Aus der vor drei Monaten angekündigten Fusion von
Corel und Inprise (ehemals Borland) wird nichts. Corel hält die Fusionsvereinbarung und das Angebot eines Aktientausches an die Inprise-Aktionäre nicht länger aufrecht. Andere Möglichkeiten der Zusammenarbeit sollen jedoch weiter verfolgt werden.
Die Fusion kam in die Kritik der Aktionäre, nachdem der Kurs der Aktie von Inprise unter 20 Dollar gesunken war und die finanzielle Lage des kanadischen Software-Unternehmens und Linux-Distributors zunehmend als fraglich galt. «Seit der Merger vereinbart wurde, hat sich vieles verändert», kommentierte denn auch Corel CEO Michael Cowpland, «Corel hat daher entschieden, das Agreement zu beenden.»
«Wir haben noch Geld auf der Bank» – sagt Corel
An der strategischen Ausrichtung von Corel soll sich dadurch nichts ändern. Man werde weiterhin an plattformübergreifenden Lösungen auf der Basis von offenen Standards arbeiten. Das Unternehmen hatte sich sehr bemüht, in den Linux-Markt einzudringen, indem es seine Grafik-Software und Wordperfect für das offene Beriebssystem verfügbar machte. Im Dezember sagte Cowpland voraus, in den nächsten fünf Jahren werde Corel die Hälfte seiner Umsätze mit Linux machen.
Das Unternehmen sucht nun nach anderen Möglichkeiten, seine finanzielle Situation zu bereinigen. Jährlich sollen bis zu 40 Mio. Dollar eingespart werden. Der seit April amtierende Finanzchef John Blaine versuchte, Gerüchten entgegenzutreten, dass dem Unternehmen das Geld ausgehe und betonte: «Ich sage ausdrücklich, dass Corel immer noch Geld auf der Bank hat.» Über die geplanten Umstrukturierungen soll in den nächsten Tagen informiert werden.
Der letzte Mohikaner
Inprise muss nun wieder als selbständiger Hersteller sein Glück versuchen. Das Unternehmen ist als Anbieter von Entwicklungs-Tools einer der letzten Mohikaner auf einem bereinigten Markt, auf dem die Gewinne zusehends schrumpften. Die Grossen der Branche wie
Microsoft, Sun und
IBM sehen Entwicklungs-Tools zwar als wichtigen Teil ihrer Strategie, nicht aber unbedingt als grossen Gewinnbringer. Die Software-Giganten investieren Millionen in die Entwicklung und das Marketing ihrer Programmierumgebungen, verkaufen sie aber oft unter Preis oder geben die Tools gar gratis ab, um so den Weg für ihre Betriebssysteme, Datenbanken und Highend-Computer zu ebnen.
Inprise versuchte mit dieser Situation fertig zu werden, indem sie ihr Portfolio neuerdings um Applikationserver erweiterte. Trotzdem musste sie im ersten Quartal einen Verlust von 1,1 Mio. Dollar hinnehmen. Von seiten des Unternehmens gab es bisher keine Kommentare. Analysten nehmen an, dass Inprise weiterhin zum Verkauf steht.
Da sich Inprise und
Corel gütlich auf den Verzicht des Mergers geeinigt haben, werden keine Strafzahlungen wegen Bruch der Abmachung fällig. Die Softwarelizenzen, die Corel von Inprise hat, sind vom Scheitern des Deals nicht betroffen.