Zeugnisse sind wichtiger als Netzwerke

Bei vielen Verkäufern herrscht fälschlicherweise immer noch die Ansicht, dass Arbeitszeugnisse keine Bedeutungen hätten und dass es bei der Suche nach einer neuen Stelle vor allem auf langjährige Erfahrung und ein gutes Netzwerk ankomme. Wer sich allerdings auf Seilschaften verlässt, ist auf dem Holzweg.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2008/07

     

Papier ist geduldig. So zumindest besagt es ein Sprichwort. An dieser Aussage ist viel Wahres dran, auch wenn viele Verkäufer dies nicht glauben wollen. Als Macher und Pragmatiker meinen sie nämlich, dass ein gutes Netzwerk, langjährige Verkaufserfahrung sowie ein entsprechender Leistungsausweis im Vertrieb höher zu gewichten sei als jedes Arbeitszeugnis.
Das stimmt nur respektive nur noch bedingt. Da Verkäufer oft von Konkurrenzunternehmen abgeworben werden, wo beispielsweise der ehemalige Chef arbeitet, kann es auch heute noch vorkommen, dass ein Verkäufer eingestellt wird, ohne dass er seine Bewerbungsunterlagen vorlegen muss. Doch auf Grund der immer klarer definierten internen Rekrutierungsprozesse wird diese Form der Anstellung wohl künftig immer mehr verschwinden.
Was muss ein Arbeitszeugnis also inhaltlich enthalten und wie kann man ein schlechtes Zeugnis gegebenenfalls vermeiden? Dazu einige Anregungen aus meinen Erfahrungen im Umgang mit Stellenbewerbern.

Inhalte selber schreiben

Vorgesetzte tun sich oft schwer mit der Ausformulierung von Arbeitszeugnissen. Sie delegieren darum die ganze Sache an die Personalabteilung. Das Problem dort: Diese kennen den Mitarbeiter häufig gar nicht und müssen nun ein Zeugnis basierend auf Angaben des Vorgesetzten und vordefinierten Textbausteinen erstellen. Heraus kommt dann in der Regel ein nichtssagendes Standardzeugnis. Mein Tip: Eigeninitiative übernehmen, das Zeugnis selber schreiben und dem Vorgesetzten dann zur Unterschrift vorlegen. Wer selber nicht so gut in der Formulierung ist, soll sich externe Hilfe bei Freunden, Verwandten oder Bekannten holen.


Nebst allgemein gültigen Punkten wie Angaben zur Person, Funktionsbeschrieb oder Beurteilung des Verhaltens gegenüber Vorgesetzten und Mitarbeitenden soll im Arbeitszeugnis eines Verkäufers auch zwingend auf seine verkäuferischen Qualitäten eingegangen werden.
Erreichte Umsatzvorgaben sollen genauso festgehalten werden wie ein oder zwei besonders wichtige Kundenprojekte, welche der Vertriebsmitarbeiter akquirieren konnte. In sehr vielen Zeugnissen jedoch fehlen solche wichtigen Aspekte. Doch genau das ist es, was einen potentiellen Arbeitgeber an einem Verkäufer interessiert.

Rechtschreibe- und Grammatikfehler

Es ist immer wieder erschreckend, wie viele Fehler sich bei Zeugnissen einschleichen. Da ist zum Beispiel das Austrittsdatum falsch angegeben, der Name des Mitarbeiters nicht richtig geschrieben oder es haben sich grammatikalische Fehler im Zeugnis eingeschlichen. Solche Patzer sind verwirrend und hinterlassen einen unprofessionellen Eindruck. Deshalb immer das Zeugnis auch hinsichtlich allfälliger stilistischer Mängel kritisch prüfen und gegebenenfalls Änderungen anbringen.

