Das Netzwerk wird zum Nervensystem

Die Vernetzung in der Unternehmenswelt nimmt mit rasanter Geschwindigkeit zu und auch Privatpersonen stellen immer höhere Ansprüche an die Verfügbarkeit von Kommunikations- und Informationslösungen. Solche Bedürfnisse rücken das Netzwerk als solches immer näher in den Mittelpunkt der IT-Infrastruktur - ohne Netz geht nichts. Bleibt die Frage, wer damit wie Geld verdienen kann? IT Reseller hat nachgefragt.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2009/02

     

Wenige IT-Marktsegmente haben momentan derart viele Trends als Treiber wie der Netzwerkmarkt, auch wenn er dabei nicht explizit genannt wird. Das spiegelt sich beispielsweise in den Top-10-IT-Technologien des Marktforschers Gartner für das Jahr 2009: Virtualisierung, Cloud Comput­ing, Server, die mehr sind als nur Blades, weborientierte Architekturen, Unternehmens-Mashups, spezialisierte Systeme, soziale Software und Netzwerke, Unified Communication, Business Intelligence und Green IT heissen die Trends. Kaum etwas davon kommt ohne einen Aus- oder Umbau von Netzwerkinfrastruktur aus.


Zu einem ähnlichen Schluss kommt eine aktuelle Analyse des Marktforschers Experton. Die Studie zu Unified Communications zeigt in Bezug auf Mitarbeiter die starke Tendenz zur Technisierung der Kommunikation in der heutigen Unternehmensland­schaft. Weit verbreitet ist auch die Zunahme flexibler Arbeitszeiten und die Zunahme standortübergreifender und interdisziplinärer Zusammenarbeit. Besonders ausgeprägt ist diese Entwicklung in den Branchen Versicherung, IT und Transport. Auch hier nimmt das Netzwerk einen wichtigen Stellenwert ein. Bandbreite ist die eine grosse Herausforderung, Managebarkeit die andere.

Krise und Videogebrauch als Treiber

Die durch die schwelende Finanzkrise grassierende Investitionsfaulheit führt vermutlich ebenfalls zu Ratio­nalisierungen und somit vermehrt zu netzwerkabhängigen Lösungsansätzen wie Software as a Service (Saas), die oft nur mit einer Investition in Netzwerk-Ausbau- und -Optimierung möglich sind. Bis 2012, so die Analyse von Gartner, sollen sich die Umsätze auf 14,8 Milliarden US-Dollar mehr als verdoppeln. Am schnellsten wachsen laut den Analysten die Umsätze mit On-Demand-Office-Suiten und mit Saas-Lösungen für die Digital Content Creation (DCC). Ebenfalls beflügelnd auf das Netzwerkgeschäft auswirken könnte sich, dass bis zum Jahr 2013 25 Prozent der Inhalte, mit denen Mitarbeiter täglich zu tun haben, Bilder, Video und Audio sein werden. Dazu Whit Andrews, Vice President und Distinguished Analyst bei Gartner: «Die Konsumerisierung war in der Vergangenheit eine treibende Kraft und das gilt auch für die schlagartige Popularität der Online-Videos unter Konsumenten, die ein ähnliches Interesse am Videoformat in der Geschäftswelt auslöst.» Videonutzung im Netz wachse schnell. 73 Prozent der Internetnutzer schauen sich mindestens einmal im Monat ein Online-Video an, was etwa 90 Millionen Zuschauern entspricht. In einer Gartnerumfrage bei zahlreichen amerikanischen CIOs kommt Netzwerk, Sprach- und Datenkommunikation auf Platz sechs aller unter den Top-Technologien, noch vor Security, Service-oriented applications (Soa) und Dokumenten-Management.

Nichts bleibt ohne Netzanschluss

Alle diese Beispiele unterstreichen, dass die Rolle des Netzwerks und dessen Management durch die Verschiebung der IT-Bedürfnisse an Gewicht gewinnt. Hinzukommt, dass klassi­sche Netzwerkfirmen sich neue Segmente erschliessen, indem sie einen relativ neuen Trend als Grund vorschieben, auch das zu vernetzen, was lange nicht so recht als Geschäftsmodell in Fahrt kommen wollte. Erst letzte Woche hat Marktleader Cisco mit der Vorstellung der «Energywise»-Technologie unter einem grünen Deckmantel mit dem Argument Strom­einsparung eine Marketingoffensive gestartet, welche die totale Gebäudevernetzung nun doch wesentlich schnel­ler voranbringen könnte, als bisher angenommen. Bis 2010 will man ganze Haustechniksysteme wie Klimaanlage, Heizung oder Belichtung mittels intelligenter Steuerung energieeffizienter machen. Dafür hat Cisco erst kürzlich mit dem amerikanischen Unternehmen Richards Zeta Building Intelligence einen Spezialisten für Gebäudesteuerung übernommen. Auch andere Hersteller setzen auf den Hype Green IT, obwohl zumindest in der Schweiz die steigenden Stromkosten bei IT-Verantwortlichen laut der Channel-Umfrage von IT Reseller noch kein grosses Thema sind. So erkennen beispielsweise die Switches von D-Link die Länge des angeschlossenen Netzwerkkabels und passen die Signalleis­tung entsprechend an oder ungenutzte Ports werden gar ganz abgeschaltet.

