OBT verliert Abacus Software-Partner-Status

20. Dezember 2002

     

Beim St. Galler ERP-Hersteller Abacus herrscht helle Aufregung. Anlass: Die kürzlich publik gewordene Partnerschaft des langjährigen Abacus-Software-Partners OBT mit SAP. OBT ist einer der neuen Sales & Service Partner (SSP), die SAPs KMU-Suite "Business One" in den Schweizer Markt drücken sollen. In einem der IT Reseller-Redaktion zugespielten Brief unterrichten Abacus-Geschäftsführer Claudio Hintermann und Daniel Senn alle Abacus-Logo-Inhaber, man sei der Meinung, dass dieser strategische Entscheid der OBT eine weitere Teilnahme am Abacus-Logo-Programm auschliesse und "wir sogar die weitere Zusammenarbeit mit der OBT in Frage stellen müssen".

Scheinbar ist sich Abacus aber doch nicht ganz sicher, ob man auf OBT als Partner gänzlich verzichten will. Man möchte nämlich, so heisst es weiter, "OBT als langjährigem Vertragspartner fairerweise genügend Zeit zur Analyse der neuen Situation geben", da ein Entscheid in dieser Grössenordnung Vorbereitungen in logistischer, vertraglicher und kommerzieller Hinsicht verlange.


In der Tat wäre die Kündigung der Partnerschaft mit OBT für Abacus eine schwerwiegende Angelegenheit, verfügt OBT doch über eine schweizweite Abdeckung mit 20 Niederlassungen. Als SSP für Business One muss OBT darüber hinaus ein eigenes Netz von Unterhändlern (Points of Sale) aufbauen. Dies zeige, heisst es im Brief weiter, "den Willen der OBT, bei der Etablierung einer ERP-Lösung eines Herstellers mithzuhelfen, dessen erklärtes langfristiges Ziel es ist, die Abacus-Software als Marktführer zu verdrängen". Die Konsequenz: Abacus hat OBT den Status als Software-Partner per 31. Dezember 2002 gekündigt.

Auf Anfrage sagte OBT-CEO Thomas Kade, man habe heute morgen ein gutes Gespräch mit Abacus geführt und werde bis auf weiteres die Partnerschaft mit Abacus weiter pflegen. Es sei vereinbart worden, mit Abacus so weiterzufahren wie bisher. "Seitens OBT haben wir nochmals bekräftigt, dass wir Business One in einem anderen Segment sehen als Abacus. Ob die Partnerschaft mit Abacus weitergeht, liegt nicht in unserer Macht. Das muss Abacus entscheiden."

Welches "andere Segment" OBT meint, wollte Kade nicht präzisieren. Er sieht aber offenbar viel Raum für Abacus-Alternativen: "Abacus hat nach eigenen Angaben einen Marktanteil von 16 Prozent. Scheinbar finden die 40‘000 KMUs, die die restlichen 84 Prozent ausmachen, Abacus sei nicht die Lösung."

Thomas Köberl, Marketingleiter bei Abacus, nahm gegenüber IT Reseller kein Blatt vor den Mund: "Nach 15 Jahren Partnerschaft und der Tatsache, dass OBT der grösste Abacus-Vertriebspartner ist, sind wir aus allen Wolken gefallen. OBT will mit SAP Business One vor allem Handelsbetriebe erreichen, wo man mit Abacus offenbar zu wenig Erfolgt hatte. Wir sind sehr erstaunt, dass eine Treuhandgesellschaft wie OBT mit ihrem Know-how, das auch durch den Vertrieb unserer Produkte aufgebaut wurde, sich auf ein derartiges Experiment einlässt." (Ein Abacus-Software-Partner – OBT ist einer der 12 Abacus-Partner, die über diesen Status verfügen –, muss einen Mindestumsatz von 500‘000 Franken generieren, eine eigene Hotline betreiben und vor allem sämliche Abacus-Produkte vertreiben, ohne Konkurrenzprodukte anzubieten.)

OBT sieht den Entscheid für SAP als eine strategische längerfristige Ausrichtung und als Komplettierung des Produktportfolios. Köberl ist da jedoch skeptisch: Der Zustand der SAP-Software sei aber derzeit nicht ausreichend, um den Anforderungen zu genügen.

Entscheidend sei aber, dass Abacus aufgrund des Partnerkonzepts und den Bestimmungen konsequent sein müsse, weshalb OBT den Status als Abacus Software-Partner nun verliert bzw. nur noch normaler Vertriebspartner ist. Köberl: "Wir werden aber mit OBT weiter zusammenarbeiten und OBT unterstützen, schliesslich sollen vor allem die Kunden keinen Schaden tragen. Im März werden wir uns wieder für ein Gespräch treffen, die Situation überdenken und entscheiden, wie es mit der Partnerschaft weitergehen soll."

Die Bedeutung von OBT für Abacus lässt sich schon allein daran messen, dass von den laut Abacus 25‘000 KMUs, die Abacus-Produkte im Einsatz haben, 2600 Firmen OBT-Kunden sind. (mh)


Weitere Artikel zum Thema

IT Reseller-Roundtable: Keine Panik wegen Microsoft und SAP

2. Dezember 2002 - Wie reagieren Schweizer Hersteller auf den Eintritt von Microsoft und SAP in den Markt für KMU-Business-Software? Vier profilierte Vertreter von Schweizer ISVs im Gespräch.

Den Wünschen der ISVs Rechnung getragen

2. Dezember 2002 - IT Reseller sprach mit Hans-Jürgen Uhink (Bild), der das Mittelstandskonzept der SAP massgeblich mitgeprägt hat und als Senior Vice President für Sales und Marketing der global tätigen Business Unit «Small and Mid-sized Business» verantwortlich ist. Uhink wurde zudem die Verantwortung zum europaweiten Rollout des Mittelstandskonzeptes der SAP übertragen.


Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Aus welcher Stadt stammten die Bremer Stadtmusikanten?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER