Was viele bis zuletzt nicht möglich hielten, ist am Freitag passiert: Die Clinton-Regierung und 17 von 19 klagenden Bundesstaaten haben Richter Jackson vorgeschlagen,
Microsoft in zwei Firmen zu zerlegen – eine "Ops Co." für Systemsoftware und eine "Apps Co." für die Anwendungen, Entwicklungstools und MSN.
Der Browser, dessen Bundling mit Windows der Anlass für den ganzen Fall war, soll zur Applikationsfirma kommen.
Dazu kommt eine lange Liste von Restriktionen für Microsofts Verhalten während der nächsten zehn Jahre, von der Preispolitik bis zum Öffnen von Schnittstellen und dem Bündeln von Middleware mit Betriebssystemen. Zudem dürfen sich die beiden Firmen zehn Jahre lang nicht wiedervereinen. Die konkrete Umsetzung des Splits sollen Bill Gates und sein Board erarbeiten.
Die Kläger sehen aus einer unabhängigen Office-Firma mehr Wettbewerb entstehen. Diese Firma hätte keinen Anreiz mehr, nur für Windows zu schreiben, und würde – wie
Corel – auch andere Plattformen wie Linux und BeOS bedienen. (Zwischenruf: Ist das so? Corel ist fast pleite, BeOS wurde diese Woche bereits totgesagt, Linux ist eigentlich nur ein Webserver-System. Und was ist mit dem Mac? Schreiben Sie uns Ihre Meinung!)
Der Vorschlag wurde von Gates als "lächerlich" und "realitätsfern" kommentiert, z.B. sei eine Trennung der Serversoftware vom Betriebssystem Windows "jenseits von random". Windows 2000 etwa hätte ohne die Kooperation zwischen den Windows- und Office-Developmentteams gar nicht entwickelt werden können. Insgesamt wäre eine Aufteilung "schlecht für die IT-Branche und die Kunden".
Die Börse reagierte gelassen, die MS-Titel sackten nicht weiter ab, obwohl Gates warnt, dass die Zweiteilung der Firma nicht notwendigerweise zu einer entsprechenden Teilung der Aktie führe (die Regierung behauptete, dass den Aktionären kein Schaden entstehe). Offenbar glaubt die Börse dem kämpferischen CEO Steve Ballmer: "This company will not be broken up."
Microsoft soll seine eigenen "Besserungsvorschläge" nun am 10. Mai vorlegen. Jacksons abschliessendes Urteil mit den Strafmassnahmen wird frühestens 1. Juni erwartet. MS plant aber auf jeden Falls bereits, das Urteil an das US-Berufungsgericht und bei Bedarf an das Bundesgericht weiterziehen.
Auch wenn eine tatsächliche Aufteilung kaum sicher ist, sehen Analysten schwere Zeiten für den Softwaremulti kommen, falls das Verfahren nicht schnell abgeschlossen wird. Die Unsicherheit führe einem schwachen Börsenkurs, was insbesondere die Mitarbeiter schädige. Zudem sind da noch die über 130 privaten Antitrustklagen, von denen 27 dieser Tage zu einer Klage konsolidiert wurden.
Als Beruhigungspille für die Mitarbeiter hat Steve Ballmer am 26. April vorsorglich schon einmal den 34'000 MS-Beschäftigten eine einmalige Verdoppelung ihrer Aktienoptionen angeboten, die die jüngsten Kursverluste ausgleichen. (mvb)