Durchzogene Prognose

Steigende Stromkosten und eventuell auch steigendes Umweltbewusstsein bleiben also im Netzwerkmarkt ein Hoffnungsträger, der dereinst neue Türen öffnen soll. Das sieht auch Hans Schuppli von IT-Infrastruktur-Spezialisten Swisspro so: «Konvergente und multimediale Netzwerke plus Green IT in einer Kombination von Onsite mit Hosted sind die Technologietrends des Jahres.» Er beobachtet zudem eine zunehmende Verschmelzung von Netzwerkanbietern mit Anbietern anderer IT-Segmente. Als Beispiel nennt er die OEM-Partnerschaften zwischen Nokia und Checkpoint oder zwischen Alcatel und Fortinet. Man erwarte 2009 wie im vergangenen Jahr einen guten Geschäftsgang, obwohl die Zahlungsmoral sinke.

Eine ähnliche Prognose erstellt Walter Zemp, Chef der Schweizer Niederlassung von Nextira One: «Die Projektbasis ist nach wie vor sehr gut. Dass Cisco viele Bereiche im Netzwerk vereinen will, wird aber Auswirkungen auf die Anbieterlandschaft haben. Wir sehen momentan Mobility, Vitalisierung und Storage als Technologie­trends.» Schwierig werde es, die entsprechenden Fachkräfte zu finden.


Patrick Hempele, Sales Manager und Mitglied der Geschäftsleitung bei Netcloud, spürt eine härter werdende Konkurrenz und erwartet aufgrund der Krise einen gleichbleibenden, guten Umsatz: «Im Bereich Data Center und Storage ist Konsolidierungsbedarf vorhanden. Wir haben an einem unserer Events über die Konvergenz von San und Lan gesprochen. Einige unserer Kunden haben diesen Umständen Rechnung getragen. Zudem finden Technologien für Online-Collaboration verstärkt Anklang. Service wird hierzulande sehr ernst genommen, Investitionen sorgfältiger geplant.»
Dies spürt auch Axel Hinze, Geschäfts­leitungsmitglied von BT Schweiz: «Es gibt einen deutlichen Trend, Netzwerkdienstleistungen an Service-Provider auszulagern. Ein starker Trend ist die Konvergenz von IP-basierten Netzwerkdienstleistun­gen mit anderen Disziplinen wie UCC, Conferencing, IPT, IT-Security als integrierter Service.»

Auch das Integrated Communications Services Team von IBM Schweiz sieht ähnliche Tendenzen, wie Medien­sprecherin Suzan Orozco ausführt: «In das Wide Area Network ist viel investiert worden, was zu sinkenden Preisen führt. Wachstumschancen ­sehen wir eher bei neuen drahtlosen IP-basierten Kommunikations-Anwendungen. Auch der zunehmende ­Kostendruck kann eine Chance sein, beispielsweise bei Videokonferenzen und webbasierten Kollaborations­lösungen. Mobile und virtuelle Ar­­beitsformen setzen sich immer mehr durch.»

Schliesslich setzt auch Hersteller Netgear zunehmend auf Wireless-Technologien: «W-Lan N gewinnt an Gewicht, wir werden auch 2009 im Business-Bereich zweistellig wachsen - dank unserem Preis-Leistungs-Verhältnis. Zudem wollen wir unsere neue Security-Familie Pro Secure optimal positionieren.»

EMC hingegen sieht Potenzial im verkabelten, schnelleren Netzwerkverkehr: «Fibre Channel over Ethernet wird grundlegende Änderungen mit sich bringen, da diese Technologie erstmalig erlaubt, klassische IP-basierte Netzwerke mit Fibre-Channel Storage Area Networks zu verschmelzen», sagt Daniel Renggli, Director Marketing & Communications.

Geplante Ausgaben sinken

Wenig optimistisch sind die Zahlen, die MSM Research erhoben hat. Demzufolge betragen die geplanten Inves­titionen in Netzwerke für 2009 783,3 Mio. Franken. Das sind fünf Millionen weniger als noch 2008. Zulegen wird vor allem Software für Netz- und Systemmanagement. Einbüssen wird der Umsatz mit Hubs und Switches, der aber immer noch einen Löwenanteil von 46,4 Prozent einnimmt. Auch Router und Bridges machen dieses Jahr wohl weniger Umsatz mit einem Anteil von 15,9 Prozent. Im Vergleich zum Gesamt-IT-Markt sinken die Anteile im Netzwerkmarkt ebenfalls wegen sinkenden Preisen. (Claudio De Boni)


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