Berufsberater und Beichtvater

Man nennt sie Sklavenhändler und Kopfgeldjäger: Um den Ruf der Personalberater steht es aus gutem Grund nicht zum Besten. Zu viele schwarze Schafe tummeln sich bei guter Konjunkturlage auf dem Markt. Fünf Tips, wie man im boomenden Personalberatungsmarkt die Spreu vom Weizen trennt.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2008/08

     

Menschenhändler oder Kopfgeldjäger werden Personalberater auch schon mal genannt. Das bei manchen Firmen und Kandidaten oft ramponierte Image ist dabei auf ein paar wenige schwarze Schafe in der Branche zurückzuführen, welche primär daran interessiert sind, möglichst schnell viel Geld zu verdienen.

Da Investitionskosten für die Gründung eines eigenen Rekrutierungsbüros gering sind und auch die Vergabe einer Vermittlungslizenz meist reine Formsache ist, schiessen in der Hochkonjunktur Personalberatungsfirmen wie Pilze aus dem Boden. Gemäss einer Studie von Dun & Bradstreet erhöhte sich die Zahl der im ersten Halbjahr 2007 neugegründeten Personalberatungsunternehmen gegenüber dem ersten Halbjahr 2006 um 70.2%!
Die Wahrscheinlichkeit, im Laufe seiner beruflichen Karriere irgendwann einmal mit einem Berater in Kontakt zu treten ist darum hoch.
Was darf man in einem solchen Fall von einem Personalberater erwarten und wie erkennt man auch als Laie schnell, ob man es mit einem kompetenten Rekrutierer zu tun hat oder nicht?

Muss Nr. 1: Interview

Zunächst einmal nimmt sich ein seriöser Personalberater die Zeit für ein intensives und persönliches Interview mit dem Kandidaten. Hier geht es darum, sich gegenseitig besser kennenzulernen, zu erkennen in welche Richtung sich der Kandidat weiterentwickeln möchte und zu verstehen, welche beruflichen Stationen die Person durchlaufen hat. Berater, die sich für ein solches Gespräch keine Zeit nehmen oder anstelle eines persönlichen Gespräches aus Zeitgründen auf ein Telefoninterview drängen, werden damit ihrer Rolle eines kompetenten Coaches kaum gerecht.

Muss Nr. 2: Dossier

Nach einem Bewerbungsgespräch erstellt der Berater meist ein umfassendes Dossier für den Kandidaten, welches nebst Stellenbeschrieb der jetzigen und vorhergehenden Positionen auch eine persönliche Einschätzung des Interviewers enthält.

Wichtig ist, dass man als Kandidat darauf pocht, vor dem Versand an potentielle Firmen, Einblick in diese Unterlagen haben zu können. Wenn Inhalt und Form unvollständig oder mangelhaft sind, so muss man unbedingt intervenieren! Denn die Chance auf ein Erstgespräch bei einem möglichen Arbeitgeber hängt nicht zuletzt davon ab, wie man in der vom Rekrutierer erstellten Bewerbungsmappe präsentiert wird.


Ganz findige Berater umgehen diese Arbeit und senden die erhaltenen Unterlagen direkt an potentielle Firmen weiter. Ihre Begründung: Sie möchten, dass die Firmen sehen, wie sich der Kandidat selber präsentiert. In der Mehrzahl der Fälle dürfte aber wohl vielmehr Bequemlichkeit der Grund für eine solch unsaubere Vorgehensweise sein.

Muss Nr. 3: Immer informiert sein

Schon aus datenschutzrechtlichen Gründen ist der Personalberater verpflichtet, den Kandidaten zu informieren, bei welchen Unternehmen er dessen Unterlagen einreichen möchte. Tut er dies nicht, kann es durchaus vorkommen, dass ein Personalchef über einen anderen Kanal das Dossier gleich zweimal zugestellt bekommt. Leittragende sind in einem solchen Fall immer auch die Kandidaten. Denn eine solch unkorrekte Vorgehensweise des Beraters färbt auch auf den Kandidaten ab. Die Konsequenz: Die Chance auf die ausgeschriebene Stelle schwindet. Wenn ein Kandidat darum erfahren sollte, dass sein Lebenslauf ohne Einwilligung an irgendwelche Firmen versendet wurde, gibt es im Grunde nur eine richtige Vorgehensweise: Die Zusammenarbeit mit dem Rekrutierer per sofort beenden und sich von diesem zudem schriftlich bestätigen lassen, dass sämtliche persönlichen Daten gelöscht oder vernichtet wurden.

Muss Nr. 4: Netzwerk mitnutzen

«People buy from people.» Dieser Ausspruch gilt nicht nur im klassischen Verkaufsumfeld, sondern in einem hohen Mass auch in einem so sensitiven Umfeld wie der Mitarbeiterrekutierung. Es ist nicht erstaunlich, dass Firmen in der Regel auf einige wenige Personalberater zurückgreifen, denen sie vertrauen, wenn sie eine Stelle zu vergeben haben.
Wer sich als Kandidat auf solche Berater stützt, kann somit deren Netzwerk für seine eigene Stellensuche nutzen. Unnötig zu sagen, dass sich damit die Chancen, einen Job zu ergattern, wesentlich erhöhen. Denn wenn ein Unternehmen einem Berater vertraut, so hat auch die Bewerbung eines Kandidaten, der via einen solchen Personalberater eingereicht wird, bei den Verantwortlichen ein ganz anderes Gewicht.

Muss Nr. 5: Vertrauen

Ob man mit einem Personalberater zusammenarbeiten möchte oder nicht, sollte vor allem auch eine Bauchentscheidung sein: Wenn einem der Berater sympathisch ist und die Chemie stimmt, so sind die Grundvoraussetzungen schon mal recht gut. Denn oft erstreckt sich eine Zusammenarbeit vom Erstkontakt mit dem Berater bis hin zum erfolgreichen Vertragsabschluss beim Wunscharbeitgeber über mehrere Monate.
Ohne gegenseitiges Vertrauen geht das nur schwer. Persönlich erlebe ich es immer wieder, dass man im Laufe eines solchen Prozesses für den Kandidaten weit mehr wird, als ein reiner Stellenvermittler: Man ist plötzlich Beichtvater, Seelentröster, Motivator, Coach und Berater in einem. Es lässt sich wohl nur damit erklären, dass man mitunter auch intimste private Details zu hören bekommt, von denen selbst der Partner oder die Partnerin des Kandidaten keine Ahnung haben. Die Verbindung, die so mit der Zeit entstehen kann, ist der von Spitzenath­let und Trainer nicht unähnlich.

Das nächste Mal

Die Kunst sich selbst zu belügen:
Warum belügen wir uns selbst, was sind die Gefahren im beruflichen Umfeld? Lesen Sie im nächsten Heft, weshalb es für das berufliche Fortkommen wichtig ist, mit sich selbst ehrlich zu sein, auch wenn einem dies manchmal schwer fällt.

Der Author

Markus Schefer (40) ist selbständiger Personalberater. ­Daneben ist der ­ausgebildete Primarlehrer Dozent für das Fach «Verkauf» an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Basel. Er verfügt über langjährige Betriebserfahrung im In- und Ausland, unter anderem bei IBM und Reuters.
www.scheferpersonal.ch
markus@scheferpersonal.ch


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