Frühzeitig an Erstellung denken

Schlechte Arbeitszeugnisse sind aus meiner Erfahrung nebst ausstehenden Bonuszahlungen mit die häufigsten Gründe dafür, weshalb es zwischen Verkäufer und ehemaligem Arbeitgeber zum Streit kommt. Vielfach tragen da aber Vertriebsmitarbeiter eine Mitschuld: Wer seine Kündigung nämlich dazu nutzt, dem Chef mal so richtig die Kappe zu waschen, muss sich nicht wundern, wenn am Ende dann die Retourkutsche kommt.
Ich empfehle deshalb, bei der eigentlichen Kündigung sachlich und neutral zu bleiben und bis zum letzten Arbeitstag die volle Leistung zu erbringen. Gleichzeitig rate ich eindringlich, während der noch verbleibenden Zeit ra­schestmöglich mit dem Vorgesetzten das Gespräch zu suchen, um ihm einen Zeugnisvorschlag zu unterbreiten.
Sollte dieser nicht mit dem Inhalt einverstanden sein, gibt man ihm so genügend Spielraum, einen Gegenvorschlag auszuarbeiten und erhält damit das finale Abschlusszeugnis kurz nach dem Weggang.
Wer die verbleibenden Wochen und Monate beim alten Arbeitgeber einfach verstreichen lässt in der Hoffnung, dass Vorgesetzter oder Personalabteilung die Sache schon übernehmen würden, kann unter Umständen enttäuscht werden. Denn nicht selten sind Mitarbeiter, die einmal gekündigt haben, für die Firma nicht mehr wirklich wichtig. Es liegt darum am Angestellten, mit Hartnäckigkeit, Anstand und Konsequenz auf seinen auch im Obligationenrecht verankerten Anspruch auf ein faires Abschlusszeugnis zu pochen.

Auf uncodierte Zeugnisse drängen
Geheime Zeugnis-Codes und Standardformulierungen gibt es tatsächlich. Die Schwierigkeit dabei: Häufig lassen sie Raum für wilde Interpretationen des Lesers und sind darum nicht selten ­irreführend und blanker Unsinn. Ich rate darum Verkäufern, sich mit dem Arbeitgeber wenn möglich zu einigen, auf solche Formulierungen zu verzichten und das Zeugnis in klarer und verständlicher Sprache zu verfassen. Eine Mehrzahl der Unternehmen gehen auf solche Forderungen mittlerweile auch ein und sind sogar bereit, im Schriftstück zu vermerken, dass das Zeugnis keine verdeckten Codes enthält.
In der IT-Branche wechseln Vertriebsmitarbeiter häufig ihren Arbeitgeber. Dadurch entsteht im Gegensatz zu früher eine grössere Anonymität, da geschäftliche Kontakte zu Vorgesetzten und Arbeitskollegen weniger lange dauern als früher. Umso wichtiger ist es, dass Verkäufer einem guten Arbeitszeugnis eine erhöhte Priorität beimessen. In Zukunft wird nämlich immer häufiger nicht nur der ­eigene Leistungsausweis im Verkauf, sondern auch ein gutes Arbeitszeugnis mitentscheiden, ob man eine neue ­Arbeitsstelle bekommt oder nicht.


Buchtipp:
«Arbeitszeugnisse», von Christian Püttjer und Uwe Schnierda, ­erschie-nen im Campus Verlag. ­Erhältlich in grösseren ­Buchhandlungen oder bei www.amazon.de.

Checkliste für Arbeitszeugnisse

*Selber verfassen
Wenn möglich das Arbeitszeugnis selber schreiben und es dem Chef dann zur Unterschrift vorlegen. Frühzeitig mit der Erstellung des Zeugnisses beginnen, um dem Vorgesetzten die Möglichkeit zu geben, einen Gegenvorschlag auszuarbeiten.

*Grammatik und Rechtschreibung
Zeugnis auf Fehler prüfen (lassen).

*Erfolge erwähnen
Verkaufserfolge sollen im Arbeitszeugnis stehen. So kann man sich von Arbeits­zeugnissen seiner Berufs­kollegen abheben und macht sich für einen potentiellen Arbeitgeber interessant.

*Codierung vermeiden
Auf Standardformulierungen und Zeugnis-Codes verzichten, da sie in der Regel nur verwirren und verunsichern.

*Professionell beenden
Keine Emotionen bei der Auf­lösung des Arbeitsverhältnisses auf Seite des Verkäufers zeigen. Professionelles Arbeiten bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses. Wer sich nicht daran hält, wird ­unter Umständen mit einem schlechten Arbeitszeugnis abgestraft.

Der Autor

Markus Schefer (40) ist selbständiger Personalberater. ­Daneben ist der ­ausgebildete Primarlehrer Dozent für das Fach «Verkauf» an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Basel. Er verfügt über langjährige Vertriebserfahrung im In- und Ausland, unter anderem bei IBM und Reuters.
www.scheferpersonal.ch
markus@scheferpersonal.ch

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