Am Anfang der Liberalisierung des Schweizer Telekom-Marktes standen viele Befürchtungen. 1996 demonstrierten 30'000 Angestellte von PTT und Telecom in Bern gegen die Privatisierung ihrer Betriebe. Die grösste Angst: An einer Grundversorgung hätten private Telekom-Firmen kein Interesse. Lange wurde deshalb über die Marktöffnung debattiert und lange nichts entschieden.
Als die EU 1998 den Telekomsektor liberalisierte, hatte die Schweiz praktisch keine andere Wahl, als mitzuziehen. Die drei Hauptziele, die damit angestrebt worden sind, wurden allesamt erreicht: Preissenkung, Innovationssteigerung und die Weiterführung der flächendeckenden Grundversorgung. Für die Endkunden sind Fernmeldedienste seit 1998 um mehr als 40 Prozent billiger geworden. Zum befürchteten grossen Stellenabbau in der Branche ist es hingegen nicht gekommen. Mobiltelefonie und der Breitbandmarkt kompensierten die sinkenden Gewinne aus der Festnetztelefonie.
Der Wettbewerb spielt nicht überall
Auffallend ist jedoch, dass die Swisscom den Schweizer Telekom-Marktweiterhin in fast allen Bereichen bezüglich Umsatz dominiert, auch wenn die Telekom-Studie des Wirtschaftsmagazins «Bilanz» in Sachen Zufriedenheit oft andere Gewinner wie beispielsweise
Colt, Cyberlink oder
Cablecom kürt (vgl. rechte Spalte). Das zeigt: Der Wettbewerb spielt nicht überall gleichermassen, die Wettbewerbs- und Regulierungsbehörde hat also in einigen Bereichen noch Nachholbedarf.
Bei der letzten Meile wehrte sich Ex-Monopolist Swisscom lange Zeit erfolgreich gegen den Wettbewerb, denn man konnte auf die Politik zählen. Nationalräte bis weit ins bürgerliche Lager wollten das Unternehmen
Swisscom, das dem Bund gehörte schützen und nicht in dem Wettbewerb aussetzen, obschon das Kupfernetz schon zu Monopolzeiten amortisiert wurde.
Seit etwas mehr als einem Jahr ist nun auch dieses letzte Monopol im Schweizer Telekom-Markt gefallen. Laut Swisscom-Pressesprecher Carsten Roetz sind heute 500 Kollokationen an 220 Standorten - naturgemäss hauptsächlich in den grossen Zentren - realisiert. Damit können nahezu 50 Prozent aller Teilnehmeranschlüsse entbündelt werden. Dazu wurden über 50 Verträge mit rund 30 alternativen Anbietern angeboten. Cablecom und VTX sind bei der Umsetzung der Entbündelung am weitesten fortgeschritten. Das hört sich wunderbar an. Doch an kritischen Stimmen und Streitthemen fehlt es in der Branche keineswegs.
Anschuldigungen an allen Ecken
Als lauteste Stimme unter den Streithähnen hat sich
Sunrise positioniert. Sunrise-Sprecherin Sevgi Gezici spart gegenüber IT Reseller nicht mit Kritik: «Vor zehn Jahren sind viele Marktteilnehmer enthusiastisch in den Markt eingestiegen. Auch wenn bei der Entbündelung vorerst kein Wettbewerb stattfinden konnte, sind viele doch von einer vollständigen Marktöffnung im Festnetzbereich ausgegangen und haben Investitionsentscheide getroffen. Nach zehnjährigem Hin und Her wurde jedoch gerade der für zukünftige Breitbandservices wichtigste Punkt, die Zugangsregelung zu schnellen Datenverbindungen nicht umsetzbar aufgenommen.» Darüber hinaus seien neue Technologien wie Glasfaser erst gar nicht von der Regulierung abgedeckt. Gezici wittert hier in Anspielung auf die 8 Milliarden Franken, die
Swisscom in ein eigenes Glasfasernetz investieren will, die Gefahr neuer Monopole.
Doch das David-gegen-Goliath-Bild, das Sunrise zeichnet, greift offensichtlich zu kurz. Fragt man bei kleineren ISPs, wie beispielsweise Cyberlink nach, richtet sich die Kritik mittlerweile nicht mehr hauptsächlich gegen den Ex-Monopolisten. Vielmehr kriegen die Glasfasernetz bauenden Elektrizitätswerke sowie die grossen ausländischen Telekomfirmen Sunrise und
Orange ihr Fett weg. Cyberlink-CEO Ramon Amats Situationsanalyse: «Swisscom ist das geringste Übel. Sunrise hat mit dem Free-Internet-Paket alle potentiellen Wholesale-ISP-Kandidaten abgeschreckt und ist kein valider Partner mehr für kleinere ISPs. Auch die Elektrizitätswerke mit ihren angeblich diskriminierungsfreien Projekten verhindern Wettbewerb, denn sie tätigen mit steuerlich subventionierten Geldern vor allem die Investitionen für die grossen Telcos.»
Die Glasfaserdiskussion harzt
Die Äusserungen verdeutlichen: Die Glasfaser hat das Kupferkabel als Hauptstreitpunkt längst abgelöst.Denn was heute an Breitband-Infrastruktur vorhanden ist, wird schon bald nicht mehr ausreichen. Für Ivo Scheiwiler, Präsident beim Breitband-Ausrüster Broadband Networks, geht wie bereits vor zehn Jahren alles zu langsam: «Die zögerliche Politik behindert den Aufbau von Glasfasernetzen und damit den freien Wettbewerb. Die Trennung des Betriebs der Glasfasernetze und der Services, die darüber angeboten werden, würde den Konsumenten zugute kommen.» Marc Furrer, zuständiger Regulator der Comcom, zählt darauf, dass sich die Investoren am nächsten runden Tisch im November einigen können: «Ansonsten ist die Ultima Ratio, dass wir dem Bundesrat und Parlament vorschlagen, die Gesetze anzupassen.»
Lachender Dritter ist dabei ausgerechnet ein traditioneller TV-Anbieter, der sich mit der Liberalisierung zum Telco gewandelt hat. Hugo Wyler, Pressesprecher von
Cablecom sagt: «Durch den Ausbau des Kabelnetzes sind wir in einer guten Situation. Wir sind froh, allen voraus zu sein.» (Claudio De Boni)