 60 Franken. Bei einem Preis von rund 45 Franken für Triple-Play-Dienste sei die Wechselbereitschaft allerdings am höchsten, so die Berater. Für IPTV als Einzelleistung neben dem bestehenden Internet- oder Telefonvertrag würde der Grossteil zwischen 12 und 27 Franken monatlich hinblättern. Diese Möglichkeit wird aber derzeit am Markt noch gar nicht angeboten. Zudem wird IPTV vermehrt durch gratis runterladbare Web-Fernsehangebote konkurrenziert.
Potential ist da
«IPTV hat das Potenzial, sich neben Kabel-, Satelliten- und terrestrischem Empfang als Übertragungsweg zu etablieren», sagt Werner Ballhaus, Leiter des Bereichs Technologie, Medien und Telekommunikation bei PwC. «Jedoch müssen die Anbieter die Alleinstellungsmerkmale von IPTV stärker in den Vordergrund rücken und ihre Preismodelle überarbeiten», differenziert der Berater. Sollten sich entsprechende Voraussetzungen ändern, gehen die PwC-Analysten davon aus, dass bis 2012 allein in Deutschland rund zwei Millionen Haushalte mit IPTV ausgerüstet sein könnten. Das entspräche immerhin einem Marktanteil von 5,5 Prozent aller Fernseh-Haushalte.
Interaktives TV, nein danke
Die Möglichkeit, das Fernsehprogramm individuell zusammenzustellen, sehen 84 Prozent der Befragten als positiven Vorteil von IPTV. Die technisch möglichen interaktiven Funktionen stossen hingegen kaum auf Interesse. Ein Beispiel dafür ist das Scheitern von «Betty TV» in der Schweiz: Nur wenig mehr als ein Jahr hat die interaktive Fernbedienung der
Swisscom überlebt. Mitte 2006 wurde das Mitmach-Fernsehen gestartet, per 1. Dezember 2007 wurde es aus Mangel an Interesse wieder eingestellt. Hier liegt denn auch der Knackpunkt bei der Vermarktung von Fernsehen übers Internet. Zum einen sind die interaktiven Zusatzfunktionen einer der Vorteile oder Unterschiede des Internet-Fernsehens gegenüber Kabel- und Satelliten-TV, zum anderen sieht momentan kaum jemand in der Interaktivität einen Mehrwert. «Der Markterfolg von IPTV hängt also auch davon ab, ob und wie schnell sich die Fernsehgewohnheiten ändern lassen», sagt Ballhaus. «In jedem Fall sollten die Nutzer allmählich an die neuen Möglichkeiten herangeführt und nicht durch zu komplexe Angebote überfordert werden», so der Analyst. (Susann Klossek)